Obersendling wird cool: Neue Halle und Open-Air-Fläche für München

München bekommt eine neue Halle plus riesiger Open-Air-Fläche - und das in einer Ecke der Stadt, die bisher nicht fürs Ausgehen bekannt ist. Die AZ war vor Ort.
von  Eva von Steinburg
Sie beleben das raue Industriegelände für die Nachbarschaft, aber auch für international Kulturschaffende: Gregor Wöltje, Michi Kern und Lissie Kieser.
Sie beleben das raue Industriegelände für die Nachbarschaft, aber auch für international Kulturschaffende: Gregor Wöltje, Michi Kern und Lissie Kieser. © Sigi Mueller

München - Aufbruchstimmung in Obersendling: Aus dem stillgelegten Betonwerk Katzenberger wird für zwei bis drei Jahre ein Ort für Freizeit und Kultur.

Drei bekannte Macher aus der Münchner Kultur- und Nachtszene wagen das Experiment: Michi Kern, seine Partnerin Lissie Kieser und Gregor Wöltje. Die drei möchten im Mai in der Helfenriederstraße ihre Zwischennutzung "Sugar Mountain" starten. Benannt haben sie ihr neues Projekt nach einem Sehnsuchtsort: dem Berg aus Zucker aus dem Song "Sugar Mountain" von Neil Young.

Die "Sugar Mountain"-Halle. Ihr Turm ist jedoch nicht nutzbar.
Die "Sugar Mountain"-Halle. Ihr Turm ist jedoch nicht nutzbar. © Sigi Mueller

Bild und Lied kamen ihnen in den Sinn, weil das Gelände der stillgelegten Betonfabrik Katzenberger dick von Betonstaub überpudert war. Seit 2017 werden in der Fabrik, hinter der Aral-Tankstelle an der Boschetsrieder Straße, schon keine Betonfertigteile mehr produziert.

Open-Air in München: "Es wird den ganzen Sommer ein wichtiges Thema sein"

In einer Zeit großer Lähmung haben die drei Münchner Mut bewiesen und geschuftet: Das Gelände, direkt an der U3-Station Machtlfinger Straße, musste aufgeräumt und gesäubert werden. Dachfenster an der Halle wurden erneuert, Massen an Material haben sie geordert: Wenn die Corona-Lage es zulässt, soll schon im Frühjahr hier Eröffnung sein.

Zwei Fensterbänder und Fenster an der Decke machen die Halle hell.
Zwei Fensterbänder und Fenster an der Decke machen die Halle hell. © Steinburg

"Optimismus kann man nicht herzaubern. Indem man handelt, erzeugt man Optimismus in sich selbst", erklärt Kulturmanagerin Lissie Kieser (37) die Philosophie der Macher.

Kieser ist überzeugt: "Open-Air wird den ganzen Sommer über ein wichtiges Thema sein. Die schiere Größe dieses Areals kommt uns jetzt zugute. Hier hat man Platz. Wir können unter Corona-Bedingungen Flächen zonieren und Wege regeln. Es ist fast ein Witz, wie gut dieser Ort in diese Zeit passt."

Ein bisserl Kunstpark Ost in Obersendling

Der Bauzaun um die 7.500 Quadratmeter große Fläche in Obersendling wird bis Mai abmontiert. Das raue Industriegelände wird für die Nachbarschaft geöffnet. Mit einem jungen und lockeren Flair; ein bisserl Kunstpark Ost in Obersendling. Allerdings stünde hier nicht das Feiern, sondern der Sport im Mittelpunkt: auf dem Basketballplatz, der großen Skaterbahn, an den Ping-Pong-Platten, mit Yoga und Boccia. Ein Gratis-Programm - etwa Freiluft-Märkte - soll es geben. Auch Kinotage und eine Art Biergarten sind geplant.

Die Halle bietet Platz für Kunst, Theater oder auch Modenschauen.
Die Halle bietet Platz für Kunst, Theater oder auch Modenschauen. © Sigi Mueller

Eine der zwei Hallen ist bespielbar: Von außen wirkt die neue Münchner "Sugar Mountain"-Halle profan. Der Innenraum dagegen verströmt einen Zauber: Er ist lichtdurchflutet und imposant. Unter dem Dach leben Tauben. In einer Ecke sprießt Moos. Investiert hat das Trio bereits in professionelle Bühnen-Scheinwerfer. Die Tonanlage funktioniert. Der Bühne für Theater, Musik und Events fehlt nur noch der Vorhang. "Diese Halle ist ein spektakulärer Ort, ein Diamant. Sie ist taghell. Das macht sie gut für Kunstausstellungen", sagt Gregor Wöltje. Er meint: "Diese Halle kann man fantasievoller und spielerischer nutzen: Ich kann mir hier Modenschauen vorstellen, auch einen temporären Showroom."

Sein Projektpartner Michi Kern ergänzt augenzwinkernd: "Obersendling wird cool." Und zeigt auf zwei 14 Meter hohe Metalltore. Über diese Öffnungen könnten gigantische Skulpturen oder Fotografien in die Halle gerollt werden. Im Sommer könnten die Tore auch mal offen stehen — eine faszinierende Vorstellung für Michi Kern: "Mir gefällt die industrieruinenartige Kulisse dieser Halle, das monumentale Gebirge aus Beton", sagt er.

Kranbahnen und Träger sorgen für Industriecharme.
Kranbahnen und Träger sorgen für Industriecharme. © Sigi Mueller

Von Skatebahn bis Boccia-Platz: Für alle Altersgruppen soll was geboten werden

Bevor die ersten Gäste die Halle betreten, wird die Empore abgesichert, werden Geländer abgeschnitten. Weil der Hallenboden uneben ist, wird der Weg der Besucher "inszeniert". Sie laufen über breite Stege zu den Tribünen vor der Bühne, zur Bar und zum Forum.

Wo einst Katzenberger Betonfertigteile goss, startet das Experiment "Sugar Mountain" unter Kranbahnen und Betonträgern: "Wir wollen das Gelände so nutzen, dass die Nachbarn etwas davon haben", betont Michi Kern.

Eins der gigantischen Tore: Sprayer waren hier am Werk.
Eins der gigantischen Tore: Sprayer waren hier am Werk. © Sigi Mueller

Jugendliche, auch Kinder mit Scootern, können sich auf der Skatebahn ausprobieren. Für ältere Besucher soll es einen Boccia-Platz und Freiluft-Schach geben. Die Politik im Viertel ist angetan. Andrea Barth (SPD) aus dem örtlichen Bezirksausschuss 19 ist begeistert: "Sugar Mountain kann etwas ganz Tolles werden."

Denn das Image Obersendlings sei von "Tristesse, Fabriken und Bürobunkern" geprägt "Von den Bürgern wissen wir, dass sie Flohmärkte wollen. Ich wünsche mir mehr Subkultur," sagt die 56-jährige. Andrea Barth glaubt: "Ein bisschen Coolness schadet hier nicht. Die Jugend braucht das."

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