Sendlinger Boazn-Poesie: Nebenberuflich durch 40 Kneipen saufen

Nach Giesing hat Max Bildhauer jetzt die Kneipen in einem weiteren Viertel unter die Lupe genommen – die AZ ist dabei  
Christian Pfaffinger |
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Ein Sendlinger Original: 
Wirt Winfried „Winni“ Kneutinger von der Wurstkuchl in der Baierbrunner Straße.
Sebastian Gabriel 26 Ein Sendlinger Original: Wirt Winfried „Winni“ Kneutinger von der Wurstkuchl in der Baierbrunner Straße.
Buchautor und Kneipentester Max Bildhauer (links) mit Chappy, dem Wirt vom „Kidler Eck“.
Sebastian Gabriel 26 Buchautor und Kneipentester Max Bildhauer (links) mit Chappy, dem Wirt vom „Kidler Eck“.
Max Bildhauer schnappt mit AZ-Redakteur Christian Pfaffinger ein bisserl frische Luft – bei einer Rauchpause.
Sebastian Gabriel 26 Max Bildhauer schnappt mit AZ-Redakteur Christian Pfaffinger ein bisserl frische Luft – bei einer Rauchpause.
Beliebtes Spiel: Dem Krokodil muss ein Zahn gezogen werden. Bei wem es zuschnappt, der gibt eine Runde aus.
Sebastian Gabriel 26 Beliebtes Spiel: Dem Krokodil muss ein Zahn gezogen werden. Bei wem es zuschnappt, der gibt eine Runde aus.
Lisa Sot, Wirtin im „Landshuter Bräustüberl“, ...
Sebastian Gabriel 26 Lisa Sot, Wirtin im „Landshuter Bräustüberl“, ...
... busselt Boazn-Forscher Max Bildhauer ab.
Sebastian Gabriel 26 ... busselt Boazn-Forscher Max Bildhauer ab.
Boazn-Stammgast Stefan (46) im Landshuter Bräustüberl.
Sebastian Gabriel 26 Boazn-Stammgast Stefan (46) im Landshuter Bräustüberl.
Klare Verhältnisse im Bräustüberl in der Bierbrunner Straße: Hier hält man zu den Roten.
Sebastian Gabriel 26 Klare Verhältnisse im Bräustüberl in der Bierbrunner Straße: Hier hält man zu den Roten.
Butzenscheiben-Romantik in einem Stüberl.
Sebastian Gabriel 26 Butzenscheiben-Romantik in einem Stüberl.
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer
Sebastian Gabriel 26 Sendlinger Boazn-Poesie - die Bilder vom Rundgang mit Autor Max Bildhauer

Nach Giesing hat Max Bildhauer jetzt die Kneipen in einem weiteren Viertel unter die Lupe genommen – die AZ ist dabei

 

Saftig rosa liegt er auf dem Teller, mit einem maronibraunen Krusterl und kleinen Löchern, in denen ein durchsichtiges Gelee glitzert. Dieser Leberkas ist der Stolz von Wurstkuchl-Winni. „Der meine is der Beste“, sagt er. „Wie letztens in der Oper der japanische Dirigent verabschiedet worden ist, da war ich mit meinem Leberkas dabei.“ Er dreht sich kurz zur Seite, als würde er sich umsehen. Eigentlich ist es eine Kunstpause. Dann sagt er: „Iwar dabei – ned da Käfer.“

Es ist halb eins am Mittag, und in der Sendlinger „Wurstkuchl“ von Wirt Winfried „Winni“ Kneutinger klimpert das Besteck. Zwischen den Tischen hängt der Duft von Schmalz, Kraut und vor allem Fleisch: Leberkas, Regensburger, Debreziner, Schnitzel, Hacksteak.

