Nostalgie pur: AZ-Besuch in einer alten Druckerei
Neuhausen - Überall in München wurde Geschichte gemacht, in der Hübnerstraße 5 aber wurde sie gedruckt, schrieb Prof. Hans-Peter Söder von der Ludwig-Maximilians-Universität vor drei Jahren in das Vorwort eines kleinen Büchleins, welches zum Jubiläum "90 Jahre Buchdruck in den Räumen Hübnerstraße 5 München" erschien.
Begann doch vor Jahrhunderten mit Gutenberg eine kleine Revolution. Man konnte Schriften vervielfältigen, gedruckte Informationen auf der ganzen Welt verbreiten. So hat man mit der Druckkunst nicht nur Geschichte geschrieben, sondern sie auch verbreitet.
Auch das Wort Presse kommt aus dem Bereich und ist heute der Sammelbegriff für Zeitungen, Zeitschriften und Informationsverbreitung. Das war damals so außergewöhnlich, wie es vor ein paar Jahren noch Social Media war.
Alte Druckerei: Museal und doch lebendig
Ein guter Grund, sich bei den Druckern in der Neuhauser Hübnerstraße einmal umzuschauen. Ich treffe Christoph Dürr in der Buchdruckwerkstatt und Galerie und stehe zunächst vor riesigen, alten Druckmaschinen. Ich erfahre viel über Buch-, aber auch Kunstdruck, über die Geschichte der Maschinen, wie man druckt und wie man gedruckt hat.
Die Räume wirken so, als hätte man sie vor einigen Jahrzehnten nach der Brotzeit verlassen und alles wäre so geblieben wie damals. Fast museal. Aber doch wirkt alles viel lebendiger als ein Museum – und das ist es auch, denn hier wird noch gearbeitet.
Ernst Körperich, der früher als Drucker in der Sendlinger Straße bei der "Süddeutschen Zeitung" druckte, zeigt mir, wie. 60 Maschinen gab es damals dort, als Zeitungen noch nicht wie heute gedruckt wurden. Zunächst stehen wir an einer großen Maschinensatzmaschine von 1974. An der Seite hängt ein Bleibarren, der langsam geschmolzen wird. Aus dem flüssigen Blei werden dann kleine Bleistege geformt. An einer Art Schreibmaschine sitzt Ernst Körperich und schreibt den Text, der dann durch Buchstabenplättchen die Worte aus dem flüssigen Blei formt. Auf meinen Wunsch schreibt er das Wort Abendzeitung. Es passt drei Mal auf die Breite des Blättchens.
Zirka 1,5 bis zwei Millimeter ist ein Buchstabe groß. Ich hab's Ihnen mal fotografiert, natürlich musste ich das Ganze im Rechner dann noch umdrehen, denn wie bei einem Stempel erscheint es ja in Spiegelschrift. Die fertigen Blättchen werden aneinandergereiht und zu einer Seite zusammengefügt.
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Ein Stück Münchner Geschichte
An einer anderen Maschine wird dieser Bleiblock mit Farbe bestrichen, Papier eingelegt und gedruckt. Aber nicht nur gedruckt wird hier, in den Räumen befindet sich auch eine Galerie, in der zur Zeit die Ausstellung "Im Possible Futures", "Zeit für Freiheit" mit Werken von 50 Künstlern noch bis zum 29. Februar läuft. Dienstag bis Freitag von 14-18 Uhr und samstags von 11-14 Uhr kann man die Ausstellung und die Druckerei anschauen.
Wenn gerade keine Ausstellung stattfindet, kann man ebenfalls zu diesen Öffnungszeiten die Druckmaschinen anschauen. Ein Stück Münchner Geschichte, ein Kleinod, 93 Jahre alt, hoch interessant und spannend.
In diesem Sinne eine schöne Woche
Ihr Sigi Müller
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