Klinikum Großhadern: Die Gesundheitsfabrik

Vor genau 40 Jahren nahm das Klinikum Großhadern die ersten Patienten auf.
Karl Stankiewitz |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Grosshadern - Eine Stadt der Gesundheit, sagen manche. Andere sprechen weniger schmeichelhaft von einer Gesundheitsfabrik: Das Klinikum Großhadern, die große Klinik am Westrand von München, feiert derzeit die „Teilinbetriebnahme“ durch Kultusminister Hans Maier vor 40 Jahren. Am 16. September 1974 wurden in dem monströsen Neubau auf der grünen Wiese die ersten Betten freigegeben: 16 Patienten fanden damals Aufnahme.

Inzwischen ist das Klinikum auf dem sogenannten Campus Großhadern ein weltweit renommiertes Zentrum der Hochleistungsmedizin und eines der größten Krankenhäuser Europas geworden. Obwohl die Kapazität in den letzten Jahren mehrmals reduziert wurde, verfügt es heute über 1418 Betten in 19 Fachkliniken.

Angegliedert sind dem Bettenbau außerdem neun wissenschaftliche Institute, vier Beratungsdienste (von der Spezialabteilung für Tabakentwöhnung bis zum Deutschen Schwindelzentrum) und acht Hörsäle. Keine andere deutsche Hochschule ist in der Lage, so viele Ärzte aus- und weiterzubilden wie der Klinikverbund der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität, dem der Komplex Großhadern seit 1999 angehört. Und keine weist so viele „Fallzahlen“ auf: 1800 Ärzte und 3400 Pfleger haben im vorigen Jahr 390 157 Patienten ambulant versorgt und 81 183 Patienten stationär. Das alles nach dem aktuellsten und höchsten Standard.

Höchst anspruchsvoll war das Projekt von Anfang an – seine Verwirklichung war dementsprechend langwierig, teuer und umstritten. Ein „Bauprojekt von einmaliger Größenordnung“ hatte der bayerische Kultusminister Theodor Maunz 1958 verkündet. Auf einem von Wäldern umsäumten, 210 000 Quadratmeter großen Grasland nahe dem Vorort Großhadern erwarb der Freistaat von einem Großbauern ein Gelände, auf dem binnen zehn Jahren Neubauten für die Universitätskliniken entstehen sollten. Planer und Politiker schwärmten von einer „Stadt der Gesundheit“. Den Kapitalbedarf schätzten sie auf 200 Millionen Mark.

Im Mittelpunkt der visionären Gesundheitsstadt entstand ein 60 Meter hoher Zentralbau aus Stahlbeton mit 14 Geschossen und 205 Meter Länge, ausgestattet mit allen technischen Errungenschaften, etwa mit Rohrpost-, Ruf- und Suchanlagen. Hörsäle, Labors und ambulante Stationen waren als Pavillonbauten vorgesehen. Eingeplant waren außerdem eine Wohnsiedlung für Ärzte, Schwestern, Pfleger und Studenten, Kaufläden, Restaurants, Kirchen und Schulen. Neue Straßen und Bahnen sollten die Verbindung mit der eigentlichen Stadt herstellen.
Den Grundstein legte Kultusminister Maunz 1961 (drei Jahre später musste er wegen seiner NS-Vergangenheit zurücktreten). Als im Oktober 1972 das Richtfest anstand, hatten die Kosten bis dahin 700 Millionen Mark überschritten. Aber auch die medizinischen Leistungen erzielten einen Rekord nach dem anderen.

Lesen Sie hier: Top-30-Ranking: Die besten Kliniken in München

So gelang der Durchbruch bei der Herzverpflanzung in Deutschland im Februar 1969 in der Chirurgischen Uniklinik (damals noch in der Nußbaumstraße) einem Team von 18 Ärzten und zwölf Schwestern unter Leitung von Professor Rudolph Zenker.
1979 wagten Großhaderner Ärzte die erste Knochenmark-Transplantation bei Leukämien und Lymphonen, die durch Chemotherapie nicht heilbar waren. Im selben Jahr erstand auf dem Campus ein Institut für Experimentelle Medizin. Seither werden hier jedes Jahr etwa 40 Herztransplantationen vorgenommen.

Im August 1981 gelang Professor Bruno Reichart (langjähriger Autor einer AZ-Kolumne) seine erste Herzverpflanzung an einem Patienten mit mehreren Infarkten. 1983 wurde aus Großhadern die erste Herz-Lungenverpflanzung in Deutschland gemeldet, 1990 die erste Leberverpflanzung. Aufsehen erregten 1991 die gleichzeitige Verpflanzung von Herz, Lunge und Leber sowie 1992 die erste Vollimplantation eines Kunststoffherzteils. Insgesamt wurden in Großhadern bisher über 7300 Organe eingesetzt, allerdings fehlt es nach wie vor an Spendern.1992 wurde eine Abteilung für Kinderkardiologie eröffnet.

2005 gelang es, Krebszellen durch Fluoreszenz sichtbar zu machen, so dass vor allem Hirntumore besser entdeckt werden konnten. Drei bahnbrechende Entdeckungen brachte das Jahr 2011: ein Verfahren zur Begutachtung von Kinderherzen live und in allen Dimensionen, eine mobile Herz-Lungen-Maschine im Miniformat sowie die Aufklärung eines Zusammenhangs zwischen Darmflora und Multipler Sklerose.

Das Jahr des 40-jährigen Jubiläums setzt weitere medizinische Meilensteine: Im März wurden einer Studentin, die in im U-Bahnhof des Klinikums vor einen Zug gestürzt war, beide amputierten Unterschenkel in einer 17 Stunden dauernden Operation replantiert. Im Juli folgte der erste Spatenstich für ein Kinderpalliativzentrum. Dieser Tage werden die ersten Patienten im interdisziplinären OP-Zentrum aufgenommen. Es ist eines der größten und modernsten Europas. Fünf Intensivstationen mit 70 Betten stehen bereit.

Weil das Zentralgebäude seit langem saniert werden muss, wurde ein Stuttgarter Architekturbüro mit entsprechenden Untersuchungen beauftragt. Zum Ergebnis äußerte sich kürzlich der Ärztliche Direktor Karl-Walter Jauch: „Bei einer Totalsanierung hätten wir zwanzig Jahre lang Baustellen im Haus.“ Eher denkbar erscheint folgendes: In zehn Jahren könnten nordöstlich vom jetzigen Campus eine Reihe von Modulen erstehen, so dass am Ende dieser Bauzeit das dann über 50 Jahre alte Hauptgebäude abgerissen werden könnte. Als Kosten, schätzt Jauch, wären 500 Millionen Euro „sicherlich nicht zu hoch gegriffen“.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.