 

Durch 40 Kneipen saufen - und das nebenberuflich

 

Das kleine, urige Lokal ist voll, die Gäste saugen ihre Biergläser mit gesundem Arbeiterdurst leer und winken schon um ein nächstes, ein Bierkutscher rollt gerade Blechfässer herein – und trotzdem nimmt sich Wurstkuchl-Winni Zeit für die Leberkas-Anekdote. Max Bildhauer hört vergnügt zu.

Der 26-Jährige ist kein normaler Gast, sondern einer mit Forschungsauftrag. Max Bildhauer will sie alle kennen, die Münchner Boazn. Die kleinen Stüberl und Kneipen, für die einen urig, gemütlich und original münchnerisch, für die anderen veraltet, schäbig und auch ein bisserl verrucht. Vor einem Jahr brachte er den ersten Band der Buchreihe „Munich Boazn“ heraus, in dem er die Stüberl in seinem Heimatviertel Giesing vorstellt.

Für den zweiten Band, der am Montag erscheint, war er in Sendling unterwegs. „Ich bin jede Straße im Viertel mit dem Radl abgefahren“, erzählt er. „Und in jede Boazn, die ich gefunden hab, bin ich reingegangen.“ Mehr als ein Besuch gehe aber nicht, sagt er. Max Bildhauer arbeitet seit seinem Studienabschluss in Kommunikationsdesign als Pizzabäcker und Schankkellner, zur Zeit macht er außerdem ein Praktikum beim Rundfunk. Da muss man sich nebenbei erst einmal durch knapp 40 Boazn saufen.

Die Wurstkuchl in der Baierbrunner Straße mag er, drum kommt er gerne wieder hierher. Die Bedienung bringt ihm ein Cordon Bleu, er schneidet es an, und der Käse läuft heraus. „Wunderbar.“ Dann trinkt er einen Schluck Radler, wischt sich den Bierschaum aus dem Schnauzer und erzählt von seinem Buchprojekt: „Der erste Band war wirklich erfolgreich, das freut mich sehr. Einige Wirte meinten, dass jetzt hin und wieder junge Gruppen zu ihnen kommen, mit meinem Buch in der Hand.“

Genau das will Max Bildhauer: Dass die Münchner ihre Boazn nicht vergessen und verschwinden lassen, sondern ihren Charme entdecken. „Wenn die Boazn mit der Gentrifizierung zumachen müssen, verliert München seine Originale.“ Das will er mit seinen Büchern verhindern.

Nachdem Max Bildhauer fertig gegessen hat, dreht er sich eine Zigarette, dann geht es weiter. Er soll dem AZ-Reporter noch andere Stüberl zeigen. Von Winnis Wurstkuchl, wo „die einfachen Leut ihren Mittagstisch haben“, geht es zum Landshuter Bräustüberl, wo auch am frühen Nachmittag schon eher das Flüssige im Mittelpunkt steht.

Ankunft in der Oberländerstraße. Vor dem Lokal streiten zwei Männer mit Mittagsrausch um eine Birne. Im Bräustüberl ist es finster, Lampen mit Stoffrüscherln dran hängen über der Theke, ein Spielautomat blinkt. Hinter dem Tresen aus dunklem Holz steht Lisa Sot, die Wirtin, und isst.

„Grieß ditsch“, ruft sie mit polnischem Akzent, als sie Max Bildhauer sieht. Sie legt die Gabel nieder, läuft um den Tresen herum und umarmt ihn, ein Busserl auf die Wange kriegt er auch noch. Er wird rot. „Na schau, mit wem bist denn heut da?“, fragt die herzliche Wirtin und greift gleich ins Regal. „Mögt's a Schnapserl?“ Die Antwort „Nein“ gibt es in einer echten Boazn auf diese Frage nicht.

 

"Leber, duck dich! Es kommt!"

