Projekt "Steinhuber": Grüne Oase mitten in der Maxvorstadt sorgt für Ärger bei Autofahrern

Maxvorstadt - Es riecht nach frisch gesägtem Holz und junge Menschen sitzen auf dem Asphalt und schrauben die letzten kirschholzfarbenen Bretter an. Wo bis vor wenigen Tagen noch private PKW am Straßenrand parkten, sind kleine Terrassen entstanden. Darauf finden Sitzgelegenheiten Platz, Hochbeete mit Rosarien, Chilipflanzen, Tomaten oder Thymian. Neun dieser Parklets, wie sie die Verantwortlichen hier nennen, sind seit Ende der Woche über die Steinheilstraße und die Enhuberstraße verteilt.
22 Parkplätze wurden dafür vorübergehend stillgelegt. Das Konzept stammt vom Lehrstuhl für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung an der Technischen Universität (TUM). Getauft wurde das Areal "Steinhuber" – eine Verquickung der beiden Straßennamen. Die hölzernen Terrasseninseln, zwischen Gehweg und Fahrbahn, haben verschiedene Funktionen: Es gibt welche zum Sitzen und zum Gärtnern. Eine mit Infotafeln zum Projekt, mit Liegestühlen und sogar eine mit Tischtennisplatte mit blauem Fischernetz drumherum.
Wanderbäume mit Paten in der Steinheil- und Enhuberstraße
Für Schatten und ein schönes grünes Blätterdach sorgen die 14 Bäume, die der Verein Green-City dem Projekt beigesteuert hat. Die sogenannten "Wanderbäume" sind erst am Mittwoch von ihrem alten Standort in die Maxvorstadt umgezogen. Sie ragen jetzt aus den schicken hölzernen Eckkübeln der Parklets in die Höhe.
Zur Feierabendzeit kommt Christian M. mit blauer Gießkanne aus seinem Haus. Er will "seine Sommer-Linde" gießen. Seit ein paar Tagen kümmere er sich um einen der neuen Bäume vor seiner Haustüre. "Alle drei Tage sollen wir sie gießen", sagt er und füllt das Wasser in den Beutel, der zu den Wurzeln der Linde läuft. Der 46-Jährige wohnt seit 2011 in der Enhuberstraße und mochte den Gedanken, für drei Monate "Baumpate" zu werden. Als er von Green City gefragt wurde, habe er direkt zugesagt.

Hochbeete, Tischtennisplatte, Wasserkanister
"Ich habe jetzt einen Baum." Gut, er habe ihn nicht selbst gepflanzt, aber jetzt würde er sich kümmern, das sei auch schon was. "Also eigentlich alles erreicht im Leben", sagt der 46-Jährige. Das Wasser habe er aus dem Hahn der hauseigenen Badewanne. Da hatte er den großen Kanister ein paar Meter weiter noch nicht gesehen, der zu dem Zweck aufgestellt ist.
Neben den Bäumen haben auch die Hochbeete Paten in der Nachbarschaft. Wenn es funktioniert, kümmern diese sich ab jetzt regelmäßig ums Gießen, Auszupfen und Nachpflanzen.
Die Maxvorstadt ist ein junger, lebendiger Fleck – mit vielen Kunstausstellungen und kleinen Straßenlokalen. Doch von oben auf dem Online-Stadtplan sieht es recht trist aus. Beim Zoomen in die Karte fällt auf, wie quadriert das Viertel angelegt ist. Bis auf den Alten Nördlichen Friedhof, der genau genommen schon zu Schwabing gehört, und den Wiesen vor den Pinakotheken gibt es kaum Grünflächen.
Zu wenig Grün in der Maxvorstadt
Nur sechs Prozent des gesamten Viertels machen sie laut den Recherchen von Green City aus. Zu Fuß auf der Theresien-, Augusten- oder Luisenstraße unterwegs ist auffällig, wie wenig Sitzgelegenheiten es gibt. Kaum Bänke für kleine Pausen, ohne dass man den nächsten Cappuccino, das nächste Bier oder eine Breze dazu bestellen muss.

Diesen Mangel an "Aufenthaltsqualität" haben Benjamin Büttner und sein Team zum Anlass genommen, ihr Vorhaben hier umzusetzen. "Es ist zunächst einmal ein Experiment. Wir wollen beobachten, wie die Leute mit den neuen Flächen interagieren", sagt Büttner. Bis Ende Oktober sollen die Parklets und die beiden Parkbuchten für Fahrräder, Lastenräder und E-Roller jetzt hier stehen.
Kritiker sind vor allem Autofahrer
Ob es schon Beschwerden gab? Benjamin Büttner, grüne Wachsjacke, rötliche Haare, zuckt mit den Schultern. "Klar, die hast du immer", sagt der Stadtplaner. Erste Anwohner hätten sich bei der Infoveranstaltung für die Nachbarschaft über die weggefallenen Parkplätze beschwert. Er gibt aber zu Bedenken, dass es sich um einen temporären Versuch handelt. "Das lässt sich immer auch verändern und wird später ja auch wieder abgebaut."
Für manche Autofahrer ist das egal. Viele klagen sowieso schon lange, wie schwer es ist, in den engen Innenstadtvierteln überhaupt noch einen Parkplatz zu finden und zählen die Minuten, wie oft sie um den Block fahren müssen.
Aber an der Kolumbusstraße ist eindrücklich zu sehen, wie solche Projekte polarisieren können. Mit dem Unterschied, dass dort im Gegensatz zum Projekt "Steinhuber" in der Maxvorstadt Teile der Straße ganz für Autoverkehr gesperrt sind. Auch wenn auf den entstandenen Rasenflächen und im Sand jetzt täglich Kinder spielen und sich Eltern und Nachbarn treffen, gibt es in der Au auch entschiedene Gegner.
Neue Ideen für städtische Konzepte der Zukunft
Solche, denen der Lärm der spielenden Kinder oder der Gespräche nicht passt. Und vor allem die, die sich über die weggefallenen Parkplätze ärgern. Augenzeugenberichten nach wurde sogar schon Wasser auf spielende Kinder vom Balkon hinuntergeschüttet. Oder einer Mutter mit Lastenrad wurden die Reifen zerstochen, als sie das Gefährt auf den neuen Parkplätzen für Lastenräder über Nacht geparkt hatte.
Benjamin Büttner und sein Team sind gespannt, welche Reaktionen in der Maxvorstadt in den ersten Wochen kommen. Neben dem Beobachten wollten sie auch inspirieren. "Uns geht es darum, Ideen zu vermitteln, wie städtischer Raum anders als bisher aufgeteilt werden könnte", sagt Büttner. Die Sitzgelegenheiten sollen zum "Verweilen und sich Zusammensetzen" einladen. Insgesamt sollen die Baumaßnahmen auch die Kommunikation unter den Nachbarn und Anwohnern fördern.
Kurz vor Ladenschluss packen auch die Handwerker langsam ihr Werkzeug ein. Und es hat nicht lange gedauert und die schicke Tischtennisplatte wird schon von zwei etwa zwölfjährigen Jungs bespielt. Freude und Ärgernis liegen nah beieinander, manchmal resultieren sie aus ein und derselben Sache.