Sushi-Bote hängt 1,4 Kilometer auf der Kühlerhaube

Ludwigsvorstadt - Viel Zeit hat man als Lieferfahrer nicht. Die Kundschaft ist hungrig und will nicht gerne warten. Serhat Aktas eilte am Sonntag, kurz nach 14 Uhr, nur kurz ins Asia-Lokal „Sushi-Chi“, um eine Bestellung abzuholen. Seinen Fiat ließ er draußen auf der Kapuzinerstraße stehen – und schon war sein Punto weg. „Ich dachte erst, meine Kollegen veralbern mich“, erzählt der 26-jährige gebürtige Münchner. Was aber nicht der Fall war. Denn kaum hatte Serhat Aktas das Lokal betreten, hatte sich ein Fremder hinters Lenkrad. Der Schlüssel steckte praktischerweise. Der Dieb startete den Motor – und brauste davon.
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Serhat Aktas rannte aus dem Lokal. Der Autodieb fuhr erst ein paar Meter in Richtung Isar und drehte dann um. Frech fuhr er direkt an dem verdutzten 26-Jährigen vorbei in Richtung Innenstadt. „Ich hab meinen Augen nicht getraut“, sagt Aktas. Er sprintet quer über die Straße, versucht, die Beifahrertür aufzureißen und den Dieb rauszuziehen. Doch der hat die Türen verriegelt.
Vorne an der Lindwurmstraße zeigt die Ampel rot. Die Chance, den Autodieb zu stoppen? Aktas sprintet seinem Punto hinterher. Er stellt sich direkt vor die Kühlerhaube und streckte die Hände aus. „Komm raus, aussteigen“, schreit er den Auto-Dieb an. Doch der denkt überhaupt nicht daran, sondern gibt Gas.
Ehe sich Serhat versieht, landet er auf der Kühlerhaube. „Ich dachte, ich bin im falschen Film.“ Reflexartig klammert er sich an der vorderen Kante der Motorhaube fest. Wie in einem Actionfilm braust er als lebende Kühlerfigur in Richtung Hauptbahnhof. Dieb und Autobesitzer starren sich durch die Windschutzscheibe an. Doch der 37-jährige Dieb macht keine Anstalten anzuhalten. Im Gegenteil. Wild kurbelt er am Lenkrad. Der Fiat schlingert gefährlich. Nur mit Mühe kann sich Serhat festhalten.
Der Fiat rast die Herzog-Heinrich-Straße hoch, über den Kaiser-Ludwig-Platz in die Paul-Heyse-Straße zur Kreuzung Bayerstraße. Die wilde Verfolgungsjagd geht inzwischen über 1,4 Kilometer und mehrere rote Ampeln.
An der Bayerstraße überfährt der Dieb die nächste rote Ampel. Serhat sieht einen kreuzenden Audi – im letzten Moment zieht er noch die Beine hoch. Dann kracht es auch schon. Beim Aufprall wird der 26-Jährige auf die Straße geschleudert. Der wilde Ritt ist vorbei.
Die Insassen im Audi, eine Familie mit zwei Kindern, haben Glück im Unglück. Alle vier bleiben unverletzt. Der Autodieb, ein 37-Jähriger aus der Slowakei, wird leicht verletzt. Er sitzt bereits in U-Haft.
Am meisten Glück hat aber Serhat Aktas: Im Krankenhaus stellen die Ärzte, abgesehen von ein paar Prellungen und Schürfwunden, keine schweren Verletzungen fest.
Am Montag war der 26-Jährige bereits wieder in der Arbeit. Aber natürlich ohne seinen blauen Punto, der ist Schrott. Erst vor drei Monaten hatte ihn sich Serhat Aktas gekauft.