 

„Das war die erste Sendlinger Boazn, in der ich für mein Buch war“, sagt Max Bildhauer. Dann wird er einsilbig, weil er im Reden mit der quirligen Wirtin ohnehin nicht mithalten kann. Er trinkt lieber erst mal von seinem Bier, das Lisa Sot natürlich schon längst gezapft hat. Jetzt schenkt sie Nussschnaps ein. Max Bildhauer schaut ihr zu, wie sie die Stamperl hinstellt, die Flasche öffnet, eingießt. Boazn-Kino.

Bildhauer nutzt eine Redepause für ein Kompliment: „D’Lisa ist einfach ein echtes Goldstück.“ „Eieieiiii“, antwortet Lisa Sot in einer vollkommenen Mischung aus Bescheidenheit und Stolz. Sie stellt die Stamperl mit dem Klaren auf den Tresen. „Na zdrowie!“, prostet sie auf Polnisch. Das Wasserl schmeckt wie eine Mischung aus Nougat und Spiritus. Nachspülen mit Bier, ein Mann kommt zur Tür rein.

„Aber Hallo Liebling“, sagt Lisa Sot. „Weißbier?“ Der Mann antwortet: „Buttermilch bitte.“ Die Wirtin schenkt ein Weißbier ein. „Und, was macht der Ding?“, fragt sie. „Der is gestorben, weil er zu wenig geraucht oder zu wenig gesoffen hat“, sagt der Mann. Weil jetzt einer mehr in der Runde ist, gibt es wieder einen Nussschnaps. „Leber, duck dich! Es kommt“, sagt der Mann.

Er stellt sich vor: Stefan, 46, arbeitet in der Großmarkthalle bei einem Beerenhändler, hat heute nachts um 2 angefangen und jetzt Feierabend. „Wo würde ich denn sonst für ein Feierabendbier hingehen, wenn nicht in ein uriges Stüberl?“, fragt er. „München braucht seine alten Kneipen, die gehören zum Charme der Stadt.“ Max Bildhauer stimmt zu.

Dann zerkriegen sich die beiden erst mal beim Thema Fußball. Der Giesinger Boazn-Forscher ist ein Blauer, der Sendlinger Händler ein Roter. Und die Boazn der Ort, an dem man diese Kämpfe – abgesehen vom Stadion – am liebsten ausficht.

Freilich geht das auch woanders. Genauso wie Leberkas essen, Bier trinken, schnapsln und karteln. Trotzdem, sagt Max Bildhauer, braucht es die Boazn. „Es sind doch bald die einzigen Orte, an denen München noch wirklich echt ist. Wo Schicki-Micki und eine Kulisse für den Tourismus die echte Tradition noch nicht vertrieben haben.“

Zack, da schnappt das Krokodil zu. Beerenhändler Stefan hat das Kinderspiel, bei dem man einem Plastikkrokodil Zähne ziehen soll, verloren. Lisa Sot jubelt und klatscht. Der nächste Schnaps geht auf ihn. Nach drei mal spielen reicht's ihm erst einmal.

 

"Die einzigen Orte, an denen München noch wirklich echt ist"

 

Max Bildhauer lacht, trinkt sein Bier aus und steckt sich eine Selbstgedrehte in den Mundwinkel. Auf geht's zur nächsten Boazn. Nicht weit entfernt ist das Kidler Eck. Auch dort wird Max Bildhauer gleich vom Chef begrüßt: Wirt Chappy, der sich über die Bezeichnung „abgehalfterter Alt-Rocker“ ärgert, aber genauso aussieht. „Jetzt trink ma erst mal eine Runde Schnaps“, sagt er. „Ich hab noch nichts gefrühstückt.“

Chappy gießt den Mirabellenbrand in die Stamperl. Ein bisher stummer, älterer Gast mit weißem Haar und brauner Wildlederjacke dreht sich auf seinem Barhocker um. „Servus, ich bin da Sebastian“, stellt sich der AZ-Fotograf bei ihm vor. „Des ist wurscht, wie du hoaßt“, sagt der Mann. „Hauptsach', dass ma Menschen san.“

 

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