München: Angst vor Enteignung - Blutdruck der Landwirte steigt

Angst vor Enteignung - Pläne für ein großes Neubaugebiet im Norden von München sorgen bei den Landwirten weiter für Protest. Einer musste seinen Betrieb einstellen.
von  Florian Zick
Die Landwirte in Feldmoching bangen um ihre Existenz. Der Grund: eine Entwicklungsmaßnahme der Stadt.
Die Landwirte in Feldmoching bangen um ihre Existenz. Der Grund: eine Entwicklungsmaßnahme der Stadt. © Petra Schramek

Feldmoching - Es sind zwar nur drei Buchstaben: SEM. Aber bei den Landwirten rund um Feldmoching steigt der Blutdruck, wenn sie dieses Kürzel hören.

SEM steht für Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Vor ziemlich genau einem Jahr hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) für eine rund 900 Hektar große Fläche zwischen Fasaneriesee und A 99 eine solche Maßnahme angekündigt. Seitdem ist in der sonst eher beschaulichen Gegend die Aufregung groß.

Die SEM ist ein Planungsinstrument. Bei Feldmoching könnte irgendwann einmal ein Neubauviertel entstehen, wie es gerade in Freiham hochgezogen wird. Mit Reiters Ankündigung wurden im betroffenen Gebiet deshalb die Grundstückspreise eingefroren. Das soll es der Stadt später erleichtern, unbebaute Grundstücke zu erwerben und in Bauland zu verwandeln.

Bei den Landwirten in Feldmoching kam dieser Schritt jedoch gar nicht gut an. Dort hat man es als unfreundlichen Akt verstanden, dass ihnen die Stadt, statt mit ihnen zu verhandeln, einfach ein solches Planungsmonstrum übergestülpt hat - samt immanenter Drohung der Enteignung. Etwa 200 aufgebrachte Grundstückseigentümer haben sich deshalb zu der Initiative "Heimatboden" zusammengetan und wettern seitdem gegen die Stadt.

Eingefrorene Grundstückspreise locken Spekulanten an

Gestern haben die Heimatboden-Aktivisten nun eine neue Offensive gegen die SEM angekündigt. In den nächsten Tagen soll OB Reiter ein Offener Brief zugehen. Die Regierung von Oberbayern hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Gutachterausschuss der Stadt erhalten. Und es gibt die per Petition an den Landtag gerichtete Bitte, der Stadtverwaltung in München einmal ordentlich auf die Finger zu klopfen.

Bei all diesen Protestnoten geht es im Kern um den immergleichen Punkt: die eingefrorenen Grundstückspreise. Statt Spekulanten fernzuhalten, habe die SEM die Bodenspekulation erst so richtig in Gang gebracht, sagt Martin Zech, einer der betroffenen Landwirte. Denn natürlich: Sobald die Aussicht bestehe, dass ein Acker irgendwann zu Bauland wird, locke das Interessenten an.

Ein erstes Opfer gebe es in dem großen Durcheinander schon, sagt Zech. Sein Kollege Andreas Grünwald habe zum Jahreswechsel die Milchvieh-Haltung aufgegeben. Grünwald habe für seine Kühe keine Weidefläche mehr gefunden. Niemand wolle seine Wiese mehr länger als für ein Jahr verpachten, so Zech. Zu groß sei die Angst, dann die Weiterentwicklung der Flächen zu behindern.

Die Stadt lässt sich Zeit

Die Initiative Heimatboden fordert deshalb ein neutrales Agrargutachten. Dieses soll den Verkehrswert der landwirtschaftlichen Flächen ermitteln. Den Zahlen der Stadt trauen die Landwirte nicht mehr. Kein Wunder, findet Josef Glasl, der Sprecher der Initiative. So wie die Stadt vorgegangen sei: Das könne bei den Grundeigentümern nur eine Blockade auslösen.

Bei der Stadt hat man es mit dem Thema SEM indes nicht eilig. In der Regel dauert es sechs bis neun Monate, bis nach der Ankündigung einer solchen Entwicklungsmaßnahme der Stadtrat befasst wird. Im Fall von Feldmoching hat sich auch ein Jahr später nichts getan.

"Es fehlt das politische Signal", sagt ein Sprecher des Planungsreferats. Heißt: SEM - auch bei den Fraktionen im Stadtrat ist man sich unschlüssig, wie man mit diesen verflixten drei Buchstaben umgehen soll.

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