NSU-Prozess: Alles zu den Demonstrationen in München
Bis zu 5000 Menschen werden bei der Kundgebung gegen Nazi-Terror und Rassismus am Samstag erwartet. Zu ihnen wird auch die Witwe eines Münchner NSU-Opfers sprechen
München - Ein starkes Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus, das soll – vier Tage vor Beginn des NSU-Prozesses – die Demo am kommenden Samstag in der Münchner Innenstadt werden. Rund 200 Gruppierungen haben sich dem Aufruf vom Bündnis gegen Nazi-Terror und Rassismus angeschlossen. Darunter die Grünen und die SPD. Nicht alle unterschreiben allerdings die Forderung des Veranstalters, den Verfassungsschutz abzuschaffen.
Das Bündnis rechnet mit 3000 bis 5000 Teilnehmern. „Wir wollen als Münchner Stadtgesellschaft ein großes Zeichen der Solidarität mit den Angehörigen setzen“, sagt Ex-Grünen-Stadtrat und Mitveranstalter Sigi Benker.
Aus 20 Städten haben sich Teilnehmer angekündigt. Zum Auftakt der Demo wird erstmals die Witwe von Theodoros Boulgarides (†41) öffentlich sprechen. Er wurde am 15. Juni 2005 in seinem neu eröffneten Schlüsseldienstladen an der Trappentreustraße vom NSU hingerichtet. Der Schütze verwendete einen Schalldämpfer, schoss dem ahnungslosen Griechen drei Mal in den Kopf.
„Es ist ein besonders mutiges Zeichen von Frau Boulgarides bei der Kundgebung zu sprechen. Sie sieht dies als Unterstützung für die Angehörigen. Der Prozess wird eine große Belastung für alle Angehörigen, sie sind zum Teil schwer traumatisiert. Für Frau Boulgarides ist dies eine Gelegenheit, endlich mal zu sagen, wie sie all die Jahre behandelt wurde“, sagt Bernd Kaminski vom Bündnis.
Die Demo beginnt um 13 Uhr am Stachus. Außer der Witwe sprechen: Benjamin Idriz, Imam in Penzberg und Vorsitzender des Zentrums für Islam in Europa sowie Nükhet Kivran, Vorsitzender des Ausländerbeirats. Von der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano (88) wird eine Rede vom Band abgespielt.
Gegen 14 Uhr wird der Demonstrationszug zur ehemaligen Sex-Disko „Liverpool“ in der Schillerstraße gehen. Hier verübte die Neonazi-„Gruppe Ludwig“ 1983 einen Brandanschlag, bei dem ein Barmädchen (20) getötet wurde. Von dort geht’s zum Oktoberfestmahnmal an der Theresienwiese. Dort tötete der Rechtsextremist Gundolf Köhler 1980 mit einer Bombe 13 Menschen. Weitere zentrale Orte entlang der Route sind das Justizzentrum in der Nähe des Stiglmaierplatzes, hier findet der NSU-Prozess statt, der Königsplatz als einstiges Zentrum der „Hauptstadt der Bewegung“ und das Innenministerium. „Es steht für die rassistische Ermittlungspraxis im Fall des NSU“, so die Veranstalter. Die Abschlusskundgebung ist für 17.30 Uhr am Marienplatz geplant.
Der Weg der Demonstranten: Auftaktkundgebung ist um 13 Uhr am Stachus. Von dort geht’s über die Sonnenstraße, Landwehrstraße zur Theresienwiese und ins Bahnhofsviertel. Anschließend zum Stiglmaierplatz, Königs- und Karolinenplatz über den Oskar-von-Miller-Ring und die Ludwigsstraße zum Odeonsplatz. Schlusskundgebung ist von 17.30 bis 18 Uhr auf dem Marienplatz. Zwischenstopps sind am Oktoberfest-Mahnmal, Stiglmaierplatz und Innenministerium geplant.
Es wird eng auf den Straßen
Demo und Derby: 3000 Beamte im Einsatz
Die Polizei richtet ihr Augenmerk vor allem auf Autonome und Nürnberger Fußballfans
München - Es könnte das heißeste Wochenende des Jahres werden – aber nicht wegen des Wetters: 5000 Demonstranten ziehen durch die City, dazu sind 70<TH>000 Fußballfans in der Stadt. Über 3000 Polizisten sollen dafür sorgen, dass es am Samstag friedlich auf Münchens Straßen bleibt.
„Das Potential der Großdemo am kommenden Samstag wird das der Sicherheitskonferenz deutlich übersteigen“, sagt Einsatzleiter und Polizeivizepräsident Robert Kopp. Er rechnet mit bis zu 5.000 Demonstranten aus ganz Deutschland, die vom Stachus aus kreuz und quer durch die Innenstadt bis zum Marienplatz ziehen.
Aus Berlin, Bremen, Frankfurt, Göttingen, Leipzig, Dresden, ja sogar aus Wien sollen etliche Teilnehmer anreisen. „20 Busse sind angekündigt“, rechnet Robert Kopp vor, „darunter auch Personen aus der linksextremistischen Szene und gewaltbereite Autonome.“ Mit rund 200 Krawallmachern rechnen die Experten beim Staatsschutz.
Die rechte Szene ist dagegen im Vorfeld des NSU-Prozesses auf Tauchstation gegangen. Abgesehen von einem Infostand in der Wotanstraße in Laim mit fünf Teilnehmern und einer weiteren Veranstaltung am Orleansplatz mit etwa zehn Rechten „sind keine weiteren rechten Aktionen angemeldet“, so KVR-Sprecherin Daniela Schlegel.
Nicht auszuschließen ist allerdings, dass Sympathisanten der rechten Szene entlang der Demo-Route auftauchen, um Zwischenfälle zu provozieren. „Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet“, verspricht Robert Kopp. Leute, die Krawall machen, werde man aus dem Verkehr ziehen.
Der Polizeivizepräsident richtet diese Warnung auch ausdrücklich in Richtung Fußballfans. Am Samstagnachmittag spielen die Bayern in der Allianz-Arena gegen Nürnberg. Als die Vereine im Oktober 2011 zuletzt in München aufeinander trafen, gab es richtig Ärger mit der Polizei: 93 Krawallmacher wurden aus dem Verkehr gezogen, sieben Verdächtige wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen. Die Polizei spricht deshalb von einem Hoch-Risiko-Spiel. „Wir werden die Polizeipräsenz in der Stadt erkennbar erhöhen“, sagt Kopp. 2600 Polizisten aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz sind im Einsatz, dazu weitere 420 Beamte der Bundespolizei.
Alles wie bei der Siko – bis auf die ausländischen Staatsgäste.
Mindestens sieben weitere Demos
Wenn am Mittwoch kommender Woche der Prozess gegen die NSU-Terrorzelle beginnt, gleicht das Justizzentrum einer Festung. In der Nymphenburger und der Sandstraße sind erhebliche Verkehrsbehinderungen zu erwarten.
Einerseits liegt das an dem enormen Medien-Interesse. Journalisten aus aller Welt wollen berichten. Übertragungswagen der TV-Sender stehen am Straßenrand. Darüber hinaus sind sieben Protestveranstaltungen aus dem linken Lager angemeldet, an denen jeweils bis zu 500 Personen teilnehmen. Hinweise auf geplante Störaktionen liegen bisher nicht vor.
Die Polizei ist auch für den sicheren Transport der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und ihres mutmaßlichen Helfers Ralf Wohlleben vom Gefängnis Stadelheim zum Justizzentrum zuständig. „Wir werden das eher geräuschlos machen“, so Kopp, längere Straßensperren seien nicht geplant.