"Navis leiten Lastwagen zum Gärtnerplatz!"

Was schätzen Sie am Viertel?
In erster Linie ist es die Buntheit der Bevölkerung, die wir lieben, dieses Ambiente der Toleranz, diese Selbstverständlichkeit von Miteinander der verschiedensten Gruppen. Ein Viertel, wo Homosexualität nicht als exotisch wahrgenommen wird.
Und dann ist es natürlich die einmalige Lage: Nahe am Zentrum mit allen kulturellen und sonstigen Angeboten und trotzdem nah an der Natur mit der renaturierten Isar.
Wo kann man am besten entspannen?
Jeder entspannt anders. Für den einen ist es entspannend, am Viktualienmarkt beim Bier den Leuten zuzuschauen – auch vor der „Deutschen Eiche“ macht das Spaß - , andere legen sich in die Isarauen oder genießen die Stille im Alten Südfriedhof. Unser Badehaus in den Rückgebäuden bietet täglich Hunderten von Männern relaxte Stunden.
Wo gibt es Probleme?
Leider hören wir immer öfter von Rüpeleien gegenüber Schwulen und Lesben – und das durchaus auch von Heteros, denen man es eigentlich nicht zutraut.
Die hohe Nachfrage nach Wohnraum besonders in unserem Viertel führt zu steigenden Mieten. Langfristig werden die Rentner da nicht mithalten können.
Auch führen Sanierungen natürlich zu höheren Mieten. Wenn aber eine Wohnung kein Parkett, keinen Balkon etc. hat, dann ist sie auch nicht leicht zu vermieten, weil die Ansprüche sehr hoch sind.
Was ärgert Sie ganz konkret?
* Ich finde es unglaublich, dass einerseits der Gärtnerplatz eine auch touristische Attraktion der Stadt geworden ist, andererseits nirgends öffentliche Toiletten angeboten werden. Die Folge ist, dass „Wildbieseln“ in Hausgänge mit dem entsprechenden Gestank.
* Ein weiterer Punkt ist, dass durch die enge Reichenbachstraße immer wieder Lkw fahren, die von ihren Navigationssystemen zum Gärtnerplatz geleitet werden, statt durch die breitere Corneliusstraße. Das führt täglich zu Gehupe und Streit unter den Verkehrsteilnehmern.
Welches Vorurteil über das Viertel nervt Sie am meisten?
Das Gärtnerplatzviertel sei „kaputt saniert“! Fakt ist, dass sich das Viertel, wie andere auch, ständig verändert hat.
Früher gab es an Stelle der Patentämter große Kasernen, Europas größter Floßhafen war an der Ludwigsbrücke- unser Viertel war ein Rotlichtviertel, auch noch zur Zeit der Amerikaner (und übrigens auch im 2. Stock der „ Deutschen Eiche“!). Bis vor etwa 20 Jahren war das Viertel ein Mischgebiet- halb Handwerk, halb Wohnviertel. In den Rückgebäuden gab es Schreiner, Schlosser, Wäschereien etc.
Lärm und Gestank würde heute keiner mehr akzeptieren. Alle wollen gerne in Altbauwohnungen wohnen, aber keiner will mehr Ölkannen aus dem Keller hochschleppen.
Kurz: Die Ansprüche sind gestiegen. Und in den meisten Häusern gab es einen enormen Renovierungsstau. Die erhöhten Wärmeisolierungsvorschriften darf man auch nicht vergessen.
Was sind die wichtigsten Projekte der nächsten Jahre?
* Das Gelände von Rodenstock wird gerade bebaut. Man kann gespannt sein, wie es wird.
* Was aus dem ehemaligen, jetzt brach liegenden Schlachthofgelände wird.
* Die „Deutsche Eiche“ wird nächstes Jahr 150 Jahre alt. Da haben wir einiges vor, was ich aber noch nicht verraten will.
* Es gibt Überlegungen, die Reichenbachstraße ab Gärtnerplatz bis zum Viktualienmarkt – hier sammelt sich das gesamte Glockenbachviertel auf dem Weg zum Zentrum - ähnlich der Sendlinger Straße zu einer Fußgängerzone zu machen. Eine Einbahnstraßenlösung wäre nur eine halbe Lösung.
Und was muss verhindert werden?
Wir sind der Meinung, dass man durch flexiblere Bauplanungen und -genehmigungen die bedrohlicher werdende Gentrifizierung verhindern könnte.
Warum nicht großzügiger sein, wenn Dächer ausgebaut werden sollen, damit neue, sicherlich teure Wohnungen entstehen, wenn sich der Hausherr gleichzeitig verpflichtet, die Mieten der unteren Stockwerke für einen bestimmten Zeitraum nur nach Preisindex zu erhöhen, oder die Liftkosten nicht umzulegen oder Ähnliches.
Auf welche Veranstaltung im Stadtteil freuen Sie sich heuer am meisten?
Wie immer sind es die Straßenfeste und hier vor allem der Fasching vor unserem Haus und dann natürlich das Gärtnerplatzfest!
Jeder Ort hat einen „Schandfleck“. Welcher ist das in Ihrem Stadtteil?
Ich befürchte, der kommt erst: Leider wird das Eck an der Reichenbachbrücke, sozusagen das „Tor zum Viertel“ jetzt auch bebaut – bisher stehen dort noch alte Kastanien. Bald soll dort aber ein Haus stehen, das in meinen Augen dort nicht hinpasst. Es hätte ein Pendant werden müssen zum Haus gegenüber.
Angenommen, man dreht einen Film in Ihrem Stadtteil: Welches Genre und Thema würden am besten hierher passen? Und welche Schauspieler?
Es werden ja jetzt schon häufig Krimis gedreht, einmal mit einem Toten im Stadtbach. Udo Wachtveitl und Ivo Nemec passen da natürlich besonders gut.
Haben Sie drei Tipps für Neulinge im Viertel?
* Wir haben bei uns im Eingangsbereich der „Deutschen Eiche“ Vitrinen mit z.T. historischen Fotoaufnahmen ausgestellt und ein großes Luftbild. Hier dokumentieren wir nicht nur Stadtteilgeschichte, sondern auch die subkulturellen Wurzeln.
Ich selbst bin geprüfter Stadtführer und kenne mich in unserem Viertel sehr gut aus. Fragen Sie nach dem Wirt, wenn ich Zeit habe, kann ich viel Informatives erzählen, und von unserer Dachterrasse aus, hat man einen herrlichen 360 Grad- Blick über München und die Isarvorstadt.
* Lesen Sie das Stadtteilbuch „Isarvorstadt“ von Martin Arz, er führt auch durchs Viertel (googlen!) ebenso wie „stattreisen“!
* Das Kulturreferat hat einen „Geschichtspfad“ zum Viertel herausgegeben, mit dem Sie sich perfekt auf Entdeckungsreise durchs Viertel begeben können!