Parklets statt Parkplätzen in der Landwehrstraße: So kommen die Sitzinseln im Bahnhofsviertel an

Da sind sie wieder, die Parklets in der quirligen Landwehrstraße - sieben davon haben die Macher von "Freiraum" aufgestellt, damit Leute dort ratschen oder Backgammon spielen können, und dafür zwölf Parkplätze abgeräumt. Wie kommt das an?
von  Irene Kleber
Die Landwehrstraße hat jetzt Parklets (statt Parkplätzen), in die man sich setzen und Brotzeit machen kann. Mancher Autofahrer nimmt's gelassen - und stellt sich halt in die Einfahrt.
Die Landwehrstraße hat jetzt Parklets (statt Parkplätzen), in die man sich setzen und Brotzeit machen kann. Mancher Autofahrer nimmt's gelassen - und stellt sich halt in die Einfahrt. © iko

München - Gut, man kann die Nöte mit dem Parken auch so lösen: Mit der Schnauze über den Gehweg rein in die Einfahrt, das Heck, das in die Straße hinaus ragt, ist sowieso geschützt vom Bauzaun nebendran. In der wuseligen Landwehrstraße im Bahnhofsviertel geht's ohnehin so zu am Dienstagmittag, dass sich keiner an dem Wildparker stört.

So fesch wie der alte Benz da leuchtet, feuerrot glänzend, das Dach lässig geöffnet – so einen pöbelt man nicht an.

Dabei könnte der Grant schon groß sein in diesem orientalisch-bayerischen Mikrokosmos, in dem ein Laden eng am nächsten klebt. Gold-An- und Verkauf, Koffer- und Haushaltswaren, Herrenfriseure, Sat-Anlagen, Hochzeitskleider, Konserven, Fladenbrot und eingelegtes Gemüse – all das gibt es hier Tür an Tür, permanent mit Lieferverkehr.

Bitte setzen: Leere Biertragl mit Holzplatten drauf, darunter Kunstrollrasen - hier können Anwohner sich jetzt zum Ratsch niederlassen.
Bitte setzen: Leere Biertragl mit Holzplatten drauf, darunter Kunstrollrasen - hier können Anwohner sich jetzt zum Ratsch niederlassen. © iko

Parklets: "Eine Einladung an die Nachbarn, mit uns ein Bier zu trinken"

Und trotzdem – oder: gerade deshalb – haben sich die Verkehrswende- und Grünaktivisten der Gruppe "Freiraum" breitgemacht und in den letzten drei Wochen zwischen Schiller- und Goethestraße sieben begrünte "Parklets" zwischen die parkenden Autos gezimmert – wie schon letzten Sommer, als die Stadt das Projekt schon einmal genehmigt hat. Dafür fallen zwölf Parkplätze weg.

Parklets? Wer das noch nicht kennt: Das sind mit Europaletten abgezäunte Sitzinseln, ein bis zwei Parkplätze lang, mit rustikalen Bänken und Tischen, Blumen und Bäumchen in bauchigen Trögen – ähnlich vielen Schanigärten, nur dass man auf Parklets eben konsumfrei hocken, ratschen, Brotzeit machen kann.

Sie bringen ein bisschen Bepflanzung in die baumlose und staugeplagte Landwehrstraße, die im Sommer so heiß und stickig wird, dass man sich nicht lange dort aufhalten mag. "Sie sind grün, gesellig und eine Einladung an die Nachbarschaft, vorbeizukommen und mit uns ein Bier zu trinken", so sagt das Freiraum-Geschäftsführer Martin Laschewski, der mit den Parklets "die Verkehrswende erlebbar machen" will.

Hier haben sich zwei Anwohner zum Backgammon-Spielen in eins der Parklets gesetzt - unter das kleine Wanderbäumchen.
Hier haben sich zwei Anwohner zum Backgammon-Spielen in eins der Parklets gesetzt - unter das kleine Wanderbäumchen. © Freiraum

Landwehrstraße: "Am Abend wird es da voll"

Vor dem Afro-Shop, der Haarverlängerungen und Beautyprodukte verkauft, kann man nun auf grünem Kunstrollrasen verschnaufen. Auf leeren Biertragln von Giesinger Bräu und dem Brauhaus Tegernsee liegen Holzbretter zum Draufsitzen, daneben steht sichtbar eine graue Mülltonne. Jetzt, am Mittag, hat sich nur ein junger Mann dort niedergelassen und schaut in sein Handy.

"Aber am Abend", sagt Ladenchef Teclai Nahom (30), "da wird es da voll. Da sitzen dann Leute, die sprechen in allen Sprachen miteinander, arabisch, kurdisch, türkisch, rumänisch, bulgarisch." Er habe dort auch schon Nachbarn aus der Straße Backgammon spielen gesehen, und finde, "dass das eine gute Idee ist, diese Sitzplätze dort hinzustellen".

"Parklets? Eine gute Idee", findet Ladenchef Teclai Nahom (l.) - und Shammo Khoshtebi meint: "Parkplätze hat man vorher auch nicht gefunden."
"Parklets? Eine gute Idee", findet Ladenchef Teclai Nahom (l.) - und Shammo Khoshtebi meint: "Parkplätze hat man vorher auch nicht gefunden." © iko

Shammo Khoshtebi (28), der schräg gegenüber im Matin Kiosk kurdische und arabische Lebensmittel anbietet, findet das auch. "Normalerweise stehen hier Leute in Gruppen so eng auf dem Gehsteig herum und unterhalten sich, dass ich kaum in mein Geschäft hineinkomme. Jetzt setzen die sich ordentlich hin. Eine gute Sache."

Sitzinseln bleiben bis 16. September

Dass dafür Stellplätze besetzt werden? Manche Ladeninhaber ärgert das freilich, aber längst nicht alle. "Parkplätze hat man vorher hier auch nicht gefunden", sagt Khoshtebi, "manche Autos stehen hier wochenlang unbewegt und blockieren alles." Der Chef des orientalisch-arabischen Süßigkeiten-Feinkostgeschäfts Golden Sweet hat sich deshalb angewöhnt, morgens mit dem Radl aus der Isarvorstadt hierher zur Arbeit zu fahren, "das geht schneller", sagt er, "und macht weniger Stress."

Eine Baumreihe, Sitzplätze, viel Platz für Radler und Fußgänger - so könnte die Landwehrstraße aussehen, wenn man Autos weitgehend aussperren würde.
Eine Baumreihe, Sitzplätze, viel Platz für Radler und Fußgänger - so könnte die Landwehrstraße aussehen, wenn man Autos weitgehend aussperren würde. © BMBF-Projekt "Grüne Stadt der Zukunft"/ IÖW/ Volker Haese

Ob die Landwehrstraße auch als Fußgängerzone vorstellbar wäre – wie Green City das schon mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung angeregt hat? Warum nicht – ist in der Straße oft zu hören.

Zeit zum Vorstellen ist jedenfalls noch. Die Sitzinseln werden bis 16. September stehenbleiben, falls die Genehmigung nicht verlängert wird. Nur die Parklets, die als Radl- und E-Roller-Abstellplätze aufgebaut wurden, könne man sich sparen. Wildparken mit dem Radl geht auf den engen Gehwegen halt auch einfacher als mit einem Benz-Cabrio.

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