So läuft's im Schlachthof: Hier kommt unser Fleisch her
Im Schlachthof werden tausende Tiere pro Woche getötet und zerlegt – die AZ hat sich im Inneren mal umgesehen.
Isarvorstadt - Die Lebenden und die Toten nutzen die gleiche Treppe. Links die Menschen. Rechts das Fleisch. Die einen ganz, die anderen halb, die einen laufen selbst, die anderen hängen kopfüber an Haken. Sie ruckeln langsam nach oben. Die Anlage klackt wie ein alter Tellerlift.
Nach zehn Metern wird der Gang enger, die Menschen zwängen sich im Reißverschlussverfahren durch die Schweinehälften. Manchmal patscht der Vorderlauf einer Sau an eine Menschenwade, als wär’s ein Scherz in einer Geisterbahn.
Nochmal zehn Meter. Die Schweine biegen ratternd rechts ab in einzelne Kühlräume. In einem Lager baumeln links die großen Tiere von der Decke: Schweinehälfte an Schweinehälfte, für jede kriegt der Schlachthof etwa 50 Euro. Ein Mann kappt ihnen mit einem Messer die Pfoten ab, hartnäckige bricht er einfach ab.
Rechts hängen ein paar Schlegel für italienische Schinkenhersteller – und die Spanferkel. Die sind noch in einem Stück, aber ausgeweidet: Ihre Innereien hängen noch an der Speiseröhre, wie Turnbeutel am Hals von Schulkindern. Wenigstens haben sie es hinter sich.
Markus Pölloth ist froh über seinen Besuch, er hat nicht oft Gäste. Der Verein „Umwelt-Akademie“, der jetzt da ist, hat ein Jahr gebraucht, um einen Termin zu kriegen. Der Führungsleiter meint, die Betriebe hätten kein großes Interesse, dem Endkonsumenten zu zeigen, wie es hier läuft.
Metzgermeister Pölloth empfängt sie dafür sehr freundlich vor der Tür zum Schlachtbereich. Seit 2004 leitet er die Schweineschlachtung von „Vinzenzmurr“ im Münchner Schlachthof. Pölloth ist groß, massig, hat einen Schnurrbart und einen miesen Ruf – sagt er selbst, ungefragt: „Wir Metzger gelten schon fast als Kindermörder und Frauenschänder“, so seine Worte.
Seinen Gästen will er daher zeigen, wie es wirklich ist – das Töten von Tieren. Nur Fotos sind strikt verboten.
Der Anfang vom Ende beginnt jeden Tag um 22 Uhr: Sauen und kastrierte Eber aus Schwaben und Niederbayern werden mit Lastern zum Schlachthof-Stall gekarrt. Sie haben eine Reise von maximal 150 Kilometern hinter sich, sagt Pölloth – ein „regionales Produkt“, also. Das sich hier offenbar recht wohl fühlt.
Einige Schweine grunzen, spielen oder schlafen, manche reiben ihre Hinterbacken am Gatter. Sprinkler an der Decke versprühen Niesel. Das beruhigt die Tiere, sagt Pölloth. An der Wand hängt ein Schild: „Jede Tierquälerei vermeiden“. Georg Schweisfurth, Chef des Bio-Bauernhofs Herrmannsdorf, ist auch bei der Führung dabei – und überrascht: „So ruhig hier.“ Er kennt es anders.
Schweisfurth hat hier im Schlachthof Metzger gelernt, 1979 war das. Damals sei hier im Stall „ein Gemetzel und Geschrei“ gewesen, sagt er. Heute: kaum ein Laut. Jedenfalls nicht hier im Stall.
Vier Schweine stehen hintereinander in einem engen Gang.
Der knickt vor ihnen ab, dahinter steckt eine Sau in einem Pferch aus Edelstahl. Ein Mann in einem grünen Kittel jagt ihr mit einer gelben Zange Strom mit einer Stärke von 1,4 Ampere ins Hirn – vier Sekunden lang. Das Tier quiekt wie ein halb verstopfter Staubsaugerschlauch, bricht zusammen und rutscht zappelnd eine Edelstahlbahn hinab. Unten haut ein Arbeiter ein Messer in seine Halsschlagader. So sterben Schweine. Schmerzfrei, wenn alles gutgeht.
Der Stromschlag erzeugt einen epileptischen Anfall, der die Tiere betäubt, sagt Pölloth. Ein zweiter an der Brust erzeugt Kammerflimmern: Das Herz dreht durch und jagt wie wild das Blut durch den Körper. In etwa 30 Sekunden ist das Schwein geleert.
In Herrmannsdorf läuft’s genauso, sagt Schweisfurth. Das sei die beste Methode. Ein Tierschutzbeauftragter beobachtet den Vorgang, ab 1000 Tieren pro Woche ist das vorgeschrieben. Der Münchner Schlachthof tötet 6500 Schweine pro Woche und gilt damit als kleiner Betrieb – die größte Anlage Europas schafft 100 000 pro Tag. Sie gehört dem Boss des FC Schalke O4, Clemens Tönnies.
Klar geht mal etwas schief: „Fünf bis zehn Schweine“ pro Tag werden nicht richtig betäubt, sagt Pölloth. Sie kriegen dann einen zweiten Stromschlag. Beim Besuch verkeilen sich zwei Tiere am Förderband zwischen Waschanlage und Brühkammer.
Auf sie alle wartet die EFA SB 295 E, eine mannshohe Halbierungssäge mit 2300 Watt-Elektromotor und integrierter Wasserreinigung. Der Metzger, der sie bedient, zerteilt mit ihr alle acht Sekunden ein Schwein. Gleichmäßig, von oben nach unten.
Vor ihm am Fließband stehen fünf Kollegen: Sie hängen die Schweine an Haken, schlitzen sie auf, holen die Gedärme raus, schneiden die Innereen ab und hängen sie an ein zweites Förderband. Nach der Säge saugen Arbeiter mit Schläuchen die letzten Reste weg. Alle zehn Schweine wetzen sie ihre Messer neu, sagt Markus Pölloth.
Die meisten hier stammen aus Rumänien, Pölloth hat Schwierigkeiten, Schlachter zu finden. Etwa zwölf Euro gibt es hier in der Stunde – für eine Mordsarbeit. Es ist heiß, weil die Messer nach jedem Schnitt in dampfendes Wasser gehalten werden. Es riecht faulig. Der grüne Betonboden ist voller Blut, Därme klatschen in Wannen so groß wie Kinderpools, ein älterer Mann schnibbelt an Schweinemägen.
Nach dem Schlachten rumpeln die Schweinehälften weiter zu den Kühlräumen. Plötzlich rennt eine Besucherin raus, taumelt in die Sonne und reißt sich die Schutzhaube vom Kopf. Die Tür fällt hinter ihr zu. Nicht jeder kommt hier so leicht raus.