Studieren auf engstem Raum: Das Münchner Bungalowdorf 50 Jahre nach Olympia

Milbertshofen - Bungalows in Reihe, junge Menschen in den Gassen. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert im Olympischen Dorf in München. Und doch leben in den kleinen zweistöckigen Bauten im Bungalowdorf schon lange keine Sportler mehr vor dem vielleicht größten Auftritt ihres Lebens. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen von 1972 liegen die Nerven höchstens blank, weil an der Universität die nächste Klausur ansteht.
Bunt bemalte Fassaden locken auch immer wieder Touristen mit Kameras an
Die Bungalows und einige der angrenzenden Häuser dienen heute Studenten als kostengünstige Unterkunft. Und das mitten in München. Die oft bunt bemalten Fassaden der kleinen Appartements locken auch immer wieder Touristen mit Kameras an. "Das ist ein bisschen komisch", sagt eine Studentin lachend, die sich in ihrer Wohnung ab und an gestört führt.
Ziel der Fotografen: Die kreativ gestalteten Motive auf den Bungalows. Mal grinst einen Homer Simpson von der Wand an, auf einem anderen Appartement steht "Hogwarts will always be there to welcome you home" (zu deutsch: Hogwarts wird immer da sein, um dich willkommen zu heißen), aus dem Harry-Potter-Universum.
Ins Olydorf: Nihat ist fürs Studium aus der Türkei nach Deutschland gezogen
Andere Appartements wurden einfach nur bunt bepinselt. In den Gassen zwischen den Häuschen hängen Lichterketten oder auch trocknende Wäsche auf gespannten Leinen. Studenten tragen einen Grill über den Hauptplatz der Anlage.
In der liebevoll "Olydorf" genannten Studentenwohnanlage herrscht eine gute Stimmung unter den Bewohnern. "Wir haben hier eine Bierstube. Das ist meistens der Ort, wo wir unsere Zeit genießen", sagt Nihat. Der 22-Jährige studiert Elektrotechnik an der TU in München. Für das Studium ist er extra aus der Türkei nach Deutschland gezogen. Eigentlich wollte er in Aachen studieren, doch dann habe er die Zusage für ein Appartement im Bungalowdorf bekommen – "deshalb habe ich dann hier studiert".
Die meisten Appartements im Olydorf sind kleiner als 20 Quadratmeter
Wie man ein Appartement erhält, erklärt ein Sprecher des Studentenwerks: "Studierende können sich online auf der Website des Studentenwerks München um einen Wohnheimplatz bewerben." Bei der Bewerbung könnten sie eine bis maximal drei Wohnanlagen auswählen.
Die Bungalows sind überschaubar. Der Eingang mit dem charakteristisch großen Fenster und einem schmalen, langgezogenen Fenster mit einem Fensterbrett als Auslage darunter, eine kleine Pantryküche, Platz für ein kleines Zweisitzersofa, Bad und die schmale Treppe in die obere Etage mit Bett und einer kleinen Terrasse.
Die meisten Appartements im Olympischen Dorf messen etwas weniger als 20 Quadratmeter. "Bei dem Großteil der Wohnplätze bewegt sich die Bruttowarmmiete zwischen 332,60 und 363,10 Euro monatlich", sagt der Sprecher des Studentenwerks.
Student Nihat weiß, dass die normalen Mietkosten in München sehr hoch sind. "Es ist auch schwer, überhaupt eine Wohnung zu finden." Umso glücklicher ist er über den Bungalow. "Einige Nachbarn kenne ich schon seit Jahren. Der hier", sagt er und deutet mit dem Finger auf den Bungalow gegenüber, – "wir waren sehr eng. Aber er ist jetzt auch weg. In dieser Gasse sind meist Austauschstudenten, deswegen kommen hier jedes Semester neue Leute."
Das ehemalige Olympische Dorf steht unter Ensembleschutz
11.000 Wohnplätze bietet das Studentenwerk München in München, Freising und Rosenheim, 1.029 davon entfallen auf die Bungalows. Einige wenige sind für Familien gedacht. "Manchmal ist es sehr laut", gibt Nihat zu. Bis 22 Uhr darf Musik gehört werden. Danach gilt Zimmerlautstärke. Allerdings hielten sich nicht immer alle daran, verrät er und lacht. "Das ist ein Studentenwohnheim, deswegen hört man das schon."
Das ehemalige Olympische Dorf steht unter Ensembleschutz, die Gebäude sind in ihrem Gesamtbild geschützt. Trotzdem musste das Bungalowdorf Ende der 2000er weichen. Nach Jahrzehnten war die Bauanlage sichtbar gealtert. Eine Sanierung wäre zu teuer gewesen und so wurde alles abgerissen und getreu dem Vorbild aufgebaut. Nur die Wände wurden beim Aufbau etwas enger gezogen – so wurde Platz für mehr Appartements gewonnen.
"Es gibt die Möglichkeit, dass die Studierenden dem Ganzen ein Gesicht aufsetzen"
"Die Anlage ist als Wohnheim für Studierende einmalig", sagt Rainer Hofmann. Der Architekt hatte selbst als Student in einem der Bungalows gewohnt und war viele Jahre später für den Wiederaufbau mitverantwortlich. "Es gab schon im Original damals die Möglichkeit, dass die aus Beton erstellten Häuschen von den Bewohnern bemalt werden konnten. Es gibt also die Möglichkeit, sich das Häuschen anzueignen, dass die Studierenden dem Ganzen ein Gesicht aufsetzen."

Wenige hundert Meter weiter erinnert eine Gedenktafel an das Attentat auf israelische Athleten bei den Olympischen Spielen. Die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September hatte das Quartier der Israelis überfallen und Geiseln genommen - alle elf starben im Laufe des Attentats. 50 Jahre später ist das Olympische Dorf ein friedlicher Schmelztiegel unterschiedlichster Nationen, Berufe und Altersklassen - mit regem Treiben.
Auch Student Nihat müsste bald wieder ausziehen – nach sechs Semestern ist für die Bewohner hier meist Schluss. Außer man engagiert sich im Dorf. Nihat will verlängern und bleibt so vielleicht noch ein wenig länger in seinem kleinen Heim auf historischem Boden.