München-Riem musste jahrelang drum kämpfen: Nun konnte endlich die Eröffnung gefeiert werden

Obwohl in der Messestadt Riem in München besonders viele Kinder leben, hatten sie keinen Arzt. Das ist seit Kurzem anders. Dafür ist ein kompliziertes Konstrukt notwendig.
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Mathias Wendeborn hat nach über 20 Jahren seine eigene Praxis in Gern aufgeben und arbeitet jetzt als Kinderarzt in der Messestadt Riem.
Mathias Wendeborn hat nach über 20 Jahren seine eigene Praxis in Gern aufgeben und arbeitet jetzt als Kinderarzt in der Messestadt Riem. © Sigi Müller

Riem - Noch sieht alles so neu aus, als hätte noch nie ein Arzt mit den Marienkäfer-Pflastern eine Wunde versorgt und als hätte sich noch nie ein Kind an den Stoffhäschen ausgeweint. Tatsächlich steht alles erst seit ein paar Monaten so da. Im April ging der Betrieb in der neuen Kinderarztpraxis in Riem an der Werner-Eckert-Straße 10 los. Diesen Donnerstagnachmittag wurde die Praxis offiziell von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und dem Chef der städtischen Krankenhäuser Tim Gunderjahn eröffnet.

Was ist an einer neuen Kinderarztpraxis so besonders, dass die Einweihung der OB persönlich übernehmen muss? Tatsächlich musste die Stadt jahrelang dafür kämpfen. Denn zwar leben in der Messestadt Riem 4.600 Kinder und Jugendliche. Das Viertel zählt damit zu jenen mit den meisten Kindern in München. Aber es gab bislang keinen Kinderarzt dort.

Hier nehmen die medizinischen Fachangestellten Tülin Varisli und Andrea Valdes die Patienten in Empfang.
Hier nehmen die medizinischen Fachangestellten Tülin Varisli und Andrea Valdes die Patienten in Empfang. © Sigi Müller

Wie viele Kinderärzte es in München geben darf, ist streng geregelt

Allerdings hätte auch nicht so einfach ein Arzt eine neue Praxis in der Messestadt aufmachen können. Denn wie viele Kinderärzte es in München geben darf, ist streng geregelt. Das bestimmt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Und die stellte für München keinen Mangel an Kinderärzten fest. Nur hatten die sich alle in anderen Vierteln niedergelassen.

"Durchschnittlich gibt es genug Kinderärzte – über so eine Auskunft hätte ich mich richtig gefreut, wenn ich mit meinem kranken Kind durch die ganze Stadt fahren muss", sagte Reiter, selbst Vater von drei Kindern, und meinte es freilich ironisch.

Viele Kinder haben in diesen Räumen noch nicht auf ihren Termin gewartet. Erst seit April läuft der Betrieb in der neuen Kindarztpraxis in Riem.
Viele Kinder haben in diesen Räumen noch nicht auf ihren Termin gewartet. Erst seit April läuft der Betrieb in der neuen Kindarztpraxis in Riem. © Sigi Müller

Für das Rathaus bedeutete das, dass es sich einen Kniff einfallen lassen musste. Und wenn man den Gästen bei der Einweihung glauben darf, war es vor allem Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD), die die Lösung fand: Die München Klinik, also die Gesellschaft der städtischen Krankenhäuser, betreibt die Praxis.

Denn tatsächlich hat die München Klinik nicht nur mit Krankenhaus-Medizin Erfahrung. Zu ihr gehört auch das MediCenter, das in Bogenhausen und Harlaching Erwachsene ambulant versorgt. Die Kinderarztpraxis ist eine weitere Filiale des MediCenters. Der Arzt ist also angestellt und musste dafür seine Praxis aufgeben, hat aber kein finanzielles Risiko.

Kinderarzt in der Messestadt Riem: Mathias Wendeborn hatte zuvor eine eigene Praxis in Gern

Auf dieses Konstrukt hat sich Mathias Wendeborn eingelassen. Er betrieb über 20 Jahre lang eine Praxis in Gern. "So langsam", sagt der 64-Jährige, "spricht es sich herum, dass wir hier sind." Am Anfang seien Patienten aus Gern extra nach Riem gekommen. Voll ausgelastet sei die Praxis noch nicht, sagt Wendeborn. Aber das sei auch gar nicht schlecht – schließlich müsse sich das Team erst einarbeiten.

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Einen weiteren Grund, warum sich bisher noch kein Arzt fand, der seine Praxis in die Messestadt verlegen wollte, während sich gleichzeitig die Kinderärzte in der Innenstadt ballen, erklärt Wendeborn so: Ärzte sind darauf angewiesen, dass ein bestimmter Prozentsatz an Kassenpatienten zu ihnen kommt.

Denn bei ihnen kann der Arzt nicht nur einmal im Quartal, sondern nach jedem Besuch abrechnen. Ansonsten müssen sie, um die teuren Praxis-Mieten bezahlen zu können, möglichst viele Patienten behandeln. "Zuwendung wird vom System nicht finanziert", sagt Wendeborn. Deshalb waren Spenden notwendig, um den Betrieb der Praxis zu garantieren, etwa von der Stiftung Lichtblick.


Terminvereinbarungen unter 089/55 05 21 00.

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12 Kommentare
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  • Dimpfe am 07.10.2023 07:12 Uhr / Bewertung:

    "Ärzte sind darauf angewiesen, dass ein bestimmter Prozentsatz an Kassenpatienten zu ihnen kommt." - falsch. Die Ärzte brauchen PRIVATpatienten, denn damit können sie höhere Behandlungssätze abrechnen.

    Riem ist aber sehr "sozial-lastig" und es gibt daher wohl eher weniger Menschen, die privatversichert sind.

  • Gisi2020 am 06.10.2023 22:27 Uhr / Bewertung:

    Das verstehe ich jetzt nicht so ganz, wenn er in Gern eine Kinderarzt-Praxis schließt, dann sollte es doch kein Problem sein, in Riem zu öffnen. denn die Anzahl der Ärzte bleibt ja gleich, und sie werden ja München-weit gezählt. - oder auf Stadtteil-Basis?
    Und eventuelle Verluste werden jetzt über die MK finanziert.

  • am 06.10.2023 19:45 Uhr / Bewertung:

    „Ärzte wissen fast alles über Krankheit aber wenig über Gesundheit.“

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