Spaziergang durch die Altstadt in München: Abseits der Touristenmassen im Lehel

Altstadt-Lehel - Millionen Touristen zieht es jedes Jahr nach München – vor allem in die Altstadt, zum Rathaus mit seinem Glockenspiel, auf den Viktualienmarkt, rauf auf den Alten Peter oder in die Frauenkirche. Vergessen wird da manchmal, dass zu dem Bezirk nicht nur die Gegend rund um die Fußgängerzone gehört, sondern auch der Stadtteil Lehel, der eigentlich (was bestimmt auch kaum ein Tourist weiß) Lächl ausgesprochen wird.
Der Name Lehel stammt von "lohe", lichter Wald. Denn das ursprüngliche Lehel war ein kleiner Auenwald, von vielen Bächen durchzogen. Früher siedelten sich dort die Menschen an, die so arm waren, dass sie sich nicht in der Innenstadt niederlassen durften. Diese Zeiten sind längst vorbei – auch, wenn noch immer in keinem anderen Stadtbezirk so viele verschuldete Münchner leben wie im Bezirk Altstadt-Lehel. Vielleicht, weil das Leben zwischen den Luxusläden auf der Maximilianstraße für sie zu teuer geworden ist?
Spaziergang durch die Altstadt und Lehel: Noch gibt es Orte in München, die nicht unbezahlbar sind
Freilich kann man darüber nur spekulieren. Doch bewusst soll dieser Spaziergang zu Orten in der Altstadt und im Lehel führen, die weder von Touristen überrannt noch völlig unbezahlbar sind.
Von einem Italiener in einem Hinterhof auf der Maximilianstraße geht es zum St.-Anna-Platz, wo immer donnerstags ein Wochenmarkt steht. Danach geht an die Grenze des Stadteils hinunter zur Praterinsel, wo seit kurzem ein neuer Biergarten steht, dann zur Lukas-Kirche und von dort zu einer Kneipe, für die man sich auch nicht schick machen muss.
Station 1: Italien im Hinterhof
Zu pompös auf der Maximilianstraße? Betritt man aber den Innenhof der Hausnummer 30 (man muss durch den Gang zwischen Dior und Valentino, an der Decke sind Wölkchen und Vögelchen aufgemalt) ist es plötzlich ruhig.
In einem ebenerdigen Häuschen, das aussieht, als ob es einst die Gartenlaube reicher Menschen gewesen sein könnte, ist der Italiener Max Trenta. Die Preise sind teurer als in der Kantine, aber bezahlbar – auch für Leute, die nicht in Chanel gekleidet sind. Und die Pasta unter den grünen Schirmen schmeckt (fast) wie in Italien.
Station 2: Kunst in der Unterführung
Am Straßeneck Maxmilianstraße/ Altstadtring gibt es etwas Skurriles zu beobachten: Dort stehen meistens Männer (oder Jungs) mit großen Kameras. Sie fotografieren die teuren Autos, die hier entlang fahren. Wir gehen aber an ihnen vorbei, die Unterführung hinunter.

Die Rolltreppe fährt nicht mehr, stattdessen ist sie mit Gräsern bepflanzt. Unten steht man plötzlich in einer Ausstellung. In einem Schaufenster läuft ein Film, man sieht bastelnde Hände, von oben gefilmt. Um was es hier geht? Zwei Männer wundern sich. Es hat, so viel sei verraten, mit Palmen zu tun.
Station 3: Wie ein Dorf am St.-Anna-Platz
Nun geht es auf der anderen deren Straßenseite wieder an die Oberfläche, vorbei an einem Gebäude, das mit seinen geschwungenen Bögen ein wenig an eine gotische Kirche erinnert. Hier ist die Regierung von Oberbayern. "Maximilianstil" nennt sich der Baustil, benannt nach König Maximilian II, der die Maximilianstraße anlegen ließ.
Fast am Ende des Gebäudes gibt es einen Durchgang. Von hier geht es weiter zum St.-Anna-Platz, vielleicht einer der schönsten Plätze, wo München belebt ist, mit Restaurants, Café und kleinen Lädchen, und sich doch nach Dorf anfühlt. Besonders donnerstags, weil da immer Bauernmarkt ist. Auf dem Kopfsteinpflaster stehen dann Stände, wo man frische Eier, Fleisch, Obst und Gemüse kaufen kann. Oder auch eine Fischsemmel oder eine Bratwurst.

