Panini-Bilder: WM-Jagdfieber im Hirschgarten

Reger Handel im Biergarten: Iraner im Tausch für Ivorer, einen Griechen für ein paar Russen. Zum Glück geht’s nur um Aufkleber. Zur WM sind Panini-Bilder wieder angesagt. Die AZ war auf einer Tauschbörse und zeigt, was hinter der Sammelleidenschaft steckt
von  Manuel Rauscher
Panini-Liebhaber Andrew führt seinen Sohn in die Welt der Sammelkarten ein.
Panini-Liebhaber Andrew führt seinen Sohn in die Welt der Sammelkarten ein. © Manuel Rauscher

Reger Handel im Biergarten: Iraner im Tausch für Ivorer, einen Griechen für ein paar Russen. Zum Glück geht’s nur um Aufkleber. Zur WM sind Panini-Bilder wieder angesagt. Die AZ war auf einer Tauschbörse und zeigt, was hinter der Sammelleidenschaft steckt

München - Es ist Sonntag, elf Uhr und alles was Alexander möchte ist ein Lächeln von Arjen Robben. Doch das ist verdammt schwer zu bekommen. Alexander ist hochkonzentriert, murmelt Zahlen vor sich hin: „Nummer 120? Cesc Fàbregas - hab ich schon. Nummer 249? Japan - hab ich auch schon.“ Dann blitzt etwas Oranges aus dem Kartenstapel und ein Jubelschrei durchbricht die Blasmusik: „Geil, geil, geil! Endlich der Holländer! Ich glaube ich werd wahnsinnig – nach dem habe ich einen Monat lang gesucht.“

Der 43-Jährige hat eine Glückssträhne - so gut wie heute lief es für ihn auf der Tauschbörse im Münchner Hirschgarten bisher noch nie. Alexander sammelt Panini-Aufkleber. Die Sammelaufkleber haben in München viele Fans, und hier am Stammtisch im Hiergarten treffen sich die Sammler zum Tauschen und Fachsimpeln.

Während sich Andere im Biergarten vor allem um ihr Bier und eine Brotzeit kümmern, hat Alexander nur Augen für die Abbilder von Mandzukic, Schweinsteiger und Co. 32 Briefumschläge voller doppelter Sticker hat er als Tauschmaterial dabei – für jede WM-Mannschaft einen. Die Nummern der Fußballbildchen sind akurat auf den Umschlägen notiert. 30 Felder muss er in seinem Album noch füllen. „Das müsste theoretisch heute zu schaffen sein“, sagt Alexander.

Das Sammelfieber hat ihn erst im Erwachsenenalter gepackt: „Seit der WM 2006 sammle ich bei jedem großen Turnier. Ich hab auch alle Alben voll, weil das ja auch das Ziel ist – da hat man was für die Ewigkeit. Sonst bringt der ganze Aufwand nichts und man ärgert sich in zehn Jahren, wenn das Heft unvollständig ist.“

Die bunten Bildchen gehören zum Fußballzirkus mit dazu

Eigentlich hat Alexander seine Alben bisher schon immer vor dem WM-Start komplettiert. Doch dieses Jahr hat er das nicht geschafft, obwohl er schon sammelt, seit die bunten Bildchen im März erschienen sind. 640 Sticker braucht es bei dieser WM bis zum großen Glück. So sitzt er hier an diesem Sonntagvormittag fast wie beim Speed-Dating und wartet bis der nächste Tauschpartner an seinen Tisch kommt.

Das Phänomen Panini zieht alle zwei Jahre wieder Millionen deutscher Sammler in den Bann. In Deutschland wurden zur WM 2006 etwa 160 Millionen Sticker-Tütchen verkauft – auch an viele Erwachsene. Im Hirschgarten sind die Kinder eindeutig in der Unterzahl.

