Neue Ideen für den Giesinger Berg: Atmosphäre statt Autolärm
Obergiesing - Clemens Marschner hasst das Wort Aufenthaltsqualität. Doch in Politiker-Sprache übersetzt will der 44-jährige Informatiker genau das am Giesinger Berg schaffen. Sein Plan ist, unter die Erde einen Kreisverkehr zu bauen, damit oben ein neuer Platz für Fußgänger und Radfahrer entstehen kann.
Die Idee für den Giesinger Berg: Spielende Kinder statt Autolärm
Marschner erklärt seine Idee direkt dort, wo er den neuen Platz verwirklichen möchte: vor dem Giesinger Bräu. Dahinter ragt das Wahrzeichen der Biermarke, das gleichzeitig Wahrzeichen des Viertels ist, in den Himmel: die Backsteinkirche Heilig Kreuz.
Statt Aufenthaltsqualität spricht Marschner von "Atmosphäre", die hier entstehen soll. Wie genau, sich das vorzustellen, fällt noch schwer. Denn hinter Marschner schiebt sich ein Auto nach dem anderen den Berg hinauf.
Würde seine Idee Realität, sagt Marschner, würde hier Stille herrschen. Kein Autolärm mehr, dafür vielleicht das Geräusch von spielenden Kindern, von plaudernden Menschen, von Bierkrügen, die aneinander klirren. Denn wenn die Straßen am Giesinger Berg unter der Erde verschwinden würden, wäre dort Platz für einen Biergarten, ein Café, einen Markt oder eine Kulturbühne.
Um den Plan bekannter zu machen, hat Marschner eine eigene Webseite gebaut und Simulationen erstellt. Der Kreis seiner Unterstützer werde immer größer. Mit im Team seien Menschen, die sich mit Architektur, Bauwesen und Brandschutz auskennen.
Zu bedenken gibt es einiges: Bäume, andere Bauten und Baukosten
Denn zu bedenken gibt es am Giesinger Berg einiges: die denkmalgeschützten Bauten, die Bäume am Isarhang, die unter Naturschutz stehen, die Statik, die Kosten.

Wie komplex das alles ist, gegen welche Mauern man läuft und wie langsam die Mühlen einer Verwaltung mahlen, musste Matthias Rajmann bereits erfahren. Er kämpft seit mehr als zehn Jahren dafür, dass Radler und Fußgänger am Giesinger Berg mehr Platz bekommen - allerdings mit einer anderen Idee: Er fordert eine Brücke von der Heilig-Kreuz-Kirche zum gegenüber liegenden Giesinger Bräu. Es gibt mehrere Entwürfe, doch ein Beschluss im Stadtrat wurde immer wieder verschoben.
Wie die Brücke genau aussehen soll, ist immer noch unklar. Bald wolle der Stadtrat einen Wettbewerb ausloben, im Juli solle der Sieger feststehen, sagt Grünen-Stadtrat Sebastian Weisenburger. Er ist Vorsitzender des Bezirksausschusses Untergiesing-Harlaching.
Diskussion könnte für jahrelange Verzögerungen sorgen
Die Idee, am Giesinger Berg einen Platz zu schaffen, findet er zwar sympathisch. Gleichzeitig fürchte er, dass diese Diskussion alles um viele Jahre verzögert - bloß, dass die Stadt feststellt, dass ein Tunnel nicht realisierbar ist. "Außerdem hat ein Autotunnel für mich als Grüner natürlich nicht die oberste Priorität", sagt er.

Ähnlich sieht das Matthias Rajmann, der vor zehn Jahren die Idee einer Brücke als Erster aufbrachte. Damals war er in einer ähnlichen Lage wie Clemens Marschner heute.
Brücke oder Tunnel? Beides wäre teuer
Er bekam Unterstützung aus der Bürgerschaft, Lob von Menschen aus der Lokalpolitik. Und dann explodierten plötzlich die Kosten. Zuerst war von einer Viertelmillion die Rede, inzwischen heißt es, dass die Brücke zwischen zehn und 15 Millionen Euro kosten soll.
Ein Tunnel würde diesen Rahmen natürlich sprengen. Das ist Clemens Marschner bewusst. Allerdings könne man beide Bauwerke auch nicht miteinander vergleichen, sagt er: "Ein Omnibus ist auch teurer als ein VW-Bus."
Von einem neuen Platz in Giesing würden die Münchner noch in 100 Jahren profitieren
Das sieht auch die FDP im Münchner Stadtrat so. Die stellte gemeinsam mit der Bayernpartei den Antrag, den neuen Stadtplatz "unbedingt" zu prüfen. Auch Andreas Schuster, der Rad-Experte in der SPD-Fraktion, zeigt sich offen. Aus seiner Sicht lohnt es sich, die Idee genauer zu untersuchen. Auch wenn das bedeuten könnte, dass die Planer wieder bei Null anfangen müssten. Und auch, wenn seine eigene Idee dann im Papierkorb landen würde.
Schuster forderte bislang ebenfalls eine Brücke, aber eine die eine Y-Form hat und die nicht nur zum Giesinger Bräu, sondern auch zur Schule auf der anderen Seite reicht. Auf der Brücke soll man nicht nur sicher über die Straße kommen, sondern auch verweilen können, so ähnlich wie am Arnulfsteg. Doch ob das so gemütlich ist, wenn direkt unter einem die Autos durchrauschen? Clemens Marschner hat da Zweifel.