Streifzug durch die Schützenstraße: Gammelstraße in Bestlage

Ludwigsvorstadt - Vorne scheppern Baumaschinen am historischen Tietz-Warenhaus, seit die Sanierung begonnen hat. Hinten pfeift der Wind durchs Gerüst an der Baustelle des Hotels Königshof. Dazwischen liegen gut 200 Meter Straße zwischen Bahnhof und Stachus, die mal zum Flanier-Sahnestückchen Münchens werden sollen - sobald der alte Karstadt-Anbauriegel gefallen ist und dort ein Shopping-Glaspalast glänzen wird. 2026, heißt es, könnte es soweit sein.

München: Die "greislige" Schützenstraße
Aber bis dahin? Ist die Schützenstraße kein freundlicher Ort. Es ist Dienstag gegen Mittag, die Menschen, die einem hier begegnen, kann man an zwei Händen abzählen. Eine Rentnerin, zum Beispiel, eilt an drei Obdachlosen vorbei Richtung Stachus. Warum sie so hastet? "Weil's greislig ist", sagt sie und deutet um sich. Die Arkaden links sehen aus wie finstere Höhlen, rechts sind Schaufenster von unten bis oben verklebt, aus dem Hauseingang riecht es penetrant nach Urin.
Entgegen kommt der Ingenieur Ulrich Krotz, auf dem Weg zum Arzt. Er habe "keinen Drang", sich hier aufzuhalten, sagt er, die Hände tief in die Manteltaschen vergraben, "durch den Verhau der Schützenstraße kann man nur noch schnell durchlaufen", zum Schämen sei diese Öde, dieser Schmutz, für eine Stadt wie München.

Die Schützenstraße: Das "Tor" zur Münchner Fußgängerzone
Es ist schon wahr, seit klar ist, dass der Karstadt-Um- und Neubau kommt, der linker Hand praktisch die komplette Straßenlänge betrifft, verödet die Schützenstraße, das "Tor" zur Münchner Fußgängerzone.
Vor dem ehemaligen Hotel Meier ist Thomas Stanzel anzutreffen. Er kümmert sich als Gebäudemanager um die vier Häuser mit den Hausnummern 8 bis 14 - auch die nämlich hat die Signa, die den "Glaspalast" baut, aufgekauft und wird sie bald abreißen lassen.
Die Hotels Meier und Luitpold, erzählt er, stehen leer, über der Tanzschule auf der Nummer 8 gibt es noch ein Büro, das fünfstöckige Wohnhaus auf der Nummer 10, über dem leeren Goldankauf-Laden, ist ebenfalls so gut wie mieterfrei. Ein bisschen Betrieb ist nur noch im "Infoladen", der für die Signa das Bauprojekt erklärt. Und mittags in der Obdachlosenküche, die die Caritas interimsmäßig eingerichtet hat.
Langer Leerstand - für die Gesamtoptik ist das nicht vorteilhaft
Aber auch gegenüber, auf der Hausnummer 9, die mit Karstadt nichts zu tun hat, ist seit mindestens zwei Jahren Leerstand, nicht nur in der Ladenzeile unten, sondern auch auf den fünf Stockwerken obendrüber, wo früher Büros und Wohnungen waren. Ein Investor, so ist zu hören, hat das Gebäude aufgekauft und leer gemacht, was für die Gesamtoptik nicht vorteilhaft ist, in den letzten Tagen ist durch den Sturm eins der staubigen Fenster herausgefallen. Jetzt wird die Statik des Hauses geprüft, es soll ein Hotel daraus werden, das wohl mal vom künftigen Glamour der Schützenstraße profitieren will. Aber bis das fertig wird, werde es dauern, bis 2025.

Nicht gut für den Nachbarn, das Smart Stay Hotel auf der Nummer 7, dem letzten Gründerzeit-Altbau in der Straße. Weil bis dahin der Urin- und Gammelgeruch nebenan bleiben wird. Gerade verlässt ein junges Gäste-Pärchen das Hotel, Ismail und Edda, die für zwei Tage als Touristen hier sind.
Klar sei München eine tolle Stadt, sagt Ismail. Aber hier vor die Hoteltür treten? Gespenstisch. Der Gestank, die seltsamen Gestalten, abends zumal. Man fühle sich ungemütlich hier, jedenfalls nicht sicher.

Der Gestank, die seltsamen Gestalten - ungemütlich
Vielleicht mit ein Grund, dass in diesem Hotel Doppelzimmer für den Schnäppchenpreis von 50 Euro zu kriegen sind - nur einen Steinwurf von der Fußgängerzone entfernt.
Für die wenigen Läden, die geblieben sind, sind die Aussichten für die nächsten Jahre wenig rosig. Sicher, es ist noch Betrieb im Karstadtriegel, bis er abgerissen wird. "Sale" klebt mannshoch, aber kaum einladend in den Schaufenstern. Aber es fehlen die früheren Gäste vom Königshof, es fehlen die Laufkunden, die das Warenhaus angezogen hat, überhaupt gebe es keine Laufkundschaft mehr, warum sollte sich auch jemand in diese Öde verirren? Fragt sich etwa Angelo Kaser vom Secondhand-Laden Vintage Revival auf der Nummer 7.
Von der Gammel- zur Glamourstraße: Es braucht Geduld
Friseurmeister Sahin Mersin vom Salon Haar Ekspres auf der Nummer 1 (neben dem Anna Hotel, das auch seit einem Jahr geschlossen ist) spürt genauso die Laufkundschaft schrumpfen. 15, besser 20 Leute sollten wie früher durchgehend im Laden sein, damit er sich rechnet. Gerade sind es exakt: drei.

"Es ist", sagt er, "als würde die Straße langsam absterben." Und er wolle sich gar nicht vorstellen, wie es wird, wenn gegenüber die Karstadt-Abrissbirne kommt. Mit noch mehr Baumaschinenscheppern und Staub und Dreck. Die Gammelstraße auf dem Weg zur Glamourstraße, es wird Geduld brauchen.