Quarantäne außer Haus: Besuch in einem Münchner Boutique-Hotel

Wohin, wenn man sich isolieren muss (oder will) und das zu Hause nicht kann? Notfalls ins Münchner Bahnhofsviertel. Wer sich hier alles absondert - und wie das kontaktfrei funktioniert.
von  Irene Kleber
Hotelchefin Anita Wandinger in einer Junior-Suite ihres AWA Boutique Hotels in der Schillerstraße - hier hat kürzlich ein Pärchen 14 Tage in Quarantäne verbracht.
Hotelchefin Anita Wandinger in einer Junior-Suite ihres AWA Boutique Hotels in der Schillerstraße - hier hat kürzlich ein Pärchen 14 Tage in Quarantäne verbracht. © Daniel von Loeper

Ludwigsvorstadt - Gerade ist das thailändische Pärchen abgereist nach zwei Wochen Isolation in der Suite 155 oben im ersten Stock, die beiden haben wirklich Pech gehabt. Sie hatten eigentlich nur für ein paar Tage die Schwester in München besuchen wollen. Am Flughafen, kurz vor der Rückreise, die unschöne Überraschung: PCR-Test positiv, trotz Impfung.

Quarantäne? Anita Wandinger nimmt  Gestrandete in ihrem AWA-Hotel auf 

Abfliegen? Ging nicht mehr. Mietwagen abgeben auch nicht. Zurück zur Schwester konnten sie freilich auch nicht, man will ja nicht die Familie gleich mit anstecken.

Das AWA-Hotel (links) in der Schillerstraße liegt hinterm Hauptbahnhof. Vom Bahnhofsviertel-Charme bekommt man in Isolation aber eh nichts mit.
Das AWA-Hotel (links) in der Schillerstraße liegt hinterm Hauptbahnhof. Vom Bahnhofsviertel-Charme bekommt man in Isolation aber eh nichts mit. © Daniel von Loeper

Blieb nur die Suche nach einem Quarantänehotel. Wie gut, dass Anita Wandinger (31) für derlei Gestrandete in ihrem AWA-Hotel in der Schillerstraße die Türen öffnet - sofern sie einen gültigen "Geimpft-" oder "Genesenen"-Status nachweisen können (in Hotels ist 2G Pflicht) und keine Symptome haben. Das Vier-Sterne-Boutique-Hotel, erst 2019 renoviert, liegt nur ein paar Meter vom Hauptbahnhof entfernt.

Die geräumige Lobby mit Loungesesseln und Frühstückstischen ist leer an diesem Nachmittag, nur ein Stammgast legt seinen Schlüssel an der Rezeption ab und spaziert hinaus, ein Geschäftsmann, der in München zu tun hat. Nur ein zweiter Stammgast sei noch im Haus, sagt die Hotelchefin. Und das bei 88 Zimmern!

Seit Mitte Dezember sei das normale Hotelgeschäft nach einem guten Sommer praktisch tot, wegen der hohen Infektionszahlen, den abgesagten Christkindlmärkten, fehlenden Messen und alledem. "Wir hatten bis Weihnachten erst mal keinen einzigen normalen Gast mehr, alle gebuchten Zimmer sind storniert worden, das war wirklich krass."

Anita Wandinger: "Wir sind ja doch ein Hotel, kein Krankenhaus"

Dass sie seit der zweiten Corona-Welle bis zu fünf Zimmer in einem separaten Flügel des Hauses für Quarantänegäste öffnet, zahlt sich gerade in so stillen Zeiten aus.

Auf den Fluren begegnen sich Gäste nicht. Jeder Quarantänegast muss ja durchweg in seinem Zimmer bleiben, bis die Isolationszeit endet.
Auf den Fluren begegnen sich Gäste nicht. Jeder Quarantänegast muss ja durchweg in seinem Zimmer bleiben, bis die Isolationszeit endet. © Daniel von Loeper

Um die 50 Quarantänegäste seien schon dagewesen seit dem Herbst 2020. Elternteile, die den Rest der Familie daheim in der Wohnung nicht anstecken möchten, Marketing-Leute, die auf Geschäftsreise gestrandet sind, Touristen, Handwerker oder Bauarbeiter, darunter einige Osteuropäer, die der Arbeitgeber in Isolation schickt, ehe sie auf die Baustelle dürfen. Nur Menschen mit Symptomen, die husten und schniefen, die nehme sie nicht auf. "Wir sind ja doch ein Hotel, kein Krankenhaus."

