Syrer erneut auf Baukran: Fünf Stunden Angst
Stundenlang hält Asylbewerber Abdullatif A. Anwohner und Rettungskräfte bei Dauerregen und kühlen Temperaturen in Atem. Dann gibt der verzweifelte Mann zitternd auf.
München - Mehr als fünf Stunden hielt er in schwindelerregender Höhe auf dem glitschigen Gerüst aus. Mal kauerte er auf den Eisenstreben, mal stand er regungslos an der Spitze des Auslegers, drohte 40 Meter in die Tiefe zu springen. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten ist ein verzweifelter Asylbewerber aus Syrien in München auf einen Baukran geklettert, um auf sein Schicksal aufmerksam zu machen. Er drohte, sich hinunter zu stürzen, wenn man ihm und seiner Familie, die in Kairo ist, nicht helfe.
Gegen 9 Uhr meldeten sich mehrere Passanten und Anwohner bei der Polizei, die den Mann auf dem Kran am Gärtnerplatztheater entdeckt hatten. Sofort rückten Polizei und Feuerwehr aus. Die Feuerwehr packte Sprungkissen aus, die Polizei sperrte den Gärtnerplatz für den Verkehr. Niemand durfte mehr unter dem Kranausleger durch, Straße und Gehweg zwischen U-Bahnhof Fraunhoferstraße und Gärtnerplatz waren gesperrt.
Fünf Stunden lang hielt es der Syrer in luftiger Höhe aus. Er hatte Zigaretten und einen Rucksack mit Proviant dabei, offensichtlich hatte er sich auf einen längeren Aufenthalt eingestellt. Ein Polizeipsychologe, eine Vertreterin vom Bayerischen Flüchtlingsrat und ein Dolmetscher versuchten, Kontakt mit dem Mann zu bekommen und ihn zum Aufgabe zu bringen. Konkrete Forderungen hatte der Asylbewerber zunächst nicht. Doch schnell war klar, dass es sich bei dem Kletterer um den Syrer Abdullatif A. (31) handelt, der am 5. August bereits auf einen Kran an der Wolfratshauer Straße in Sendling geklettert war. Damals hatte er verlangt, dass seine Frau und seine sieben Kinder ein Visum für die Bundesrepublik bekommen. Abdullatif A. war Mitte Juli über Bulgarien nach München gekommen und hatte hier einen Asylantrag gestellt.
Auf den Tag genau vor einem Monat hatte Abdullatif A. fast 17 Stunden auf dem Kran ausgeharrt und die Anwohner und Rettungskräfte in Atem gehalten. Dann wurde er im Schutz der Dunkelheit vom Spezialeinsatzkommando (SEK) überwältigt. DIe Einsatzkräfte brachten ihn ins Isar-Amper-Klinikum nach Haar.
Am Gärtnerplatz fürchteten am Samstag viele Augenzeugen, dass der verzweifelte Mann seine Ankündigung wahr machen und sich hinunter stürzen würde. Immer wieder saß oder stand der Syrer an der äußersten Spitze des Krans. Wenn sich der Polizeipsychologe und Retter näherten, drohte er zu springen. Die Kontaktaufnahme musste zeitweise abgebrochen werden. Fünf Stunden hielt Abdullatif A. bei Dauerregen und kühlen Temperaturen durch. Dann überzeugte ihn der Psychologe aufzugeben. Nach AZ-Informationen wurde ihm ein Gespräch mit Vertretern des Flüchtlingsrats zugesichert. Abudllatif A. warf seinen Rucksack hinunter, kletterte freiwillig hinunter. Als ihn die Rettungskräfte in Empfang nahmen, zitterte und weinte der Flüchtling.
Abdullatif A. wurde zunächst ärztlich und psychologisch betreut. Verletzt wurde er bei der Aktion nicht.