Lehel: So schaut es in 15 Jahren aus

Wie verändern 230 000 Neubürger bis 2030 Münchens Stadtviertel? In Teil 1 der AZ-Serie stellen wir die Prognose für den Bezirk Altstadt-Lehel vor.
So richtig vorstellen kann man sich das noch nicht: Kinder auf den Straßen, die diverse Sprachen sprechen. Teenies, die zwischen den schicken Gründerzeithäusern auf Parkbänken abhängen. Jede Menge junge Leute Anfang 20, die studieren oder (lukrativen) Jobs nachgehen. Und kaum noch sehr Alte – im Lehel?
Und doch: Ungefähr so soll es in Jahr 2030 im noblen Stadtbezirk Altstadt-Lehel ausschauen, prognostiziert der neuste Demographie-Bericht der Stadt. Kinderreicher, jünger, weiblicher und multikultureller soll das Viertel dann sein. Aber kaum dichter bewohnt als heute – weil für Neubauten zwischen Hackenviertel und Hofgarten schlicht kein Platz mehr ist.
21 379 Menschen lebten Ende 2013 hier. 21 961 sollen es noch werden (plus 2,7 Prozent). Vor allem der Anteil der jungen Erwachsenen, der jüngeren Best Ager und der Bewohner mit ausländischen Wurzeln wird steigen, glauben die Stadtplaner. Weil es für viele Familien immer erstrebenswerter wird, nahe des Jobs im urbanen Zentrum zu leben, anstatt weit draußen im Grünen.
Noch gelingt das vor allem denen, die im Viertel noch alte und deshalb günstige Mietverträge haben: „An die 20 Prozent der Wohnungen in unserem Stadtbezirk gehören noch alten Vermietern, die ihren Bewohnern keine Wuchermieten zumuten“, berichtet Wolfgang Neumer, der seit 25 Jahren im Viertel lebt, seit zwölf Jahren im örtlichen Bezirksausschuss (BA) sitzt, seit 2014 als Vorsitzender. „Das sind noch viele Dreizimmer-Wohnungen für 1000 Euro Miete. Das Schöne daran ist: Ob hier Leute reich sind oder arm, fällt nicht groß auf, man lebt halt nett nebeneinander, in einer gesunden Mischung aus allen sozialen Schichten.“
Was aber, wenn diese Häuser demnächst von jungen Erbengemeinschaften übernommen werden?
„Bis 2030 werden im Stadtbezirk hunderte Wohnungen vererbt und dann luxussaniert werden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie junge Familien mit Kindern dann 3000 Euro Kaltmiete zahlen können. Ein junges, kinderreiches Lehel sehe ich nicht.“
Neumers Vision von der Zukunft sieht eher so aus: „Wenn wir es nicht schaffen, günstige Mieten zu erhalten, wird das Lehel, wie wir es heute kennen, sterben. Dann gibt es hier keine Alten mit kleiner Rente mehr und keine Mittelstandsfamilien. Sondern vor allem Karriere-Singles und leerstehende Zweitwohnungen, in denen Auslands-Millionäre mal Urlaub machen.“ Der Bezirksausschuss hat deshalb den Antrag gestellt, das Lehel zum Erhaltungssatzungs-Gebiet zu machen – das würde Luxussanierungen massiv erschweren.
Seit über einem Jahr liegt das Papier bei der Stadt. Was rauskommt? Ist noch schwer abzuschätzen.