"Schaut weg, Kollegen": Polizist prügelt bei Festnahme

Ein Hauptmeister (35) hat in Giesing einen Einbrecher mit seinem Teleskop-Schlagstock geschlagen. Vor Gericht will er um seinen Ruf kämpfen – und verspielt dabei seine Karriere
von  Thomas Gautier
Das Opfer vor Gericht: Dejan R. Der Einbrecher soll selbst auch Gewalt gegen Polizisten angewendet haben.
Das Opfer vor Gericht: Dejan R. Der Einbrecher soll selbst auch Gewalt gegen Polizisten angewendet haben. © tg

Ein Hauptmeister (35) hat in Giesing einen Einbrecher mit seinem Teleskop-Schlagstock geschlagen. Vor Gericht will er um seinen Ruf kämpfen – und verspielt dabei seine Karriere

München - Der Polizist schlägt zu. Es sieht aus, als ob er dem Oberstaatsanwalt die Faust in den Bauch rammt. Später kommt ein Zweiter und macht das Gleiche. Dann ein Dritter. Oberstaatsanwalt Wolfgang Beckstein nickt jedesmal zufrieden. Immer die gleiche Bewegung.

So, wie die Zeugen die Tat nachstellen, ist für ihn klar: Polizeihauptmeister Robert P. (Name geändert) hat zugeschlagen. In Uniform. Im Einsatz. Das nennt man Körperverletzung im Amt.
Robert P. ist deshalb seit Oktober 2012 suspendiert. Der 35-jährige Beamte hat einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Er will hier, im Saal A 122 des Amtsgerichts, beweisen, dass er unschuldig ist.

Richterin Alexandra Rothe warnt ihn gleich zu Beginn: Er solle den Strafbefehl akzeptieren. Dann werde die Strafe „extrem mild“, sagt sie. „Da drücke ich sozusagen ein Auge zu.“

Robert P. soll am 19. Oktober 2012 bei einem Einsatz am St.-Quirin-Platz in Giesing den frisch festgenommenen Einbrecher Dejan R. mit seinem Dienst-Teleskopschlagstock geschlagen haben.
Zeugen für diese Tat sind seine Kollegen: Drei Beamte der Polizeiinspektion 23 (Giesing) und der 21 aus der Au – der Inspektion, bei der ein Polizist eine Frau verprügelt haben soll (siehe unten). Sie sitzen auf der Zeugenbank.

Robert P. weist alle Vorwürfe von sich. Das Angebot der Richterin lehnt er ab. Der Münchner will in den gehobenen Dienst. Nimmt er an, wäre das ein Geständnis.
Die Folgen: Degradierung, vielleicht ein Rauswurf. Wie sich bald zeigt, macht Robert P. da einen großen Fehler.

Am 19. Oktober gegen 14 Uhr sitzt Robert P. im Streifenwagen am St.-Quirin-Platz. Per Funk kommt die Meldung: Zwei Verdächtige in der Rotbuchenstraße. Wohl Einbrecher.
Als die Polizisten eintreffen, springen zwei Männer aus einem Gebüsch. „Ich dachte nur: Scheiße, Einbrecher!“, sagt Robert P.

Einen ringt er nieder – es ist Dejan R., ein international gesuchter Profi-Einbrecher. In Wien soll er einem Polizisten bei einer versuchten Festnahme mit dessen Dienstwaffe in den Bauch geschossen haben. Robert P. schlägt er mit der Faust ins Gesicht – und flüchtet erneut. Robert P. hinterher. Dejan R. fallen Münzen und Schmuck aus den Taschen. Robert P. rutscht aus. Sein Kollege rennt gegen einen Baum. P. läuft weiter, ruft dabei Verstärkung. In seiner Hand hält er seinen Teleskop-Schlagstock.

„Der Täter hüpfte über Zäune, teilweise ging’s über zwei Meter hohe Mauern“.

Nach 800 Metern, an der Ecke Hochkalter-/Gufidauner Straße., läuft der Einbrecher in die Arme eines weiteren Polizisten. Der fesselt ihm die Hände hinter den Rücken. Minuten später wird er von zwei Polizisten der PI 23 zum Wagen geführt.

Was dann passiert — das sehen sieben Menschen ganz anders:

Robert P. sagt: „Ich blutete, ich hatte Todesangst.“ Er habe Dejan R. mit beiden Händen am Revers gepackt und gebrüllt: „Du darfst mich schlagen, aber ich dich nicht?“ Den Schlagstock habe er nur in der Hand gehalten.

Die zwei Polizisten aus der Au stehen beim Vorfall etwa drei Meter weit weg. Als Robert P. an ihnen vorbeiging, soll er gesagt haben: „Schaut’s mal kurz weg, Kollegen!“ Dann habe er Dejan R. mit dem Schlagstock in die Bauchregion geschlagen. Dejan R. habe geschrien: „Warum hast du mich geschlagen?“ Antwort Robert P.: „Weil du mich geschlagen hast, du Wichser.“ Stunden später melden sie das ihrem Vorgesetzten.

Ein Polizist aus Giesing schildert es ganz ähnlich – bis auf ein paar Details.

Der Beamte, der Dejan R. die Handschellen angelegt hat, steht beim Vorfall neben dem Einbrecher. Er sagt vor Gericht: Robert P. habe nach dem Mann gegriffen. Ein Wortgefecht oder einen Schlag habe es nicht gegeben.

Der fünfte Zeuge stand links vom Einbrecher. Er ist seit eineinhalb Jahren Streifenpartner von Robert P. Sie sind Freunde, gingen nach der Suspendierung miteinander Ski fahren. Einen Schlag schließt er aus. Auch das Wort „Wichser“ habe er nicht gehört. Robert P. habe den Einbrecher nur weggeschoben, sagt der Beamte.

Dejan R. gibt zu erkennen, er sei geschlagen worden.

Die Richterin glaubt den ersten drei Zeugen. Robert P. wird zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt – ausgesetzt zur Bewährung. Dazu muss er 3000 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen. Die Polizei wird jetzt prüfen, ob er aus dem Dienst entfernt wird.

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