Nach der Schul-Pleite an der ISM: Polizisten vor dem Klassenzimmer

Nach der Pleite der privaten Realschule ISM sind Ermittler zur Durchsuchung der Schule ausgerückt. Und auch einige Eltern haben ein Verfahren am Hals - ein deutlich kleineres.
von  Nina Job
Wütend und fassungslos: Eltern, deren Kinder auf die ISM gingen, begegnen sich am Dienstag vor Gericht. Alle fordern Tausende Euro von der Schule zurück.
Wütend und fassungslos: Eltern, deren Kinder auf die ISM gingen, begegnen sich am Dienstag vor Gericht. Alle fordern Tausende Euro von der Schule zurück. © Foto: Daniel von Loeper

Trudering - Die Pleite der privaten Realschule "Innovative Schulen München" (ISM) zieht weitere Kreise. Nach AZ-Informationen sind Ermittler mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Schule erschienen. 

Eine Mutter: "Statt zu helfen, hetzen sie die Polizei auf uns"

Die ISM hat ihren Sitz und ihre Klassenräume in einem Geschäftshaus in Trudering. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Insolvenzverschleppung. Die Verantwortlichen der Schule sollen die geforderten Unterlagen freiwillig herausgegeben haben.

Prüftermin vor dem Vollstreckungsgericht

Offenbar stand es schon lange finanziell immer wieder extrem schlecht um die Schule - wenn nicht von Anfang an. Die Eltern der ISM-Schüler ahnten davon freilich nichts. Eine Kontrolle gab es trotz staatlicher Genehmigung nicht.

Nach dem Gerichtstermin: Die Eltern beraten sich.
Nach dem Gerichtstermin: Die Eltern beraten sich. © Foto: Daniel von Loeper

Schon kurz nach der Gründung vor knapp vier Jahren sei die Schule permanent von Insolvenz bedroht gewesen, berichtete ein Schul-Insider der AZ. Als im Mai nun tatsächlich ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, waren allein an Mietschulden rund 150.000 Euro aufgelaufen. Bereits 2021 soll die Schule zahlungsunfähig gewesen sein. Aber erst im Januar 2022 schlug eine Krankenkasse Alarm: Denn die Sozialabgaben für die Lehrer waren nicht bezahlt worden.

Am Dienstag fand vor dem Vollstreckungsgericht in der Infanteriestraße ein sogenannter Prüftermin statt. Viele Eltern, deren Kinder bis vor kurzem die Privatschule besucht hatten, trafen sich dort wieder. "Die ISM schuldet uns allen Tausende Euro", sagte eine Mutter. Im Saal 101 wurden die angemeldeten Forderungen mündlich geprüft.

Der finanzielle Schaden ist aber nur ein Teilaspekt. Einige Schüler standen unmittelbar vor ihrem Realschulabschluss - und wissen nun nicht, wie es weitergeht. Die meisten Kinder haben die Privatschule inzwischen verlassen. Auch Lehrer sind weg. Die Noch-Schulleiterin hat sich woanders beworben, wie sie auf ihrem Instagram-Profil mitteilte. Derweil versuchen die Verantwortlichen der ISM, die Schule mit dem mittlerweile dritten Insolvenzplan doch noch zu retten.

Eltern macht Insolvenz  der Privatschule zu schaffen

Die Insolvenz der Schule und die damit verbundene Unsicherheit macht Eltern und Kindern schwer zu schaffen. "Meine Tochter hat Schuldgefühle. Sie meint, wenn sie es auf einer normalen Schule geschafft hätte, wäre uns viel erspart geblieben", berichtet eine Mutter.

Eine andere Mutter berichtet, ihre Tochter sei in Therapie. Und eine dritte wirft dem Schulgründer vor, die Eltern getäuscht zu haben. "Stefan Ostermaier hat eine große Überzeugungskraft. Aber heute fragt man sich, ob er so blauäugig in finanziellen Dingen war - oder ob er sich mit der Schule finanziell gesundstoßen wollte. Er hat ja schon eine Firmenpleite hingelegt."

An der Schule gab es "Glück" als Unterrichtsfach

Die Eltern dachten, sie würden das Beste tun für ihre Kinder: Eine Schule, die mit einem etwas anderen Konzept den Schulstoff vermittelt, Lehrer, die sich in Klassen mit maximal 20 Schülern mehr Zeit nehmen können für den Einzelnen. Eine Schule, an der es sogar ein Unterrichtsfach Glück gibt. "Wir sind keine Bonzen", betont eine Mutter. "Ich habe das zum Wohle meines Kindes gemacht."

So teuer war die Realschule ISM 

Für dieses etwas andere Schulkonzept mussten die Eltern viel Geld hinblättern: Ein je nach Einkommen gestaffeltes Schulgeld von 100 bis 635 Euro, ein Schuldarlehen von 6.000 Euro, das später zurückgezahlt werden sollte sowie ein "Schulgeldvorschuss" von rund 2.500 Euro. Und schließlich noch 120 Euro Essensgeld im Monat. Vom Darlehen und dem Vorschuss haben die Eltern bis heute nichts zurückerhalten.

Behörden-Ärger für Eltern: Verstoß gegen die Schulpflicht

Ein paar Eltern haben nun auch noch Ärger mit den Behörden. "Statt uns zu helfen, hat uns die Regierung von Oberbayern die Polizei auf den Hals gehetzt", berichtet eine Mutter, gegen die ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist. Der Vorwurf: Verstoß gegen die Schulpflicht.

Neun ehemalige ISM-Schüler besuchen derzeit ein privates Schulinstitut. "Für uns gab es keine Alternative. Wir haben 20 Schulen abtelefoniert. Weder eine staatliche, noch eine private Realschule hatte Platz", versichert die Mutter. "Uns hat niemand geholfen." Stattdessen sei sowohl in dem Institut als auch bei dessen Schülern mehrmals die Polizei aufgetaucht, um sie zu befragen.

Problem: Für Jugendliche, die noch keine neun Jahre Schule absolviert haben, erfüllt diese Institution nicht die Kriterien der Schulpflicht.

Das Kultusministerium wiederum sagt, hätten sich die Eltern wie aufgefordert an den zuständigen Ministerialbeauftragten gewandt, hätte man auch diese Schüler im laufenden Schuljahr an regulären Schulen unterbringen können. Die Eltern widersprechen: Genau das hätten sie getan.

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