Check-in ohne Begegnung - mit einem digitalen Schlüssel

Wie das praktisch geht, Corona-positiv ins Hotel einchecken ohne andere Gäste oder Mitarbeiter zu gefährden? Ganz einfach. Weihnachten, zum Beispiel. Da saß Anita Wandinger am Morgen daheim bei den Eltern, um den Baum zu schmücken, und las ihre E-Mails.

Isolation mit Ausblick: Wer das Einzelzimmer unterm Dach bucht, bekommt diese Dachterrasse dazu.
Isolation mit Ausblick: Wer das Einzelzimmer unterm Dach bucht, bekommt diese Dachterrasse dazu. © Daniel von Loeper

"Da schrieb ein Mann, einigermaßen verzweifelt, dass seine 70-jährige, gehörgeschädigte Schwiegermutter, die aus Berlin zu Besuch in München war, gerade positiv getestet wurde", erzählt sie, "ob wir bitte mit einem Quarantänezimmer helfen könnten, weil bei ihnen bleiben konnte sie ja nun nicht?"

Alternativ geht einchecken über die Hotelbird-App

Anita Wandinger habe einfach ein Zimmer zugesagt, einen Zahlungs-Link per E-Mail geschickt und danach die Check-in-Anweisungen. So kann man beispielsweise draußen im Schlüsselsafe einen Zimmerschlüssel als Karte in einem Umschlag finden.

Jeden Morgen liefern Hotelmitarbeiter ein Frühstückstablett vor dieZimmertür - mit Semmeln, Joghurt, Ei, Orangensaft und Käse.
Jeden Morgen liefern Hotelmitarbeiter ein Frühstückstablett vor dieZimmertür - mit Semmeln, Joghurt, Ei, Orangensaft und Käse. © Daniel von Loeper

Alternativ geht einchecken über die Hotelbird-App. Da registriert man sich nach der Buchung (rund 100 Euro die Nacht pro Einzelzimmer mit Frühstück; ab fünf Nächten nur noch 60 Euro die Nacht), bestätigt seinen Check-in per Unterschrift auf dem Smartphone-Display - und bekommt über die App einen digitalen Zimmerschlüssel als QR-Code. "Damit", sagt Anita Wandinger, "kann man dann auch außen die Hoteltüre allein öffnen."

Auch die Essensversorgung lässt sich gut organisieren

Ins Zimmer begibt man sich auf schnellstem Weg mit Maske übers Treppenhaus (Aufzug nutzen verboten!) - und bleibt dann in seinen vier Wänden, bis der Bescheid da ist, dass die Quarantäne endet. "Es gibt überall WLAN", sagt Wandinger, "wer das Zimmer als Homeoffice nutzen will, bringt sein Laptop mit." Auch größere Suiten für zwei Personen lassen sich als Quarantänezimmer nutzen, mit oder ohne Balkon. Das bequemste ist wohl das unterm Dach im siebten Stock, mit Dachterrasse und Blick auf die Paulskirche an der Wiesn.

Auch die Essensversorgung lässt sich gut organisieren. Morgens stellen Hotelmitarbeiter ein Frühstückstablett vor die Zimmertür. Mittags und abends kann man sich über einen Lieferdienst Essen bringen lassen.

Stadt München hält 20 Hotelbetten für Quarantäne-Notfälle vor

Oder man löst das wie ein junges Münchner Paar neulich, bei dem nur die Frau positiv getestet war und samt ihrem Homeoffice-Laptop in Hotelquarantäne gegangen ist. "Da hat der junge Mann zehn Tage lang zwei Mal täglich Essen für sie gebracht und vor ihre Tür gestellt", erzählt die Hotelchefin.

Viele Münchner Hotels gibt es übrigens nicht, die offiziell einen Quarantäne-Service anbieten. Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga jedenfalls nennt auf Nachfrage keine. Die Stadt München hält nach eigener Auskunft 20 Hotelbetten für Quarantäne-Notfälle vor, das Sozialreferat habe ebenfalls welche. So kommt es wohl, dass Gäste auch schon über einen Behördentipp zu Anita Wandinger gefunden haben.

Am Montag ist eine Münchner Ärztin ins Hotel eingezogen, geboostert, aber trotzdem hat ein Schnelltest positiv angezeigt. Sie möchte daheim in der Wohngemeinschaft niemanden gefährden und bleibt jetzt einfach mal fünf Tage da.

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