Münchens größtes Graffiti

Isarvorstadt - Wenn plötzlich an der Hauswand ein großformatiges Graffito prangt, wird Kunstbestreben im öffentlichen Raum zuweilen als Schmiererei oder Vandalismus verteufelt. Damit der Konflikt zwischen Eigentümer und Künstler umgangen wird, hat die Stadt nun den Viehhof zur „besprühbaren Zone“ erklärt.
Seit 1. April arbeitet David Kammerer, 48 Jahre alt und in der Szene besser unter seinem Pseudonym Cemnoz bekannt, bei der Stadtverwaltung. Unter dem etwas sperrigen Titel „Sachbearbeiter für Streetart und Graffiti“ soll er sich um die Regulierung einer einst anarchischen Kunstform kümmern. Seine erste größere Amtshandlung: die Öffnung des Viehhofes für Street-Artisten.
Auf 1200 Quadratmetern dürfen am Wochenende 20 Sprüh-Profis die Wände im Inneren des städtischen Geländes ganz legal bemalen. Die Aktion steht unter dem Motto „Deadline“ und wird von einem Festival begleitet. Dort kann den Künstlern bei Livemusik und Biergarten-Atmosphäre bis Sonntag 17.05 Uhr und 15 Sekunden über die Schulter geschaut werden. Kernstück von Münchens größtem urbanen Kunstwerk wird eine 150 Meter lange und acht Meter hohe Wand sein. „Das ist Zwischennutzung mal anders, einfach für die Kunst“, sagt Kommunalreferent Axel Markwardt.
Der Impuls für das Festival kam aus dem Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. International renommierte Sprayer, wie die Münchner Loomit und Satone oder 44 Flavors aus Berlin, hat das Künstler-Kollektiv Graphism organisiert. Bleiben sollen die Bilder, bis die alten Gebäude des Viehhofs im Zuge des Neubaus für das Volkstheater abgerissen werden.
Für Münchens Sprayer-Szene könnte das Graffiti-Projekt wegweisend sein, kämpfen sie doch seit Jahren für mehr besprühbare Flächen. Schließlich hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, dass das Sprayen längst keine Subkultur mehr ist. Öfter macht zum Beispiel die Bundespolizei Jagd auf Graffiti-Künstler – mithilfe von Hubschraubern. Da am Wochenende ausschließlich professionelle Sprayer an die Wände dürfen, bleibt zu hoffen, dass auch die Hobby-Künstler in Zukunft ein Platz in der Stadt finden.