Schwabinger Keller unter Wasser: "Die Stadt lässt das Haus verrotten"

Schwabing - Die Flut aus dem Erdreich kam 2015. In das Mehrparteiengebäude an der Genter Straße 13, in dem auch Franziska von Gagern wohnt, drang glasklares Grundwasser ein, in der Tiefgarage, im Keller, am Pool. Erst sah alles nach einem einzelnen Hausproblem aus – war es aber nicht.
Mediationsverfahren läuft – es gab aber erst eine Sitzung
Ab 2020 stieg die Zahl der betroffenen Häuser rasant: Hier steht das Wasser manchmal wochenlang bis zu 30 Zentimeter – obwohl einige Anwohner auf eigene Kosten täglich abpumpen.

Bis zu 50 Häuser sind inzwischen betroffen. Es entstand ein jahrelanger Streit zwischen Anwohnern und Stadt. Im Sommer 2021 begann ein Mediationsverfahren.
Referat für Klima und Umwelt: Zum Schutz von Denkmälern sind grundsätzlich Eigentümer verpflichtet
Inzwischen geht es auch um Denkmalschutz. Manche Häuser könnten vom jahrelangen Wasserstand geschädigt sein. Das Haus, in dem von Gagern wohnt, ist schon kurz nach dem Bau in den 70ern zum Denkmal erklärt worden.

Die Stadt verletze die Denkmalfürsorge aus Artikel 141 der Bayerischen Verfassung, sagt der Anwalt der Anwohner, Benno Ziegler. Zum Schutz von Denkmälern seien grundsätzlich Eigentümer verpflichtet, sagt das Referat für Klima und Umwelt.
"Ein Nachbar pumpt 50 Liter pro Sekunde ab"
In einigen Gebäuden sind bereits Wertgegenstände und Möbel verrottet. Ein Filmemacher brachte vorher noch sein Kellerarchiv in Sicherheit. "Ein Nachbar pumpt 50 Liter pro Sekunde ab", erzählt von Gagern. In ihrem Haus wird auch seit Jahren gepumpt. Kosten: mehr als 100.000 Euro für die Hausgemeinschaft. Das Wasser sinkt kaum.
Die Ursachenforschung gestaltet sich schwierig
"Ihr lasst uns absaufen", steht an manchen Balkonen rund um die Genter Straße und Osterwaldstraße an Balkonen. Politische Ortstermine, Stadtrats-, Landtags- sowie Bezirksausschussdebatten, Lippenbekenntnisse – auch von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er habe "um eine schnelle Lösung gebeten", sagte er im Sommer 2021, nach der bislang einzigen Mediationssitzung.
Die Ursachenforschung ist komplex. Stark im Verdacht: ein Regenwasserkanal in West-Ost-Richtung am Karl-Arnold-Weg. Er könnte das Grundwasser aufstauen, das nordwärts fließt. Die Münchner Stadtentwässerung bezweifelt die Kanal-Theorie. Dennoch hätte laut von Gagern Ende Februar ein Abpumpversuch am Regenwasserkanal stattfinden sollen. Darauf hätten sich die Parteien im Mediationsverfahren geeinigt.
Landtagsabgeordneter Hierneis (Grüne) kann den Stillstand nicht fassen
Das Umweltreferat ist Dienstherr der Stadtentwässerung. Es schreibt auf AZ-Anfrage: Der Beschluss in der Mediation habe lediglich gelautet, ein Fachgutachten zu beauftragen, das die Risiken eines Pumpversuchs untersuchen solle. Das liege nun vor. Soforthilfemaßnahmen seien nicht vereinbart worden.
Von Gagern verzweifelt. Ihr Wohnhaus, ein Otto-Steidle-Gebäude, wurde für den Preis des Bundes Deutscher Architekten nominiert – und hat wohl gute Chancen. Von Gagern: "Das Haus ist bundesweit bekannt, und die Stadt lässt es verrotten."
Landtagsabgeordneter Christian Hierneis (Grüne) kann den Stillstand nicht fassen. Er sieht OB Reiter in der Pflicht: "Er könnte dieses Elend als oberster Dienstherr der Stadt beenden." Hierneis spricht von Hinhaltetaktik. Schon zum dritten Mal hat der Umweltausschuss des Landtags eine Petition verabschiedet, die die Stadt auffordert, zu helfen.
Ziegler deutet Rechtsbruch an, zitiert ein bayerisches Gesetz: Bei Gefahr für Leben und Sachwerte bestehe für Behörden die Pflicht, einzugreifen. Hierzu das Umweltreferat: Es bestehe keine Rechtsgrundlage, um zu öffentlichen Kosten "Abhilfe bei einem Privatgebäude zu veranlassen".