So wandelt sich die schwule Szene in München
Die schwule Szene im Glockenbachviertel wandelt sich: Immer mehr rein schwule Kneipen schließen, die Szene öffnet sich auch für Heteros – laut einer Umfrage liegt das vor allem am Internet.
Isarvorstadt - Als Uwe Hagenberg in den 80er Jahren nach München kam, gab es im Glockenbachviertel rund 50 schwule Kneipen. „Heute sind es vielleicht noch 15, mehr nicht.“
Was der Vorstand des Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrums (Sub) aus eigener Erfahrung beschreibt, beunruhigt Wirte und alteingesessene schwule Münchner heuer gleichermaßen:
Immer mehr ihrer „Wohnzimmerkneipen“, in denen viele wie in einem zweiten Zuhause viel Zeit verbringen, verschwinden aus dem Stadtbild. Ersetzt werden sie durch hippe Partylocations und zunehmend mehr „gayfriendly“ (schwulen-freundliche) Bars, in die auch Heteros ausgehen.
Diese Entwicklung nahm die Münchner Aidshilfe gemeinsam mit dem HIV-Präventionsprojekt des Sub zum Anlass, den Wandel in der schwulen Szene in einer Umfrage zu konkretisieren. 776 Schwule zwischen 17 und 74 Jahren nahmen teil.
Das Ergebnis: Verantwortlich für den deutlichen Szene-Wandel im Glockenbachviertel ist vor allem das Internet, genauer: Internet-Dating.
In einer vergleichbaren Umfrage im Jahr 2000 gab noch knapp die Hälfte der Befragten an, auszugehen, um zu flirten oder mehr. Heuer sagte das nur noch rund ein Drittel.
Gut die Hälfte aller Befragten sucht heute im Internet neue Bekanntschaften. Ein Viertel gab an, weniger auszugehen, seit es das Internet gibt.
Nur die Hälfte der Befragten besucht noch „häufig“ schwule Lokale (2000: 72 Prozent) - für viele Wirte das Aus.
Den meisten Befragten gefällt diese Entwicklung dennoch: Weil das Internet das Ausgehen von der Partnersuche entlastet, wird die Szene insgesamt als sozialer wahrgenommen.
Die deutliche Mehrheit der Befragten fühlt sich beim Ausgehen entspannt – und gab an, die „lockere Stimmung der Szene“ zu genießen. Gehen die Befragten aus, so tun das heuer knapp 90 Prozent, um sich mit Freunden zu treffen (2000: 65 Prozent), neue Leute kennen zu lernen (78 Prozent; 2000: 63 Prozent) oder um einfach abzuschalten (70 Prozent; 2000: 28 Prozent).
Der Trend zu mehr gemischten Bars für schwules und heterosexuelles Publikum spiegelt sich auch in der schwulen Community wider: Nur 29 Prozent der Befragten gaben an, einen rein schwulen engen Freundeskreis zu haben (2000: 38 Prozent). Einen gemischten Freundeskreis haben hingegen rund 48 Prozent (2000: 42Prozent).
Uwe Hagenberg sagt: „Beim Ausgehen wollen sie dann natürlich auch ihre Hetero-Freunde und Freundinnen dabei haben.“
Immer mehr Schwule gehen demnach offen mit ihrer Sexualität um, haben sich im Familien- und Freundeskreis geoutet.
Für die Macher der Studie ein klares Zeichen, dass die schwule Szene sich mittlerweile sicher genug fühlt, um ihren „Schutzraum“ zu verlassen und für Heteros zu öffnen – auch wenn sie dafür auf einige „Wohnzimmerkneipen“ verzichten muss.
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