Partymeile: "Müllerstraße? Da tobt der Ballermann!“

Sven Künast, der Pimpernel-Chef spricht über fehlende Ausgehkultur, Drogen und die Zukunft von Münchens Feierviertel.
von  Interview: Jasmin Menrad
Mit Banner bitten die Anwohner die Feiernden, Rücksicht zu nehmen.
Mit Banner bitten die Anwohner die Feiernden, Rücksicht zu nehmen.

München - Scherben, Urin, Lärm: Die Anwohner im Glockenbachviertel klagen über die Feiernden – und verklagen die Gastronomen. Erst vor einer Woche hat die Bar Registratur dichtgemacht. „Aufgrund langanhaltender, kräftezehrender Auseinandersetzungen mit den Nachbarn wird es die Registratur in der jetzigen Form nicht mehr geben“, verkündete das Team Freitag vor einer Woche. Am nächsten Tag war die letzte Party.

Unter der Hand erzählen Gastronomen und Türsteher von Streits mit den Nachbarn. Letzte Eskalationsstufe: Aus Wohnungen sind schon Hühnerknochen, Eier und Tomaten auf Feiernde geworfen worden.

Am runden Tisch versuchen Vertreter der Stadt, Anwohnervertreter und Wirte Lösungen zu finden. Sven Künast lebt im Glockenbachviertel, betreibt seit 2004 das Pimpernel und ist einer der Sprecher der Wirte. Samstagnacht um halb eins hat sich die Abendzeitung mit dem Gastronomen in seinem Club getroffen.

AZ: Sie leben und arbeiten hier. Gefällt Ihnen Ihr Glockenbachviertel noch?

SVEN KÜNAST: Ja, immer noch. Aber an manchen Sommertagen ist draußen Ballermann. Die Menschen entleeren sich auf der Straße und in den Hinterhöfen, klettern auf Garagen, zertrümmern Flaschen und krakeelen. Viele scheinen nicht einmal zu wissen, dass hier ein Wohngebiet ist.

Aber ist nicht selbst schuld, wer ins Glockenbach zieht?

Die meisten der Anwohner leben viel länger hier, als das ein Partyviertel ist. Das Pimpernel gibt’s seit 1970, dann gab’s ein paar Bars – vor allem Schwulenbars. Früher musste man sich hier nicht verabreden, weil es so wenig gab, dass man die Leute sowieso getroffen hat. Bis 2012 war das eine relativ ruhige Gegend. Dann haben die Stadt und mehrere Touristenführer das Glockenbach als DAS lebendige Viertel angepriesen und die Leute haben uns teilweise überrannt.

Mit Banner bitten die Anwohner die Feiernden, Rücksicht zu nehmen.
Mit Banner bitten die Anwohner die Feiernden, Rücksicht zu nehmen.
Mit Bannern bitten die Anwohner die Feiernden, Rücksicht zu nehmen. Foto: kim

Wie hat sich das Feiern verändert?

Es ist wie bei Facebook und Instagram: Alles schnell, alles gleich und kosten darf es auch nichts. Ich kenne das aus keiner anderen Stadt, dass so viel auf der Straße – schon tagsüber – getrunken wird. Die Leute glühen vor, stehen dann mit einem Bier in der Hand vor den Clubs und schreien rum, weil sie nicht reingelassen werden. Das ist keine Ausgehkultur. Da geht’s nur ums Konsumieren. Viele Leute nehmen wahllos illegale Substanzen. Dieser Konsum zieht sich durch alle Schichten. Die Hemmschwelle zu körperlichen Auseinandersetzungen ist niedrig. Was meinen Sie, warum ich zwei Türsteher habe? Aber natürlich, eine große Zahl der Leute ist immer noch cool und witzig.

Wer macht Probleme?

Das Problem sind nicht die Menschen in den Bars und Clubs, sondern die Leute draußen. Wir als Wirte haben wenig Handlungsspielraum auf der Straße. Die Stadt hat kein Personal, um das ruhig zu kriegen. Und die Polizei kann ja niemanden festnehmen, nur weil er draußen laut ist.

Was machen Sie dagegen?

Wir haben sieben Tage die Woche offen und brauchen eine kritische Masse, um den Laden am Laufen zu halten. Aber wir lehnen Anfragen von Agenturen ab, die Junggesellenabschiede oder Clubtouren für Studenten organisieren. Wir setzen bestimmte Hashtags wie „Citytrip“ bei Instagram nicht, weil das mehr Touristen anzieht. Und wir versuchen, mit unseren DJs ein angenehmes Publikum anzuziehen – keine monotonen Elektrosounds, wie sie mittlerweile überall aufgelegt werden, sondern Vocals, Highlights. Am schönsten ist’s, wenn unterschiedliche Menschen da sind und nicht große, homogene Gruppen.

Sind’s nicht einfach auch zu viele Bars?

Ja. Im Umkreis von hundert Metern sind’s bestimmt über 50 Gastrobetriebe. Oft Hobbygastronomen, die Läden ohne richtiges Konzept eröffnen.

Tut es Ihnen leid um die Registratur?

Ich bedauere, dass ein Name wie die Registratur so ein Ende gefunden hat.

Warum vermieten die Eigentümer an Gastro, wenn’s so viele Scherereien macht?

Glauben Sie, ein Reisebüro kann 50 Euro für den Quadratmeter zahlen?

Wie geht’s weiter mit dem Glockenbachviertel?

Erstmal abwärts, aber der Markt wird sich regulieren und das Viertel erholt sich. Einige haben super Ansätze und versuchen ein hohes Niveau und Qualität ins Viertel zu bringen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.