Pflegeexperte Fussek: "So ein Vorfall kann überall passieren"
Der Pflege-Experte Claus Fussek prangert im AZ-Interview die chronisch schwache Nachtbesetzung an.
AZ: Herr Fussek, ein schwer dementer Mann hat im Heim eine Bewohnerin erschlagen.
CLAUS FUSSEK: Oh nein, das ist ja schrecklich! Aber es wundert mich auch nicht, dass so etwas passieren kann.
Warum?
Die Nachtbesetzung in Pflegeheimen ist oft völlig unzureichend. Das sind mitunter kriminelle Arbeitsbedingungen. Es gibt Einrichtungen, in denen kümmern sich gerade mal zwei Pflegekräfte um bis zu 120 Menschen. Und wenn das Personal schon mit der Grundversorgung überfordert ist, wie soll es dann nebenher noch schaffen, sich um einen aggressiven, dementen Bewohner zu kümmern?
Gehören Aggressionsausbrüche dementer Bewohner denn zum Heim-Alltag?
Ich bekomme immer wieder Anrufe von Angehörigen, die erzählen, dass ihre Eltern Angst vor anderen Bewohnern haben. Schwere Aggressionsausbrüche können zum Krankheitsbild gehören. Umso wichtiger ist, dass es in Heimen qualifiziertes Personal und fachärztliche Betreuung gibt. Es darf nicht sein, dass Schüler oder auch Zeitarbeiter, die die Bewohner nicht kennen, nachts eingesetzt werden.
Was ist von dem Heim, in dem der Übergriff passiert ist, zu halten?
Das Heim war viele Jahre in den Negativschlagzeilen. Ich fürchte aber: So wie es um die Nachtwachen in vielen Pflegeheimen bestellt ist, kann so ein Vorfall überall passieren. Hoffentlich ist das nun ein Anlass, dass dieses Thema endlich zur Chefsache auch im Sozialministerium wird.
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