Lovelace: Streit um Stadtteil-Kultur

Im schicken Hotel Lovelace veranstalten junge Leute einen Klassikabend. Dafür wollen sie Förderung vom Bezirk – doch die Stadtviertelpolitik sträubt sich.
von  Eva von Steinburg
Damals wurde noch gewerkelt, inzwischen ist das Projekt fertig.
Damals wurde noch gewerkelt, inzwischen ist das Projekt fertig. © Baronikians

Altstadt - Das englische Wort "Lovelace" bedeutet so viel wie "Wüstling" oder "zügelloser Mensch". Für Münchens junge Kulturschaffende ist das neue "The Lovelace" in der Kardinal-Faulhaber-Straße der vielleicht spannendste Ort der Stadt. Erst seit zwei Monaten wird der Prunkbau der früheren Bayerischen Staatsbank, dann der Hypo-Vereinsbank, als Pop-up-Hotel zwischengenutzt – für zwei Jahre.

Unter der imposanten Glaskuppel befinden sich ein besonderes Hotel, Bars und Restaurants und auch ein Barbier-Laden für die perfekte Rasur (AZ berichtete). Der statische Münchner Banken-Klotz strotzt plötzlich vor Inspiration, Musik und Leben: Live-Musik, Theater oder Tanz.

Hidalgo mit ungewöhnlichem Projekt

Klassische Musik trifft Schwarzlicht-Ästhetik: Für seine ungewöhnliche Klang-Installation "Orplid" (Freitag, um 20.30 Uhr) hat der junge Münchner Kulturverein "Hidalgo" gerade 4.000 Euro Zuschuss beim Bezirksausschuss Altstadt-Lehel beantragt.
"Ein preisgekrönter Bariton und eine Bühnenbildnerin der Bayerischen Staatsoper sind dabei", erklärt Sänger und Hidalgo-Vorsitzender Tom Wilmersdörffer (27).

Über seinen Antrag auf Kultur-Förderung über das BA-Budget gibt es aber bei der Sitzung des Stadtviertelparlaments Altstadt-Lehel heftig Streit: Markus Stadler (Grüne) vom Unterausschuss Kultur schlägt vor, die ultramoderne Musik-Präsentation der ehrenamtlichen Hidalgo-Truppe, zum Teil Studenten, in voller Höhe zu bezuschussen – als "wertige Inszenierung" in der temporären Location. Aber damit kommt er nicht durch.

CSU hat kein Verständnis für die Aktion

Die CSU im BA grätscht ihm grob dazwischen. Die Summe ist den Schwarzen zu hoch. Die Lovelace-Location in der Altstadt bietet den konservativen BA-Mitgliedern zu wenig Stadtviertelbezug: "Die Veranstaltung ist für ein gehobenes Publikum. Hier sollen wohl Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden", schimpft Markus Hundemer von der CSU: "Es kann nicht Aufgabe des BA 1 sein, dieses Projekt mitzufinanzieren." Grüne und SPD halten das eintägige Musikprojekt eines jungen Vereins dagegen für förderungswürdig. Sie sind vor den Kopf gestoßen. Wolfgang Püschel (SPD) widerspricht: "Diese junge Gruppe ist kein Unternehmen. Für mich ist es nicht stichhaltig, die Unterstützung abzulehnen."

Befremdlich für Bürger, die als Zuhörer in der Sitzung saßen: Obwohl drei junge Mitglieder des Hidalgo-Vereins anwesend sind, bietet man ihnen keine Möglichkeit, sich zu erklären und vor dem Plenum kurz für ihr musikalisches Kunstprojekt zu werben.
Dabei soll sich die Hotel-Lobby in eine entrückte, fluoreszierende Traumwelt verwandeln. Das Publikum muss bei der Veranstaltung dunkel angezogen sein, damit das Schwarzlicht richtig wirkt. "So sollte man nicht mit Leuten umgehen, aber es ist passiert. Ich finde das auch befremdlich", bedauert Jürgen-Peter Pinck von der SPD.

Bei der allgemeinen Abstimmung im BA lehnt die Mehrheit die Finanzspritze ab. Die jungen, wilden "Orplid"-Macher stellen nun ihren Antrag auf Zuschuss neu – in einer geringeren Höhe. Philipp Nowotny (28) vom Verein: "Das Lovelace ist auf hippen Zeitgeist gepolt. Schade, dass der Bezirksausschuss unseren Antrag abgelehnt hat. Aber wir haben eine neue Chance im BA – und suchen Sponsoren."

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