Münchner Stadtteil Lehel: Polizisten fesseln 79-jährigen Professor

München - Bei einem Polizeieinsatz in der Widenmayerstraße im Lehel ist am Sonntag ein fast 80-jähriger Mann von Polizisten zu Boden gebracht, mit Handschellen gefesselt und abgeführt worden.
War das Vorgehen verhältnismäßig? Die Polizei begründet es damit, dass der 79-Jährige sich geweigert habe, sich auszuweisen und es zu "Widerstandshandlungen" gekommen sei. (Lesen Sie hier die News nach Schilderung der Polizei)
Eine Nachbarin sagt: "Das war wie ein Terroreinsatz"
Die AZ sprach mit dem Mann. Der Musik-Professor schildert den Einsatz völlig anders. "Ich habe einem Nachbarn geholfen und plötzlich bin ich ein Täter. Die Polizeibeamten sind übers Ziel hinausgeschossen!"
Die Widenmayerstraße zwischen Maximilianstraße und Max-Joseph-Brücke ist eine feine Adresse. Die Häuser sind als denkmalgeschütztes Ensemble in die Bayerische Denkmalliste eingetragen. In den Hauseingängen empfangen den Besucher Marmorböden und gebohnertes Eichenparkett, hier und dort auch Löwenstatuen und großformatige Ölgemälde an den hohen Wänden. Kanzleien, Vermögensgesellschaften und Filmproduktionen haben an dieser Adresse ihren Sitz.
Nur in wenigen der Häuser gibt es noch eine solch alteingesessene Mietergemeinschaft wie in dem Haus, in dem ein Maler und Bildhauer sowie der Musik-Professor und dessen Frau leben. "Wir leben alle schon Jahrzehnte hier, jeder schaut nach dem anderen", erzählt eine 76-Jährige. Der Polizeieinsatz am ersten Wiesn-Sonntag hat auch bei ihr einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. "Das war wie ein Terroreinsatz", meint die Frau.
Der Professor: "Ich wusste überhaupt nicht, was los ist"
Was war passiert? Am Sonntag hatten der Musikprofessor und seine Frau Freunde zum Trachtenumzug eingeladen. "Das machen wir jedes Jahr so. Ich hatte schön gekocht", berichtet die Ehefrau. Unter den Gästen war auch der Maler-Freund (73) aus dem Haus. Wenige Stunden, nachdem die letzten Gäste gegangen waren, rutschte der 73-Jährige in seinem Badezimmer im zweiten Stock aus.
"Ich bin auf den Kopf gefallen, blutete stark. An mehr erinnere ich mich nicht", berichtete er der AZ. Der Künstler konnte noch selbst einen Notarzt rufen.
Auch die Nachbarn waren sofort zur Stelle. Der Professor: "Wir haben den Schlüssel zu seiner Wohnung, ich habe ihn der Nachbarin gegeben, damit sie den Rettungskräften aufschließen konnte." Dann ging auch er nach oben, um zu helfen. "Der Hund bellte wie verrückt, ich habe ihn in ein Zimmer gesperrt, damit er nicht wegläuft. Plötzlich kamen 12 bis 14 Polizisten in Montur hereingestürmt. Die wollten einen Identitätsnachweis, aber ich hatte keinen. Ich wohne ja im Haus!"
Er habe "absolut nichts gemacht", sagt der 79-Jährige. "Ich wusste überhaupt nicht, was los ist!" Die Polizei stellt es so dar: Die Lage sei zunächst unklar gewesen. Auch soll der 79-Jährige handgreiflich geworden sein.
Unbestritten ist: Die Polizisten überwältigten den weißhaarigen, fast 80-jährigen Mann und fesselten ihm mit Handschellen die Hände auf den Rücken. "Ich lag etwa 20 Minuten gefesselt am Boden. Ich wundere mich schon sehr über so eine Vorgehensweise gegen einen alten Herrn!" Der Musiker weiter: "Ich erwarte eine Entschuldigung!"