Und auch Erwachsene, die sonst nicht fußballnarrisch sind, kaufen und tauschen haufenweise Bilder. Warum? Die Psychologin Johanna Lass-Hennemann forscht an der Universität Saarbrücken über das Sammeln. Sie erklärt: „Die WM ist einfach ein Ausnahmezustand. Menschen, die sonst keinen Fußball schauen, sind auf einmal begeisterte Fans.“ Mit dem Sammeln der Bilder könne man seine Begeisterung ausdrücken und Teil des großen Fußballzirkus sein.

Mehr als nur „toys for big boys“?

Auch Andrew will sich mit den Stickern auf das Sportspektakel einstimmen: „Für mich als Fußballfan gehört das seit meiner Kindheit einfach zu einer Weltmeisterschaft dazu“, sagt der 48-Jährige. Der Engländer ist seit der WM 1974 vom Sammelfieber befallen. Für so ein altes Album zahlen Liebhaber heute mehrere hundert Euro, doch seine Schätze zu verkaufen, käme für ihn nicht in Frage: „Ich mache das nicht wegen des Geldes.“

Vielmehr steht für Andrew die Freude im Vordergrund, die er fühlt wenn er etwa die seltene Glitzerkarte mit dem WM-Pokal in Händen hält. Diese Leidenschaft teilt er nicht nur mit seinen Kollegen im Büro, wenn der Meeting-Raum zur Tauschbörse mutiert, sondern auch mit Freunden weltweit. „Ich habe schon Fußballsticker per Post um den ganzen Globus verschickt.“ Seine Frau kommentiert schmunzelnd: „Das sind halt ,toys for big boys'.“ Dann kommt ein kleiner Junge zu Andrew und fragt: „Du, tauschen wir? Ich brauch noch das Wappen von Bosnien.“ Und schon werden wieder Listen verglichen und Kartenstapel durchwühlt.

Genau dieser Moment zeigt die Erfolgsformel von Panini – glaubt zumindest Geschäftsführer Hermann Paul. „Beim Sammeln und Tauschen spielen Alter, Herkunft und Beruf keine Rolle. Was zählt und verbindet, ist die leidenschaftliche Jagd nach den Panini-Bildern“, erklärt er.

Im Jagdfieber quer durch München

Christiane ist zum ersten Mal auf der Tauschbörse: „Ich hatte damit nie was am Hut, aber dann habe ich das Sammelalbum zum Geburtstag geschenkt bekommen und war sofort Feuer und Flamme – und das mit 61 Jahren.“ Um das Heft voll zu bekommen, durchstreift sie sogar Kioske in ganz München. Sie vermutet, dass die Sticker von Stadtviertel zu Stadtviertel unterschiedlich verteilt sind. Im Internet würde sie die Kärtchen auf keinen Fall bestellen – da ginge ihr der Reiz an der ganzen Geschichte verloren: “Dieses Jagdfieber, diesen Kick, wenn man eine Karte bekommt, die man dringend braucht.“

Zwar boomt mittlerweile auch das Online-Tauschgeschäft mit den Klebebildchen, doch die klassische Tauschbörse wird nicht so schnell aussterben. „Beim Sammeln müssen wir Dinge anfassen können, wir wollen Sie besitzen, sie hin und herschieben“, sagt die Psychologin Johanna Lass-Hennemann. Denn letztlich ist die Faszination der Fußballporträts schnell erklärt: Kaufen, Vorfreude, Aufreißen, Riechen, Einkleben, Tauschen, Sammeln, Feiern. Bis alle Seiten im Album gefüllt sind.

Ganz soweit ist Alexander noch nicht. Er hat zwar einiges ertauschen können, doch das Heft ist noch immer nicht komplett: „Vor allem ein Portugiese ist sehr zäh. Die Nummer 525, der nervt mich schon seit Wochen.“ Er wird nächsten Sonntag wiederkommen – auch wenn Hugo Almeida ihn nicht so schön anlächelt wie Arjen Robben.

 

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