Spezialführung: Blinde dürfen Leichen in "Körperwelten" anfassen

Auf Tuchfühlung mit einer Leiche: Blinde und Sehbehinderte besuchen die „Körperwelten“-Ausstellung und ertasten Organe und Leichen.
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Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
dpa 36 Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
dpa 36 Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
dpa 36 Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
dpa 36 Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
dpa 36 Blinde und Sehbehinderte erfühlen die Plastinate von Gunther von Hagens. Die Bilder.
Am Ende der Ausstellung wartet dann etwas Nicht-Menschliches: Das Präparat eines Bären.
Sigi Müller 36 Am Ende der Ausstellung wartet dann etwas Nicht-Menschliches: Das Präparat eines Bären.
Viel zu sehen gibt es trotzdem. Besucher mustern eines der Ausstellungsstücke.
Sigi Müller 36 Viel zu sehen gibt es trotzdem. Besucher mustern eines der Ausstellungsstücke.
Hier wird der Schachspieler von einem Kameramann gefilmt. Viel rührt sich nicht.
Sigi Müller 36 Hier wird der Schachspieler von einem Kameramann gefilmt. Viel rührt sich nicht.
Auch dieses Präparat hat eine dynamische Haltung, unterstütz durch die besonders betonte Stellung der Beine.
Sigi Müller 36 Auch dieses Präparat hat eine dynamische Haltung, unterstütz durch die besonders betonte Stellung der Beine.
Bei der Bogenschützin deutlich zu erkennen: die Bauchmuskeln.
Sigi Müller 36 Bei der Bogenschützin deutlich zu erkennen: die Bauchmuskeln.
Und hier wiederum nur das blanke Skelett mit einigen Sehnen.
Sigi Müller 36 Und hier wiederum nur das blanke Skelett mit einigen Sehnen.
Bei diesem Ausstellungsstück werden die Nerven des menschlichen Körpers gezeigt.
Sigi Müller 36 Bei diesem Ausstellungsstück werden die Nerven des menschlichen Körpers gezeigt.
Dadurch wirkt der Körper nicht nur dynamisch in Szene gesetzt, sondern fast lebendig.
Sigi Müller 36 Dadurch wirkt der Körper nicht nur dynamisch in Szene gesetzt, sondern fast lebendig.
Es zeigt, wie sich die Muskeln beim Sport anspannen.
Sigi Müller 36 Es zeigt, wie sich die Muskeln beim Sport anspannen.
Starke Oberschenkel, kräftige Schultern: Dieses Präparat ist ein Basketballer.
Sigi Müller 36 Starke Oberschenkel, kräftige Schultern: Dieses Präparat ist ein Basketballer.
Auch dieser Körper ist detailgenau so modelliert worden, als würde er tatsächlich gerade Sport treiben.
Sigi Müller 36 Auch dieser Körper ist detailgenau so modelliert worden, als würde er tatsächlich gerade Sport treiben.
Bei diesem Skispringer sind einige Muskeln und Sehnen von den Knochen des Körpers abgelöst.
Sigi Müller 36 Bei diesem Skispringer sind einige Muskeln und Sehnen von den Knochen des Körpers abgelöst.
Auf diesem Bild ist ein menschliches Herz zu sehen.
Sigi Müller 36 Auf diesem Bild ist ein menschliches Herz zu sehen.
Wiederbeleben zwecklos: Die Herzmassage kommt für den Körper am Boden zu spät (oben). Sie passt aber zum Thema der Ausstellung: dem Verlauf von der Geburt bis zum Tod.
Sigi Müller 36 Wiederbeleben zwecklos: Die Herzmassage kommt für den Körper am Boden zu spät (oben). Sie passt aber zum Thema der Ausstellung: dem Verlauf von der Geburt bis zum Tod.
