Küchen entlang der TeLa

Bei einer Ausstellung kann man den Giesingern in die Küche schauen und dabei nicht nur etwas über die Bewohner, sondern auch über das Viertel erfahren.
von  AZ
Verena Hägler hat Menschen, die an der Tegernseer Landstraße leben, in ihren Wohnungen besucht.
Verena Hägler hat Menschen, die an der Tegernseer Landstraße leben, in ihren Wohnungen besucht. © Gregor Feindt

Bei einer Ausstellung kann man den Giesingern in die Küche schauen und dabei nicht nur etwas über die Bewohner, sondern auch über das Viertel erfahren.

Giesing - Die Küche: zunächst Ort für die Nahrungszubereitung, als Raum Schauplatz des häuslich- sozialen Alltags. Bestimmendes Element in der Entwicklung von Wohnformen, Abbild gesellschaftlicher Strukturen – Wandlungsprozessen unterworfen. Der jüngste Trend führt weg von Normierungen hin zu persönlich gestalteten Räumen. Die Küche wird zunehmend Ort für den bewussten Ausdruck des individuellen Lebensstils, gewinnt auch immer mehr repräsentativen Wert.

In der Praxis des Gestaltens der Alltagswelt eignet sich die Küche als sichtbarer Indikator für vielfältige Zustände und Verhältnisse sozialer, ökonomischer, technologischer, ästhetischer Art. In der alltäglichen Lebensordnung ist die Küche ein schillerndinteressanter Zwischenbereich von Privatem und Öffentlichem.

Die TeLa: sympathischer Kosename für die Tegernseer Landstraße, wichtigste Lebensader von Obergiesing. Aber auch Kurzformel für das Lebensgefühl eines ganzen Quartiers, festes Element der Identifikation seiner Anwohner, Synonym für ein ausgeprägtes Heimatgefühl, das sich in diesem ehemaligen Arbeiterviertel immer noch häufig findet. Entlang der TeLa-Achse wird Münchner Stadtgeschichte erzählt – von der historischen Feldmüllersiedlung mit ihrem dörflichen Charme im oberen Verlauf bis zur drei Kilometer weiter südlich gelegenen McGraw-Kaserne und der ehemaligen „Ami- Siedlung“ aus der Kriegs- und Besatzungszeit Münchens.

Bereits im wahrsten Sinne Geschichte sind die gesprengten Industriebauten des Agfa-Geländes, das Paulaner-Gelände befindet sich in Auflösung. Das aktuelle Sanierungsgebiet der TeLa wird zum aufgewerteten Wohngebiet – jünger, moderner und auch teurer, mit allen Vor- und Nachteilen des Wandels. Die Bestandsaufnahme: als Fotoserie von privaten Küchenräumen entlang der TeLa und Interviews mit deren Besitzern 2013 durchgeführte Untersuchung der Münchner Künstlerin Verena Hägler mit dem Ziel eines visuellen und mündlichen Zustandsberichts.

Konzeptuell als Verflechtung des Wohnraums Küche und Straßenraums TeLa gedacht. Die Fotografien sind formal streng angelegt, zurückhaltend und neutral dokumentierend mit dem Ergebnis von anonymen und doch persönlichen Porträts von urbanem alltäglichen Leben, verortet mitten in emotional und symbolisch stark aufgeladenen Räumen. Die formal der empirischen Sozialforschung verpflichteten Interviews bieten den unsichtbar Porträtierten Raum, zu erzählen, wie sie an und in diesen Orten – Küche und TeLa – leben, wie sie diese er-leben und über sie denken.

Wann: 7. März, 18 Uhr: Buchpräsentation und Ausstellungseröffnung

8.-23. März: Ausstellung. Öffnungszeiten: Mi bis Fr 16 – 20 Uhr und Sa 12 bis 17 Uhr

Wo: Tegernseer Landstraße 99 (ehemals Bäckerei Wildenauer)

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