Mieter in Angst: Heimag-Siedlung vor dem Abriss?
Am Mittwoch große Debatte im Stadtrat. Die alarmierten OB-Kandidaten wollen die Häuser erhalten.
Harlaching - Die Mieter der Heimag-Wohnungen an der Säbener Straße sind in heller Aufregung: Sie fürchten, dass ihre Wohnungen aus den 50er Jahren abgerissen werden. Am Mittwoch ist das Reiz-Thema im Stadtrat.
Der Stadtrat, OB Christian Ude und die Aufsichtsräte der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag (der seit 2007 70 Prozent der Heimag gehören) erfuhren von den möglichen Abrissplänen aus der Zeitung. Dabei ist das Problem von Anfang an mangelhaft gemanagt worden.
Die Gewofag hat im Jahre 2011 die alte Wohnanlage zwischen der Säbener- und Ehlersstraße im Harlachinger Süden untersuchen lassen. Deren knallhartes Fazit für die Häuser aus dem Jahre 1955: Es zeigten sich „grundsätzliche Schwächen in der Gebäudestruktur und im Bautyp Nachkriegsbauten einfacher Bauart“. Die Gebäude seien nicht barrierefrei und auch „nicht alten-, behinderten- und familiengerecht“. Es gebe keine Aufzüge und keine „ausreichende Wärmedämmung“. Spätestens 2025 sei Schluss – dann Ende die Nutzungsdauer.
Dieses interne Gutacten machte schnell die die Runde, und es hieß bald: die Gebäude blieben nur noch bis zum Ende de Jahrzehnts stehen. Dieser Zeithorizont wurde von der Gewofag selbst genannt.
Ein neues Gutachten aus dem Jahre 2012 stellte dann fest: Die Häuser sind in in einem besseren Zustand, als das erste Gutachten unterstellte. „Ein unmittelbarer Handlungsbedarf konnte bei einer erneuten Prüfung Ende Juli 2012 nicht festgestellt werden“, wie es in einer Vorlage für den Stadtrat am Mittwoch heißt. Jetzt soll „nach 2015“ eine „vertiefende Untersuchung“ gemacht werden. Aber auch in der Stadtratsvorlage heißt es jetzt lapidar nur: „In jedem Fall bleiben die Wohngebäude Ehlersstraße 2-22 und Säbener Straße 179-193 bis zum Ende dieses Jahrzehnts stehen.“ Eine Nicht-Abriss-Garantie ist das nicht.
Die Anwohner bleiben äußerst skeptisch, wie sie in einem Mieter-Info vom Wochenende ausdrücken. Es beruhigt sie auch nicht, dass die Gewofag zusagt: Sie werde zwei Jahre vor dem Auszug mit den Mietern reden und ihnen „möglichst im gleichen Stadtviertel“ eine neue Wohnung anbieten. Bei einer Podiumsdiskussion mit den vier großen OB-Kandidaten Dieter Reiter (SPD), Josef Schmid (CSU), Sabine Nallinger (Grüne) und Michael Mattar (FDP) waren alle vier dafür, die Gebäude zu erhalten.
OB Ude versucht abzuwiegeln. Den Mietern schrieb er: „In Wahrheit gab es hier nicht zu wenig Transparenz, sondern tatsächlich zu viel. Überlegungen, die noch nicht einmal spruchreif waren, gelangten in eine öffentliche Sitzung und mussten die Mieter als vermeintliche Mitteilung vollendeter Tatsachen verunsichern und verängstigen. Dafür kann ich mich als Aufsichtsratsvorsitzender der Muttergesellschaft Gewofag, der mit dem Projekt noch in keiner Weise befasst worden ist, nur entschuldigen.“
In einer Pressemittelung der "Mietergemeinschaft Harlaching" vom Wochenende heisst es:
"Sehr geehrte Mieterinnen und Mieter, wir Freude uns, dass Sie so zahlreich zur Podiumsdiskussion erschienen sind. Es war ein erfolgreicher Abend mit deutlichen Worten in einem vollen Saal. Wir bedanken uns bei den OB-Kandidaten für ihre Teilnahme, bei Gabriel Wirth für die Moderation, beim Pfarrgemeinderat für den Saal und bei den Besuchern für die Geldspenden. Mit Einverständnis aller Anwesenden konnten wir einen Mitschnitt von der Veranstaltung machen. Vor der Diskussion gab es einen Rundgang durch die Wohnanlage.
Sabine Nallinger, die OB-Kandidatin der GRÜNEN, war sichtlich beeindruckt: „Ich bin eine Stunde mit Herrn Erhardt durch die Siedlung gelaufen. Mein erster Eindruck war, dass es sich um eine Wohnanlage handelt, die noch in einem sehr guten Zustand ist. Weil wir Ihnen die Angst nehmen wollen, die Angst davor, dass Sie eventuell schon bald Ihre Wohnungen verlassen müssen, das ist der Grund, warum wir uns hier eingefunden haben, um ganz klar zu sagen, dass Ihre Siedlung so wunderschön ist, dass Sie bestimmt noch viele, viele Jahre drin wohnen können. Ich würde davon ausgehen, dass die Wohnanlage noch einige Jahrzehnte bestehen bleiben kann“.
