Tote nach Brand in der Dachauer Straße in München: Vater und Kinder verbrannten im 5. Stock

Kurz vor 2 Uhr nachts ist es, als die ersten Bewohner der Dachauer Straße 24 mitbekommen, dass ihr Haus in Flammen steht. So wie Adam: Sein Mitbewohner kommt ins Zimmer gerannt, schreit, weckt ihn. Es gibt einen lauten Knall, alle Türen fliegen auf. Das Feuer breitet sich explosionsartig aus, „Flashover“ nennt das die Feuerwehr. „Viele sind nach oben gerannt, nach unten ging nicht, das Treppenhaus brannte ja“, erzählt Adam.
Einige retten sich übers Dach auf die Nachbarhäuser. Etwa 20 Bewohner versuchen es über die Feuerleiter zum Innenhof, doch die endet knapp sieben Meter über dem Boden. Sie stecken dort um Hilfe rufend fest, als die Feuerwehr eintrifft.
Drei Menschen kommen in dieser Nacht ums Leben: Sascha A., 37, aus Bulgarien und seine beiden Töchter, 9 und 16 Jahre alt. Zwei der Toten wurden inzwischen zweifelsfrei identifiziert. Laut Obduktion starben sie durch Rauchgasvergiftung und Hitzeeinwirkung. Der Vater und die Töchter wollten vor den Flammen fliehen. Die Leichen fand man im Flur ihres Apartment.
Einen technischen Defekt schließt die Polizei aus
Die Familie hat seit etlichen Jahren hier gewohnt. Die Mutter befindet sich zur Zeit in Bulgarien, die Beamten haben bisher nur Kontakt zu anderen Verwandten.
Am Mittag läuft der Cousin des Vaters vor dem ausgebrannten Haus auf und ab, laut weinend, telefonierend, wieder weinend. Er will nicht reden, nimmt nur ein Taschentuch an.
Das Feuer ist im Treppenhaus im dritten Stock ausgebrochen. Dort lag laut Polizei eine brennende Matratze, von der nur noch die Sprungfedern aus Metall übrig sind. Vom Flur aus breitete sich das Feuer nach oben aus, wie ein Kamin hat das hölzerne Treppenhaus gewirkt. „Wir können zum derzeitigen Stand einen technischen Defekt eher ausschließen“, sagt Frank Hellwig, Leitender Kriminaldirektor. „Wir müssen eher von Brandstiftung ausgehen.“ Ob fahrlässig oder vorsätzlich sei noch zu klären von der Ermittlungsgruppe „Dachau“, bestehend aus zwölf Kriminalern und Brandfahndern.
Die Toten fand die Feuerwehr in einer der fünf Dachgeschoss-Wohnungen. Dort unterm Dach lebten auch die elf Verletzten, die nach dem Brand mit Rauchgasvergiftungen im Krankenhaus behandelt werden.
Am Mittwoch ist der Innenhof des Gebäudes voll mit den Menschen, die aus ihrem Zuhause flüchten mussten und jetzt nicht mehr tun können als warten. Immerhin haben sie inzwischen alle Jacken – nachts trugen die meisten nicht mehr als T-Shirts. Immer wieder kommen Menschen aus dem Hof, gehen auf die andere Straßenseite, schauen fassungslos das Haus an.
Nach AZ-Informationen gab es in den vergangenen Jahren an dieser Adresse schon mehrmals Feueralarm wegen Brandstiftung. Die Feuer wurden glücklicherweise immer früh entdeckt – als Täter wurden immer Bewohner ermittelt.
Das Haus gehört dem Sohn des Bäckerei-Besitzers Johann Hölzl. Noch vor vier Jahren gab es eine Hölzl-Filiale im Erdgeschoss – jetzt ist dort ein Army-Shop. Verlebt sieht das Haus aus. „Die Eigentümer haben seit Jahren nichts mehr reingesteckt“, sagt eine Nachbarin.
„In manchen Zimmern wohnen vier, fünf, sechs. Viel zu viele“
Anwohner berichten, es habe oft Ärger gegeben, Streitereien. „Die Polizei war eigentlich ständig da“, sagt einer. 97 Bewohner sind laut Polizei gemeldet – Bulgaren, Slowenen, Rumänen, Deutsche. Einige Familien, viele junge Männer. Das Haus gilt als überbelegt. „Hier kamen und gingen ständig Menschen“, sagt ein Bewohner. Er teilt sich mit einem Kollegen ein Zimmer im zweiten Stock. Zwei in einem Zimmer sei aber noch wenig, sagt er: „In manchen anderen wohnen vier, fünf, sechs. Viel zu viele.“
Das Haus ist bis auf Weiteres unbewohnbar. Schaden: 300 000 Euro. Die meisten Mieter sind im King’s Hotel. Hier werden sie nicht bleiben können. Die traurige Realität des Münchner Mietmarkts: Gut möglich, dass die Menschen auch in Zukunft in gefährlichen Verhältnissen leben müssen.
Brandschutzverordnung - Es gab keine Rauchmelder
Die letzte Begehung des Gebäudes durch Brandschutzexperten war im Jahr 2008 – damals wurden keine gravierenden Verstöße notiert. Bei Häusern dieser Größenordnung ist so eine Begehung alle acht bis zehn Jahre vorgeschrieben, die nächste war für 2017 oder 2018 geplant. Rauchmelder gab es keine im Haus; Pflicht sind die allerdings für Bestandsbauten auch erst ab Ende 2017.
Und das fehlende Stück der Feuerleiter im Hof ist damit zu erklären, dass diese kein offizieller Fluchtweg ist, sondern gedacht für die Feuerwehr zum Anleitern von unten.