PC-Schrott: Was nach dem Wertstoffhof passiert
Thalkirchen - Hippe Smartphones, eine Armband-Uhr mit Telefon-Funktion, 3D-Drucker und ein Technik-Zwitter namens Fablet: Seit Tagen feiert die IT-Branche auf der Cebit ihre Innovationen – und animiert damit vermutlich viele Menschen zum Kauf eines neuen PC oder Handy.
Doch was passiert eigentlich mit den Altgeräten? Sie landen auf dem Wertstoffhof. Und dann?
Früher Nachmittag auf Münchens größtem Wertstoffhof in Thalkirchen. 20 000 Anlieferungen verzeichnet Platzwart Christian Ring hier pro Monat, im Minutentakt rollen Autos durch die Einfahrt. In einem sitzen Vanessa und Frank Ebner. Im Kofferraum: Zwei Computer, die sie bei Ebay ersteigert und ausgeschlachtet haben, um mit dem Innenleben den eigenen PC aufzurüsten. Die ausgeweideten Gehäuse deponieren sie im Container Nummer 5 – Fall erledigt. Was nun damit passiert? „Ich hoffe sehr, dass er ordentlich zerlegt wird“, sagt Vanessa Ebner.
Ähnliches vermutet Günter Nassl. Der Rentner hat sich nach 15 Jahren von seinem Packard Bell getrennt und ihn gegen einen Panasonic mit Flachbildschirm ersetzt – für die Korrespondenz und um sich Informationen zu ergoogeln, wie er sagt. „Den alten werdens’ wohl ausschlachten. Ob hier oder in Afrika kann ich nicht sagen. Hier wäre mir lieber.“
Jeder kennt die Bilder von ghanaischen Kindern, die Elektroschrott aus Industrieländern verbrennen um an Platinen, Kupfer oder Aluminium zu gelangen. Und sich dabei selbst vergiften. Niemand möchte seinen ausrangierten PC damit in Verbindung bringen.
Doch die Münchner können beruhigt sein. Weitgehend. „In Europa ist es verboten, defekte E-Artikel zu exportieren. Dass es in jeder Branche schwarze Schafe geben kann, zeigen die jüngsten Lebensmittelskandale. Aber mir ist aus dem Münchner Raum nichts Derartiges bekannt“, sagt Greenpeace-Expertin Claudia Sprinz.
Der Elektroschrott auf den zwölf Wertstoffhöfen der Stadt – bis zu 40 Tonnen sind es jeden Monat allein in Thalkirchen, plus circa 30 Tonnen an Monitoren und TV-Geräten – landet also nicht in Afrika. Gut erhaltene Geräte werden aussortiert und in der „Halle 2“ verkauft. Die übrigen gehen an vier zertifizierte Entsorgungsfirmen, die zudem im sozialen Bereich tätig sind, etwa an den „Weißen Raben“.
Die Aschheimer Recyling-Werkstatt des Unternehmens hat 130 Angestellte, darunter 76 Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung. „Bei uns wird der Elektroschrott fachgerecht zerlegt“, erklärt Meister Wilhelm Jaschke. „Anschließend vermarkten wir die Komponenten.“ Eisen bekommt ein Zwischenhändler, der es an eine Stahlhütte weiterverkauft. Kupfer und Aluminium gehen ähnliche Wege. Anliefermengen und Weiterverkauf müssen für die Stadt dokumentiert werden.
„Bei den Platinen bauen wir die Lithiumbatterien aus. Die gehen an den Batterieentsorger GRS Hamburg, genau wie die grünen Sammelboxen im Supermarkt.“ Die Platinen selbst schreddert die Norddeutsche Edelmetall. In einem komplizierten Prozess werden die Edelmetalle isoliert und dann weiterverarbeitet.
Besonders stolz ist Meister Jaschke auf seine Kabelaufbereitungsanlage. „Die scheidet Kupfer vom PCV. Das Granulat wird wieder verwendet. Zum Beispiel für Parkbänke.“ Nur mit den Bildröhren können sie in Aschheim nichts anfangen. Diese Komponenten erhält die Firma Linus München, ebenfalls ein Wiedereingliederungsbetrieb. „Wir haben Spezialsauger, mit denen die Leuchtschicht entfernt wird“, sagt Geschäftsführer Artur Kunz. Die giftige Beschichtung landet dann auf der Sondermülldeponie.
Computer und Fernseher nehmen die 60 Mitarbeiter von Linus ebenfalls auseinander. „Die Einzelteile gehen an unseren Kooperationspartner eds-r.“ Dieses Entsorgungs- und Rücknahme-Unternehmen in Thierhaupten ist die erste deutsche Recycling-Firma, die nach dem amerikanischen Responsible Recycling Standard zertifiziert wurde. Begründung: Der Betrieb gehe „verantwortungsbewusst, umweltverträglich und transparent mit Elektroschrott um.“
So weit, so gut. Für Umweltschützerin Sprinz bleibt Technik trotzdem ein heißes Thema. „Elektroschrott ist der am stärksten wachsende Müllberg weltweit“, warnt sie. Ein Blick in die Münchner Statistik bestätigt: 2003 wurden hier 1600 Tonnen davon entsorgt, 2012 waren es 4360.
Zudem richte der Abbau der benötigten Edelmetalle oft große Umweltschäden an, die Arbeitsbedingungen der Menschen dort seien häufig verheerend und nicht selten würden mit dem Erlös der Zechen regionale Krisen finanziert.
Sprinz und Co. überprüfen deshalb regelmäßig große Elektronikmarken: Wer arbeitet mit Rohstoffen aus fairer Produktion? Wer verzichtet auf Verpackungsmaterial aus Regenwald-Riesen? Wer „befeuert“ seine Lieferkette mit regenerativen Energien?
Erstaunlich: Den Spitzenplatz im Greenpeace-Ranking belegt das indische Unternehmen Wipro, gefolgt von HP und Nokia. Schlusslicht ist Blackberry-Hersteller RIM. Die Liste ist eine Hilfestellung für umweltbewusste Käufer. „Doch auch sie“, sagt Claudia Sprinz, „sollten sich vor jeder Neuanschaffung fragen: Brauche ich dieses Gerät wirklich? Oder wird mir das von Freunden und der Werbung nur eingeredet?“
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