Dieter Reiter, der OB-Kandidat der SPD, sieht ebenfalls keinen Grund für einen Abriss: „ Ich war auch bei dem Spaziergang dabei, wenn man da durchgeht, denkt man, da gibt es nichts zum Abreißen. Wenn hier was zu tun ist, dann gilt auf jeden Fall die Prämisse, dass Sanierung vor Abriss kommen muss. Abreißen, das halte ich für total wahnsinnig. Soweit ist es immer gut, wenn man sich vor Ort ein Bild macht und sich die Sachen direkt anschaut“.
Josef Schmid, OB-Kandidat der CSU, der auf Grund eines Verkehrsstaus erst kurz vor Ende des Rundgangs eintreffen konnte, erklärte im Hinblick auf die Stadtratssitzung am 17. Juli: „In der Beschlussvorlage steht drin, dass die Gebäude auf jeden Fall bis zum Ende des Jahrzehnts erhalten bleiben. Das Jahrzehnt ist aber bald aus, in 7 Jahren vorbei, und wir werden deshalb wieder den Antrag stellen in der Stadtratssitzung, dass wir dauerhaft den Bestand erhalten wollen und dann schauen wir mal, ob wir da eine Mehrheit kriegen“
Michael Mattar, OB-Kandidat der FDP, hat sich die Siedlung schon an einem Sonntag im Juni angesehen und sagte dazu in der Podiumsdiskussion: „Danach habe ich ein völliges Unverständnis dafür, dass man so eine Überlegung machen kann, dass man sagt, man reißt die Siedlung ab. Eine Bestandsgarantie nur bis zum Ende des Jahrzehnts zu geben, ist natürlich völlig unsinnig. Ich werde für die FDP sehr gerne dem Antrag der CSU zustimmen, dass wir den Bestand der Wohnanlage langfristig sichern“
HEIMAG-Siedlung am 17. Juli Thema im Stadtrat
Der 17. Juli ist für die Mieterinnen und Mieter der Harlachinger Siedlung ein denkwürdiger Tag. Am 17. Juli 2012 wurden die Abrisspläne der HEIMAG dem Bezirksausschuss 18, also dem zuständigen Stadtteilparlament, vorgestellt. Und auf den Tag genau ein Jahr später wird sich der Stadtrat mit der Zukunft der HEIMAG-Siedlung befassen. Das ist Zufall, aber es erinnert uns daran, dass die Abrissbirne schon seit einem Jahr über unseren Wohnungen schwebt. Wir hoffen, dass dieser Zustand bald beendet wird.
Die Sitzung am 17. Juli ist öffentlich und beginnt um 9.30 Uhr im Großen Sitzungssaal des Rathauses.
Dem Stadtplanungsausschuss liegen drei Anträge vor Unser Antrag (Empfehlung) aus der Bürgerversammlung vom 08.11.2012, in dem wir an den Stadtrat appellieren, dass er die HEIMAG auffordert, von den Plänen zum Abriss der Wohnanlage dauerhaft Abstand zu nehmen. Und in dem wir gleichzeitig die HEIMAG auffordern, die Unterlagen offenzulegen, die ihr als Grundlage für die Abrisspläne dienen. Der Antrag der CSU-Stadtratsfraktion, den die Stadträte Babor und Pretzl eingebracht haben und der ebenfalls darauf abzielt, einen Abriss der Siedlung zu verhindern. Der Antrag vom Bezirksausschuss 18, der in die gleiche Richtung geht und in dem auch konkrete Fragen zu den Abrissplänen und zu den Untersuchungen der Bausubstanz gestellt werden.
Laut bisherigen Aussagen der GEWOFAG gibt es keine Gutachten. Schon in der ersten Vorlage sprach sich das Referat gegen unseren Antrag aus. Diese Vorlage, die dem Bezirksausschuss zur Stellungnahme zuging, wurde von diesem mit den Stimmen aller Fraktionen abgelehnt. Die neue Beschlussvorlage stellt eine Verschärfung dar, zumal sie eine Untersuchung der GEWOFAG präsentiert, von der bisher nicht die Rede war. Danach hat eine Fachfirma, deren Namen nicht genannt wird, im Jahr 2011 erhebliche „Schwächen“ in der Gebäudestruktur festgestellt. Die Restnutzungsdauer reiche gegebenenfalls noch bis in das Jahr 2025.
Herbert Erhardt, Hermann Gilbhard, Rudolf Auer, Brigitte Bleck, Renate Cullmann, Klaus Götz und Hans-Jürgen Kiel."
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