"Schandfleck" im In-Viertel in München: Warum sich auf diesen Grundstücken (fast) nichts tut

Au-Haidhausen - Eine große Lücke, die den Blick auf Rückseiten und Innenhöfe der dahinter stehenden Häuser frei gibt. Eine steinerne Brache, auf der Pflanzen sprießen und sich Müll ansammelt. Und ein enges Baufeld zwischen zwei hübschen Altbauten auf dem sich Bagger durch den Untergrund arbeiten.
So sieht es an der Franziskanerstraße 15, der Falkenstraße 21 und am Johannisplatz 16 aus – die Adressen dreier bekannter Baulücken im Stadtbezirk Au-Haidhausen. Die drei Adressen haben eine Gemeinsamkeit: Auf allen Grundstücken standen Bestandsgebäude jahrelang leer, die Flächen lagen nach einem Abriss brach – oder beides.
Baulücken prägen Stadtviertel Au-Haidhausen: Edel-Wohnungen mit Verspätung
Am Johannisplatz läuft es noch am besten, immerhin wird hier sichtbar gearbeitet – wenn auch wohl nicht ganz im Zeitplan. 2021 hieß es, der Neubau mit Tiefgarage solle Ende 2023 fertig sein. Aktuell kündigt der Bauherr, der in der Stadt wohlbekannte Investor Legat Living, auf seiner Internetseite an, man könne im April mit dem Rohbau beginnen. Aktuell wird im künftigen Untergeschoss fleißig gewerkelt.

Vorher stand hier ein schlichter Nachkriegsbau jahrelang leer, im Bezirksausschuss hatte man zwischenzeitlich sogar Leerstand aus Spekulationsgründen gefürchtet. Schon 2015 waren Abriss und Neubau genehmigt worden, doch eine letzte Mieterin hatte in dem Haus ausgeharrt. Mit Verspätung begannen 2021 schließlich die Arbeiten. Die veranschlagten Preise für die künftigen Edel-Wohnungen allerdings sorgten für Entsetzen: Fast 1,2 Millionen Euro für ein 39 Quadratmeter großes Apartment etwa, oder eine etwa 130 Quadratmetergroße Wohnung mit vier Zimmern und Terrasse für 4,3 Millionen Euro waren im Angebot.
Legat Living setzt hier eines seiner typischen Luxus-Bauprojekte um. Sieben Stockwerke mit edlen 1- bis 4-Zimmer-Eigentumswohnungen mit 31 bis 172 Quadratmeter Wohnfläche entstehen, teils mit Balkonen oder Terrassen ausgestattet. Der Verkauf laufe bereits, heißt es. Auf AZ-Anfrage zum Baufortschritt oder Stand der Vermarktung reagierte das Unternehmen nicht.
Franziskanerstraße in München: Immobilienentwickler Euroboden ging pleite – das Projekt ruht
An der Franziskanerstraße 15 hingegen tut sich seit 2022 nichts. Hier wollte der Edel-Immobilien-Entwickler Euroboden ein Projekt mit 68 hochpreisigen Wohnungen, 46 davon Eigentumswohnungen, umsetzen. Das Projekt sollte aus einem Neubau auf dem Grund an der Franziskanerstraße in Kombination mit dem an den Grund angrenzenden Bestandsgebäude Rablstraße 43 bestehen, ein denkmalgeschützter Jugendstilbau, der saniert werden sollte.
Auch hier stand anfangs ein schlichter Nachkriegsbau. 2018 hatte Euroboden noch geplant, das Haus zu sanieren, die Mieter zogen nach und nach aus, es stand länger leer. Baubeginn für die Gebäude, die dahinter entstehen sollten, war für 2020/21 angekündigt. Anfang 2022 wurde dann doch abgerissen. Weitere Bauarbeiten hat es seitdem nicht gegeben. Auch aus dem Altbau an der Rablstraße zogen die Mieter aus. Das Haus steht bis heute leer.

