Teure Kirchenwohnungen in Neuhausen: Auch der Pfarrer glaubt's nicht

Neuhausen - Die kleine katholische Kirche Sankt Vinzenz in Neuhausen ist umgeben von deutlich höheren Gebäuden. In den vergangenen Jahren ist direkt neben dem Gotteshaus ein Neubaukomplex in die Höhe gewachsen: Die katholische Stiftung St. Antonius der Erzdiözese München und Freising hat hier 50 neue Wohnungen errichtet, 20 von ihnen sind barrierefrei, zwei rollstuhlgerecht. Im März sollen die ersten Mieter einziehen.
Neuhausen: Jahrelang stand das ehemaliges Mädchenwohnheim leer
Ein Grund zur Freude war das für Pfarrer Wendelin Lechner und viele Neuhauser, als es vor etwa drei Jahren losging. Denn jahrelang hatte auf dem Grundstück in der Klarastraße 10 ein ehemaliges Mädchenwohnheim der In Via-Stiftung leergestanden. Es gammelte vor sich hin, ein Mal brannte es auch darin.
Nachdem das alte Gebäude abgerissen war und eine große Bautafel von dem kirchlichen Projekt kündete, fragten bei Pater Lechner immer wieder interessierte Neuhauser nach, wann und wo man sich denn bewerben könne für die neuen Wohnungen. Wendelin Lechner erklärte dann stets, dass seine Pfarrei nichts damit zu tun habe, aber er leitete die Anfrage weiter an den Bauherrn, die St. Antonius-Stiftung.
Erschwingliche Mieten in Neuhausen? Ein Trugschluss
Es ist noch nicht lange her, als der Priester feststellte, dass er dem gleichen Trugschluss aufgesessen war wie viele andere auch: Nur weil eine kirchliche Stiftung baut, bedeutet das nicht, dass die Mieten auch für Normalverdiener erschwinglich sind. Der Kirchenmann am Montag zurückhaltend zur AZ: "Die Höhe der Mieten hat mich schon überrascht. Ich bin auch ratlos."
Für Preise zwischen 21,70 und fast 25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sind die 1,5-, Zwei- und Vierzimmerwohnungen nun auf dem Markt, ein Makler bietet sie für die Stiftung an. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit knapp 60 Quadratmetern wird laut Maklerliste 1.582 Euro kosten, eine Familienwohnung (vier Zimmer, 122 qm) rund 3.030 Euro warm.

Kann die Stadt München die Mietpreise senken?
Nachdem Pater Lechner von den Preisen erfahren hatte, hakte er bei der Stiftung nach. Denn er sah kommen, was nun eingetreten ist: Dass die hohen Mieten möglicherweise kein so gutes Licht auf die katholische Kirche im Allgemeinen werfen könnten. Doch die Stimme des Paters von Sankt Vinzenz hatte auf die Preisgestaltung keinen Einfluss.
Nun will der Bezirksausschuss (BA) Neuhausen-Nymphenburg einen eigenen Versuch starten. Der Bezirk 9 ist mit 100.000 Einwohnern der Zweitgrößte in München. BA-Chefin Anna Hanusch (Grüne) sagte am Montag zur AZ, man werde prüfen, ob die Stadt Instrumente habe, um die hohen Preise in der Klarastraße 10 zu senken. "Schräg gegenüber entstehen städtische Wohnungen der GWG. Es kann nicht sein, dass immer nur die Stadt für Ausgleich sorgen muss", sagt die BA-Chefin. "Wir werden das Gespräch mit der Stiftung suchen und an sie appellieren."
Anna Hanusch: "Die Gentrifizierung greift um sich"
Sie stellt für ihr Viertel schon seit längerem fest: "Die Gentrifizierung greift um sich. Auch das St.-Vinzenz-Viertel ist im Umbruch." 2021 wurden für den Stadtbezirk 9 drei Erhaltungssatzungen beschlossen, darunter eine für das St.-Vinzenz-Viertel. Hätte die St.-Antonius-Stiftung erst jetzt mit dem Bau begonnen, "könnten wir anders handeln".
Stefan Fritz, Geschäftsführer der St.-Antonius-Stiftung, rechtfertigt die hohen Mieten in der Klarastraße unter anderem mit hohen Baukosten. Sie seien um vier Millionen auf 22,5 Millionen Euro (ohne Grundstückskosten) gestiegen. Die Miete richte sich "nach den vor Ort marktüblichen Mieten für Neubauten dieser Qualität".
München: So argumentiert die Stiftung
Bei anderen Wohnungen der Stiftung lägen die Mieten im Durchschnitt "deutlich unter dem Mietspiegel". Auch habe man drei Jahre die Miete nicht erhöht. "Um die Stiftungszwecke erfüllen und Mittel für soziale Zwecke erwirtschaften zu können, ist es erforderlich, nicht alle Wohnungen unter den im Markt erzielbaren Mieten zu vermieten", so Fritz. Für den Neubau "in Münchner Bestlage" würde das bedeuten, den eigentlich Begünstigten der Stiftung Mittel vorzuenthalten, um diese einer anderen Zielgruppe zu gute kommen zu lassen.
Die St.-Antonius-Stiftung unterstützt Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands Hilfe brauchen. 6,15 Millionen Euro hat sie 2021 an verschiedene Sozialträger ausgeschüttet. Rund eine Million flossen in die Bekämpfung von Armut und Hilfe für Wohnungslose.
Reaktion auf Twitter
Der Mieterverein reagierte am Montag auf den AZ-Artikel per Twitter: "Wenn nicht alle mithelfen, werden wir das Mietenproblem in München nicht lösen können. Wir würden uns wünschen, dass sich kirchliche Vermieter sozialer verhalten als andere und bezahlbaren Wohnraum anbieten."