Im Hintergrund steht die Pfarrkirche St. Anna, erhöht auf einer Terrasse. Der Eindruck, dass es sich um ein Jahrhunderte altes Bauwerk handeln muss, täuscht. Sie wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, weil die barocke Klosterkirche St. Anna (sie liegt gegenüber) zu klein wurde.
Allerdings war es damals Mode, so zu bauen wie Jahrhunderte zuvor. Ausschau könnten Sie nach einer Hinweistafel am St.-Anna-Platz 2 halten. Hier verbrachte Lion Feuchtwanger seine Kindheit.
Station 4: Aperol Spritz vor dem Landtag
Vom St.-Anna-Platz geht der Spaziergang zur Isar - zum Straßeneck, wo die Maximiliansbrücke zum Landtag führt. Seit diesem Jahr gibt es dort etwas Neues: einen Biergarten mit Lichterketten und bunten Fähnchen zwischen den Bäumen. Aber wahrscheinlich ist Biergarten nicht das richtige Wort. Denn zwar stehen da Holztische und Stühle – aber da sind auch Liegen, Sitzsäcke, eine Discokugel und die Musik klingt eher nach cooler Strandbar.

Offizieller Name der neuen Location ist "Isarflimmern". Es gibt dort auch einen Cocktail, der so ähnlich heißt: "Isarflimmerer". Er besteht aus Alpenkräutersirup, Prosecco, Tonic, Ingwer und Zitrone, probieren kann man ihn für 8,50 Euro. Es gibt natürlich auch Bier. Geöffnet ist täglich von zehn bis 23 Uhr.
Station 5: Tischtennis auf der Insel
Ein Jugendlicher in München zu sein, muss anstrengend sein. Nicht nur, weil alles teuer ist. Sondern auch, weil es wenige ungestörte Ecken gibt. Ist ja doch immer wer da, den man stört. Aber so manche versteckte Orte gibt es doch. Wenn man auf die Parterinsel spaziert, gibt es kurz vor dem Alpinen Museum einen Durchgang, dieser führt zu einem Basketballplatz und zu Tischtennisplatten.

An diesem Nachmittag ist dort nicht viel los – trotz oder vielleicht auch wegen der Sommerferien. Manchmal muss man nämlich auch kurz warten, wenn man hier Tischtennis spielen möchte. Trotzdem ist meistens weniger Andrang als an den anderen Platten an der Isar. Oft hört man Musik.
Wenn jemand seine Box mitbringt, klar. Aber auch, weil es neben an noch so einen Biergarten mit Sand und Loungemusik gibt, den "Praterstrand". Doch man sieht ihn nicht, er liegt versteckt hinter Bäumen.
Station 6: Eine bröckelnde Pracht
Protestantische Kirchen sind meist eher schlicht und schmucklos. St. Lukas im Lehel am westlichen Isarufer ist das anders. "Dom der Protestanten" nennen viele die Kirche auch, weil sie so prunkvoll ist. Das stimmt – auf jeden Fall von außen. Die 64 Meter hohe Kuppel ist besonders imposant.
Aber wer die Kirche betritt, dem fällt auf, dass die Pracht bröckelt. Hinweis darauf gibt ein Detail, gleich am Eingang. Dort steht ein EC-Karten-Lesegerät. Die Besucher sollen nämlich für ihre Kirche spenden. Denn ihr Innenraum muss dringend saniert werden. Weihnachten 2019 musste sogar die Empore gesperrt werden.

Akut einsturzgefährdet ist die Kuppel zwar nicht, allerdings gibt es anscheinend viel zu tun – an Wänden, Säulen, Decken und Böden. Der Altaraufbau aus Kalkstein und Marmor muss aufwendig gereinigt werden.
Auch an der Orgel hat der "Zahn der Zeit genagt", so kann man es in einer Broschüre nachlesen. Aber dann eine Ablenkung: Ein Mann hat sich an die Orgel gesetzt und zu spielen begonnen. Die weißen Turnschuhe hat er dafür aus- und Lederschuhe angezogen. Eine gute Gelegenheit, sich kurz auszuruhen.
Station 7: Salat und Schnaps
Zugegeben: Die Dichte an Polohemden ist im Lehel groß. Aber ein paar Ecken gibt es, wo man mit einem Louis-Vuitton-Täschchen seltsamer angeschaut wird als ohne. Zum Beispiel in der Kneipe "Nage und Sauge".

An diesem Nachmittag ist es recht leer, aber das ist die Ausnahme. Denn nicht nur im Lehel wissen viele: Hier sind die Salate riesig. Und man bekommt sogar ab und zu eine "Apotheke" hingestellt. Gesund wird man davon nicht, eher betrunken.