Spaziergang in München-Neuhausen: Die blutige Blutenburgstraße
Neuhausen - Die Blutenburgstraße ist eigentlich immer einen Besuch wert. Ich finde sie so gut, dass gar nicht alle Tipps auf dieser Spaziergangs-Seite Platz finden. Aber zunächst mal grundsätzlich: Wem es zu hektisch zugeht in den Isar- und Maxvorstädten dieser Stadt, der kann – ganz am Rande jener Maxvorstadt und dann vor allem am Rande Neuhausens – mitten in München eine kleine Auszeit nehmen.
Das gilt zum Beispiel für Lebensmittel-Einkäufe in der wunderbaren Genussmeisterei (Ecke Elvirastraße) oder für eine Pizza - sehr günstig und im herrschaftlichen Ambiente im Melagrano (Blutenburgstraße 27) oder irre teuer, aber auch wahnsinnig gut in der Bio-Pizzeria Pizza Verde (Blutenburgstraße 50).
Blutenbergstraße in München-Neuhausen: Gefährlich sind heute nur noch die Radler
Es gilt aber auch und vor allem, wenn man einfach nur spazieren geht in dieser entspannten Straße, in der es oft was zu schauen gibt, aber eben nie Hektik ausbricht. Für eine echte Flaniermeile sind es eben doch nicht genug Lokale und Geschäfte.
Also kommen Sie mit auf einen kleinen Spaziergang zwischen Gastro und gruseligen Geschichten. Wirklich gefährlich freilich ist es hier heute nur in einer Hinsicht: Aufpassen vor den Radlern! Die Blutenburg ist Radlerstraße: Das ist schön und passt – aber Fußgänger sollten genau nach links und rechts schauen.
Station 1: Mörderischer Abschnitt
Äußere Blutenburgstraße hieß die Straße einst in Richtung Rotkreuzplatz. Heute ist ein Teil durch die Landshuter Allee abgeschnitten. Genau in diesem Teil mit seinen hübschen Altbauten steckt aber gruselige Münchner Kriminalgeschichte: 1900 erschoss hier ein Postler aus der Nachbarschaft mit seinem Colt den Wirt des Kaiser-Stüberls.
Und 1996 wurde ein Bankierssohn mit aufgeschlitzter Kehle aufgefunden - von einem Nachbarn in einem geparkten roten zweisitzigen Honda CRX. Die Tatwaffe, ein blutverschmiertes Küchenmesser mit einer etwa 15 Zentimeter langen Klinge, liegt unterhalb des Beifahrersitzes. Der Fall wird nie geklärt.
Station 2: Der beste Espresso im Viertel
Die Makler mögen es anders sehen, wenn sie ihre sündteuren Wohnungen verkaufen wollen. Aber szenig ist die Blutenburgstraße eigentlich nicht, die angrenzende Maxvorstadt in vielen Ecken eine andere Welt. Schöne und teure Lokale gibt es - aber eine junge, kreative Szene? Nein. Eine Ausnahme gibt es allerdings.

Wie leer es im Café Butter (Hausnummer 90) oft ist, wenn das Wetter nicht auf die Terrasse einlädt, spricht aber auch eher für die These, dass dieses Viertel eigentlich nicht hip ist. Besonders empfehlenswert in dem alternativen Laden: der beste Espresso Neuhausens (1,90 Euro).
Station 3: Neuschwanstein-Architekt!
Die einzige Villa der Straße ist ein kleines bisserl versteckt, mit einem Schrittin den Hof aber schon gut zu erkennen. Die Villa Gianna ist heute das Hinterhaus der Hausnummer 41. Noch in den 1960ern war hier eine Polizeiinspektion.

Wenig bekannt; Die Villa wurde von Julius Hofmann entworfen, jenem Leib-Architekten Ludwigs II., der auch die Innengestaltung von Neuschwanstein entworfen hat.
Station 4: Krimis auf der Bühne
Der kleine Platz am Blutenburg-Theater empfiehlt sich tags für ein Päuschen. In Münchens einzige Kriminalbühne einzutreten empfiehlt sich abends. In einem sehr besonderen, kleinen Rahmen lässt sich miträtseln, wer denn nun der Mörder ist – oder die Mörderin?