2022 hatte die AZ schon einmal groß über das Projekt berichtet, dessen Zeitplan sich sichtbar verzögerte. Seit 2023 ist Euroboden insolvent. Schnell hieß es, man wolle alle Projekte in München verkaufen, auch die Franziskanerstraße 15.
Der Bezirksausschuss Au-Haidhausen, hatte das Projekt seit jeher kritisch betrachtet. Dass hier nun "in zentralster Lage" in Haidhausen nicht nur ein Grundstück, sondern auch noch ein ganzes Wohnhaus leer steht, "ist doppelt ärgerlich", sagt Lena Sterzer (SPD), Vorsitzende des Planungsausschusses im BA zur AZ. Zumal man ja nicht wisse, wie lange das Insolvenzverfahren dauert und der Zustand anhalten wird. "Die Wohnungen sind da, und können nicht bewohnt werden", so Sterzer. "Und zuvor mussten Menschen dort ausziehen."
Greift die Stadt München jetzt nach dem Grundstück in Bestlage?
Der BA sah deshalb in der Nachricht von der Euroboden-Insolvenz auch eine Gelegenheit: Die Stadt solle den Grund erwerben, forderte er in einem entsprechenden Antrag auf Initiative der SPD im Juli 2023. So gäbe es die Chance, dass hier doch noch "leistbarer Wohnraum für die Münchner Bevölkerung" geschaffen werden könnte.
Ob und wie weit diese Verhandlungen mittlerweile gediehen sind? Aus der Kanzlei des Insolvenzverwalters heißt es auf AZ-Anfrage, man könne zu dem Projekt momentan nichts sagen.
Und die Stadtpolitik? Sie habe keinen neuen Stand dazu, sagt Lena Sterzer. Auch Anne Hübner, Haidhauser Stadträtin und Fraktionschefin der SPD im Rathaus, hat nach einer AZ-Anfrage nichts Neues erfahren können. Auf direkte Anfrage der AZ beim zuständigen Kommunalreferat heißt es, man bitte um Verständnis, "zu etwaigen Grundstücksverhandlungen gibt die Stadt München aus Vertraulichkeitsgründen grundsätzlich keine Auskunft".
Falkenstraße in Au-Haidhauen: Brachfläche statt Wohnidylle
Noch längerer Stillstand herrscht in der Unteren Au, an der Falkenstraße 21. Eine "Wohnidylle am Auer Mühlbach" wird hier auf den teils schon verschlissenen Transparenten am Bauzaun versprochen. Auch hier wurde schon vor Jahren ein Nachkriegs-Vorgängerbau abgerissen. Seitdem passiert nichts. Das Grundstück verlottert zusehends.
Dabei plant die Immobiliensparte der Lell Holding, die dem ehemaligen FC-Bayern-Spieler Christian Lell gehört, hier ein Vorderhaus mit Rückgebäude, das weit in die Tiefe des schmalen Grundstücks hineinreicht. 13 Eigentumswohnungen mit zwei bis vier Zimmern, zwischen etwa 50 bis 140 Quadratmetern Größe sollen entstehen, teils mit Balkon oder Terrasse, auch ein Penthouse ist vorgesehen. Ein Stellplatz in der hauseigenen Tiefgarage könnte zusätzlich erworben werden.
Laut dem Internetauftritt der Lell Holding und dem Immobilienportal Neubau Kompass sollte hier seit dem vergangenen Jahr gebaut werden, die Fertigstellung ist für voraussichtlich Juni 2026 angegeben.
"Ein Schandfleck", findet der BA
Dass hier jahrelang ein Grundstück brach liegt, verärgert den BA. "Man hat das Gefühl, da wird in vorauseilendem Gehorsam der Grund freigemacht und dann passiert ewig nichts", sagt Lena Sterzer.
Im September 2023 stellte der BA daher auf Initiative der Linksfraktion eine Anfrage an die Stadt. "Schandfleck Falkenstraße 21" war diese betitelt und fragte, ob der Stadt der ausbleibende Baubeginn bekannt sei, wann denn der Bau beginne und ob die jahrelange Brache nicht die Kriterien für ein Zweckentfremdungsverfahren darstelle. "In Anbetracht der extrem zunehmenden Wohnraumknappheit in München" sei es ein "nicht hinnehmbarer Zustand, dass für Wohnungsbau geeignete Flächen ungenutzt bleiben, hieß es in der Antragsbegründung.
Die Antwort des Sozialreferats, das bei Leerstand und Zweckentfremdung zuständig ist, kam Anfang März 2024 und wurde in der letzten BA-Sitzung am 20. März behandelt.
Das Grundstück in der Falkenstraße in München verlottert zusehends
Der ausbleibende Baubeginn sei bekannt, heißt es. Das Referat erklärt die Verzögerung: Weil das Grundstück im Erhaltungssatzungsgebiet liegt, wurde der Abbruch des Altbestandes unter der Voraussetzung genehmigt, dass Ersatzwohnraum im gleichen Erhaltungssatzungsgebiet geschaffen wird. Die Baugenehmigung für diesen sei bereits erteilt.
Änderungen an den Neubauplanungen hätten allerdings zu einer zeitlichen Verzögerung geführt, die "die Fertigstellung des Neubaus auf Ende des Jahres 2026 verschiebt", so das Sozialreferat. Es lägen derzeit also Umstände und Gründe vor, die den verzögerten Baubeginn rechtfertigten. Die Frist für den Bau des Ersatzwohnraums, der wie die AZ auf Anfrage beim Sozialreferat erfahren hat, auf dem gleichen Grundstück entstehen soll, wurde verlängert. Lena Sterzer findet, diese Antwort "nicht so richtig zufriedenstellend". Grundsätzlich sei sie aber froh, dass die Stadtverwaltung auf den Fall schaue.
Ob der Zeitplan an der Falkenstraße nun eingehalten wird? Die Lell Holding zeigte sich auf AZ-Anfrage grundsätzlich auskunftsbereit, war aber bis zum Erscheinen dieser Ausgabe nicht erreichbar.