Stelzenhaus am Reinmarplatz: Wohnen über dem Parkplatz

Am Reinmarplatz hat die Stadt 144 Wohnungen auf Stelzen errichtet. Darunter parken 145 Autos. Die Mieten sind recht günstig. Wo sonst noch Stellplätze überbaut werden.
von  Christina Hertel
145 Autos sollen hier einmal parken. Der größte Teil, nämlich 102 Stellplätze, sind öffentlich und nicht für die Bewohner reserviert
145 Autos sollen hier einmal parken. Der größte Teil, nämlich 102 Stellplätze, sind öffentlich und nicht für die Bewohner reserviert © Sigi Müller

Neuhausen - In den meisten Fällen gibt es bekanntlich zwei Wahrheiten: Dass in der neuen städtischen Wohnanlage am Reinmarplatz die Kabel, die zur Lampe führen, nicht in der Decke versteckt sind, sondern in Metallrohren liegen, könnte man als ein Zeichen eines großen Spardrucks werten. Oder darin einen neuen, urbanen Chic sehen.

So oder so: Die 144 Wohnungen in der Nähe des Dantebads sind ein Bauprojekt, wie es sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag noch viel häufiger in München wünscht, betonte deren Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler bei einem Rundgang.

Denn die Anlage wurde auf Stelzen über einem Parkplatz am Reinmarplatz errichtet. So soll möglichst kein Platz verschwendet werden. Eine Tiefgarage sei zwar auch geprüft worden, sagt die Bezirksausschussvorsitzende von Neuhausen-Nymphenburg und Grünen-Chefin Anna Hanusch. Allerdings hätte das wesentlich länger gedauert, wäre aufwendiger und teurer geworden.

Erste Mieter sollen im Januar einziehen

36 Millionen Euro hat der Bau gekostet. Im Januar sollen die ersten Mieter einziehen. Darunter werden voraussichtlich viele Familien sein. 84 Wohnungen haben drei oder vier Zimmer. Denn momentan warten besonders viele Familien auf eine Sozialwohnung, sagt die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD).

Die Miete in dem Stelzenbau liegt zwischen 9,60 Euro und elf Euro pro Quadratmeter. Für eine 25 Quadratmeter große Einzimmerwohnung zahlt ein Mieter also 240 Euro kalt. Die teuerste Wohnung ist 95 Quadratmeter groß und kostet 1.045 Euro.

Arm werden allerdings nicht alle Mieter sein. Fast ein Drittel der Wohnungen ist für das sogenannte München Modell reserviert. Antragsberechtigt sind Familien mit einem Einkommen von bis zu 100.000 Euro im Jahr.

Gewofag will weiteren Wohnraum über Parkplätzen bauen

Goldene Wasserhähne können sie allerdings nicht erwarten. Jeder Quadratmeter ist ausgenutzt. Wer die Wohnungen betritt, steht im Prinzip sofort im Wohnzimmer. Dielen gibt es nicht. Auch eigene Balkone haben die Bewohner keine. Dafür eine Dachterrasse mit Rutsche.

Für die Wohnanlage gibt es nur ein paar Hundert Meter weiter ein Vorbild: Beim Dantebad hat die Gewofag einen Parkplatz überbaut. Dort sind 100 Wohnungen entstanden, hauptsächlich Ein-Zimmer-Appartments.

Auch an anderen Orten in der Stadt will die Gewofag gern Wohnraum auf Parkflächen schaffen: Zum Beispiel am Westbad und beim Waldfriedhof. Doch wann Baubeginn sein soll, kann Gewofag-Geschäftsführer Dengler nicht sagen. Beim Waldfriedhof gebe es rechtliche Probleme, denn dort plant die Stadt außerdem eine Tramlinie.

Die Nachfrage nach Sozialwohnungen wird immer größer

Zwar wären grundsätzlich auch Parkplätze bei Supermärkten denkbar, sagt Dengler. Doch auch da sei die Lage nicht einfach: Weil die Flächen den Supermarktketten gar nicht gehören. Oder weil es die Sorge gibt, die Bewohner könnte der Lärm stören, wenn morgens um kurz vor 6 Uhr die erste Lieferung kommt.

Ohnehin wird die Stadt ihr Wohnproblem wohl nicht allein damit lösen: In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Anträge für eine Sozialwohnung fast verdoppelt: 2016 beantragten 23.000 Menschen eine Wohnung. 2021 werden es voraussichtlich 41.000 Anträge sein. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Eine Wohnung anbieten kann die Stadt bei weitem nicht allen: 18.735 Anträge warten derzeit auf Bearbeitung. Ende des Jahres, wenn die Gewofag die Wohnungen am Reinmarplatz vergibt, werden es zumindest 144 weniger sein.

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