Artistische Einlage: Hier sieht man ein Paar beim Eiskunstlauf.
Sigi Müller 36 Artistische Einlage: Hier sieht man ein Paar beim Eiskunstlauf.
Der Ball landet im Kreuzeck, der Torwart springt ihm hinterher. Damit man noch mehr vom Körper sieht, ist der in der Mitte gespalten.
Sigi Müller 36 Der Ball landet im Kreuzeck, der Torwart springt ihm hinterher. Damit man noch mehr vom Körper sieht, ist der in der Mitte gespalten.
Der Turner mit Irokesen-Frisur hat die Muskeln angespannt.
Sigi Müller 36 Der Turner mit Irokesen-Frisur hat die Muskeln angespannt.
Neben ihm hängen seine Eingeweide.
Sigi Müller 36 Neben ihm hängen seine Eingeweide.
Teilweise wurden Muskeln extra von den Knochen abgetrennt, um sie zu verdeutlichen.
Sigi Müller 36 Teilweise wurden Muskeln extra von den Knochen abgetrennt, um sie zu verdeutlichen.
Dynamisch in Pose gebracht: Die Präparate sollen ästhetisch wirken.
Sigi Müller 36 Dynamisch in Pose gebracht: Die Präparate sollen ästhetisch wirken.
Hier ist ein großer Ausschnitt des zerlegten Körpers zu sehen.
Sigi Müller 36 Hier ist ein großer Ausschnitt des zerlegten Körpers zu sehen.
Ein Kopf in seine Einzelteile zerfallen. Das Gesicht löst sich vom Schädel ab – die Zerlegung eines Menschen.
Sigi Müller 36 Ein Kopf in seine Einzelteile zerfallen. Das Gesicht löst sich vom Schädel ab – die Zerlegung eines Menschen.
Betrügerischer Kartentausch mit Füßeln: Unter dem Tisch wird eine Karte ausgetauscht.
Sigi Müller 36 Betrügerischer Kartentausch mit Füßeln: Unter dem Tisch wird eine Karte ausgetauscht.
Dieses Trio war bereits im James-Bond-Film „Casino Royale“ zu sehen.
Sigi Müller 36 Dieses Trio war bereits im James-Bond-Film „Casino Royale“ zu sehen.
Eine plastinierte Frau lässt zwei Vögel in die Lüfte steigen. Diese bestehen aus Blutgefäßen.
Sigi Müller 36 Eine plastinierte Frau lässt zwei Vögel in die Lüfte steigen. Diese bestehen aus Blutgefäßen.
Die Schädeldecke wurde geöffnet, das Gehirn sichtbar gemacht.
Sigi Müller 36 Die Schädeldecke wurde geöffnet, das Gehirn sichtbar gemacht.
Rechts: Dieser Körper wird in der Pose einer Bogenschützin gezeigt – im Moment nach dem Abschuss eines Pfeils.
Sigi Müller 36 Rechts: Dieser Körper wird in der Pose einer Bogenschützin gezeigt – im Moment nach dem Abschuss eines Pfeils.
Zum Schach spielen braucht man Hirn. Deshalb ist das Denk-Organ bei diesem Präparat prominent freigelegt.
Sigi Müller 36 Zum Schach spielen braucht man Hirn. Deshalb ist das Denk-Organ bei diesem Präparat prominent freigelegt.
Starke Oberschenkel, kräftige Schultern: Dieses Präparat ist ein Basketballer. Es zeigt, wie die Muskel sich beim Sport anspannen.
Sigi Müller 36 Starke Oberschenkel, kräftige Schultern: Dieses Präparat ist ein Basketballer. Es zeigt, wie die Muskel sich beim Sport anspannen.
Beim ersten Blick meint man noch, eine kleine Wachsfigur zu sehen. Beim genauen Hinschauen erkennt man dann deutlich, dass das ein echter Fötus ist.
Sigi Müller 36 Beim ersten Blick meint man noch, eine kleine Wachsfigur zu sehen. Beim genauen Hinschauen erkennt man dann deutlich, dass das ein echter Fötus ist.
Faszinierend oder geschmacklos? Ein toter Fötus in der Ausstellung.
Sigi Müller 36 Faszinierend oder geschmacklos? Ein toter Fötus in der Ausstellung.