Das Haus hat viel erlebt in jedem Fall, hier war einst die Gaststätte Bürgerhof, Anfang der 80er eine Diskothek, dann mit den Walhalla-Lichtspielen ein Kino. Heute also prägt das kleine Theater das Kulturleben im Viertel um die Blutenburgstraße.
Station 5: Münchner Tram-Geschichte
Entlang des großen DM- und Lidl-Parkplatzes zwischen Blutenburg- und Nymphenburger Straße lässt sich ein Rest alter Münchner Tram-Geschichte erahnen. Denn die Mauer ist noch die Mauer des ersten München Trambahn-Depots, kleine Verzierungen sind etwa noch erhalten.

Hier war einst die Stadtgrenze, bis hierher fuhren ab 1876 die ersten Pferdetrambahnen, hier waren auch Stallungen für diese Pferde. Bis in die 1920er wurde das Areal so genutzt. Später wurden hier Busse der Deutschen Reichspost abgefertigt, man stieg hier auch in die Reisebusse ein.
Station 6: Japanische Törtchen
Gastronomisch ist die Gegend ein etwas seltsames Pflaster. Auf den ersten Blick sieht es nach einem großen Angebot aus – aber es gibt Schwächen. Am späteren Abend zum Beispiel hat oft alles zu (außer fast immer der Stehausschank Wein Feldmann in der Elvirastraße).

Und überhaupt ist das Angebot sehr auf Büromenschen ausgerichtet, sonntags ist es sehr schwer, einen gemütlichen Kaffee zu trinken. Auch die hervorragende japanische Konditorei Tanpopo (japanisch: Löwenzahn) hat leider seit ein paar Jahren sonntags zu. Unter der Woche aber ist sie immer einen Besuch wert. Der Klassiker, absolut fantastisch: das Himbeertörtchen für 4,80 Euro.
Station 7: Warum hier hohe Zäune sind
Anschlag aufs jüdische Altenheim in der Reichenbachstraße, Anschlag auf einen Club in der Schillerstraße: Es gibt viele Terror-Akte der 70er und 80er-Jahre in München, an die sich kaum einer erinnert.
Erstaunlicherweise auch an den auf das Landeskriminalamt in der Maillingerstraße, der der Grund dafür ist, dass wir heute in der Blutenburgstraße/Ecke Maillingerstraße vor einem Areal mit hohen Zäunen und sehr sichtbarer Kameraüberwachung stehen.

Am 12. Mai 1972 um 14.15 Uhr warnte eine Anruferin die Landesbesoldungsstelle in München, in sieben Minuten werde im benachbarten Landeskriminalamt eine Bombe zünden, das Amt sei zu räumen.
Eine perfide Taktik der linken Terroristen: Daraufhin flohen die Gewarnten auf den Parkplatz des Amtes. Dort explodierte um 14.20 Uhr eine in einem PKW versteckte Bombe. Sie verletzte zehn Personen, darunter ein Kind. Ums Leben kam wie durch ein Wunder keiner. Etwa 100 PKW wurden beschädigt.
Station 8: Münchens alter Fernsehturm
Die Einen lieben es, die anderen finden es absurd provinziell. Fakt ist: München hat bis heute keine ernsthafte Skyline. Ein paar Türme, oder wenigstens Türmchen, aber gibt es freilich schon.
Steht man etwa in Nicht-Wiesn-Zeiten auf der Mitte der Theresienwiese, kann man einige davon sehen – zum Beispiel den "Fernmeldeturm der Oberpostdirektion München", den sich aber wohl sehr viele Münchner noch nie von Nahem angesehen haben.

Lohnt aber: Durchaus imposant ragt der 1956 errichtete Fernmeldeturm zwischen Blutenburg- und Marsstraße in die Höhe. Bis zur Errichtung des Olympiaturms war dies der Fernseh-Grundnetzsender für das ZDF und das Bayerische Fernsehen. Er ist 102 Meter hoch – und prägte bis zur Errichtung des Olympiaturms Münchens "Skyline" noch mehr, als er es bis heute tut.
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