Auf Tuchfühlung mit einer Leiche. Blinde und Sehbehinderte besuchen die „Körperwelten“-Ausstellung in München und ertasten Organe und vollständige Leichen. Die entscheidenden Fragen dabei: Knochen oder Glibbriges? Und: Kann ich mal das Gehirn haben? 

Milbertshofen – „Wollen Sie mit Knochen anfangen? Oder mit was Glibbrigem?“, fragt Medizinstudentin Carolin Kelso (8. Semester) und zeigt auf den langen Tisch vor ihr. Auf schwarzem Tuch liegen dort ein menschliches Hirn, ein Herz, ein zweigeteilter Schädel, ein Fuß, eine ganze Niere, eine halbe Niere und „eine kleine, geschundene Niere“. Knochen! ist die einhellige Antwort. Man will sich langsam rantasten an das Ungewohnte, das „Glibbrige“.

Eine Gruppe blinder und sehbehinderter Menschen hat am Dienstagabend in München Gunther von Hagens' „Körperwelten“ besucht und dabei im wahrsten Sinne des Wortes versucht, die Ausstellung zu begreifen. Was normalerweise streng verboten ist, wird für die Besucher möglich: Sie dürfen und sollen die präparierten Leichen und Leichenteile nach Herzenslust anfassen. Die Führung findet in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenverbund statt.

Quasi zur Eingewöhnung geht es mit einzelnen plastinierten Organen los – und Berührungsängste sind von Anfang an Fehlanzeige. „Kann ich mal das Gehirn haben?“ ruft einer und erntet Gelächter. Die Stimmung ist gelöst. Die 33-jährige Münchnerin Melanie Egerer ist von Geburt an blind und tastet interessiert eine Schädelhälfte ab. „Zähne hat er auch noch“, sagte sie und lacht. Dass ein Gehirn so schwer sein kann, wundert sie und sie fasst sich prüfend an den Kopf, „ob das auch in Relation steht“. Die einhellige Meinung über die Organe: „Fühlt sich an wie Plastik“.

Diese Einschätzung ändert sich auch nicht, als die Leichenteile größer werden. Ein als Ringturner inszenierter toter Mann wird von allen Seiten angefasst – ebenso seine Organe, die in einem Netz neben ihm hängen. Dass es sich um einen toten Menschen handelt, scheint niemandem so richtig bewusst zu sein. Wie gesagt: „Fühlt sich an wie Plastik“. Die Münchnerin Stefanie Freitag streicht mit ihren Händen und rot lackierten Fingernägeln über die Bauchmuskeln des Mannes und ist begeistert von seinem „Sixpack“. Einen „Torwart“ dürfen die Teilnehmer der Führung noch anfassen – und einen großen Braunbären.

Von Hagens hat das sogenannte Plastinationsverfahren für Leichen entwickelt: Flüssigkeit und Fett werden entfernt und gegen Kunststoffe ausgetauscht. Bei ihrem Start vor mehr als zehn Jahren galt die „Körperwelten“-Ausstellung als Sensation und Skandal gleichermaßen. Die Präsentation toter menschlicher Körper wühlte auf und spaltete die öffentliche Meinung. Als von Hagens 2003 erstmals mit seinen Exponaten nach München kam, versuchte das mächtige Kreisverwaltungsreferat, die Ausstellung zu verbieten, scheiterte aber vor Gericht.

Inzwischen hat man sich gewöhnt an die ausgestellten Leichen. An zahlreichen Orten ist die Ausstellung zu sehen gewesen, nach eigenen Angaben hatte von Hagens weltweit bereits 37 Millionen Besucher. Auch Blindenführungen gab es schon an mehreren Orten in Deutschland. Noch bis zum 7. Oktober werden im Münchner Olympiapark rund 200 speziell präparierte Leichen und Leichenteile gezeigt – die sich, das nehmen die Teilnehmer der Blindenführung mit, nicht wie solche anfühlen.

 

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