Kein Abriss? Neues Denkmal in Milbertshofen

Milbertshofen - Ein geneigtes Dach, ein Erker, verspielte aber zarte Details an der Fassade, Sprossenfenster und nur zwei Stockwerke. Das kleine Haus an der Schleißheimer Straße 314 fällt auf. Zwischen den neueren Klötzen zu seiner Rechten und Linken sieht es wie ein Überlebender aus einer alten Zeit aus.
Eine sechsköpfige Familie lebt hier, außerdem eine Wohngemeinschaft. Im Erdgeschoss gibt es einen Laden, sogar eine Gartenfläche, nur eine Wohnung im Dachgeschoss soll leer stehen, heißt es.
Anfang Februar berichtete die AZ über das hübsche Haus, auf das eine Leserin die Redaktion aufmerksam gemacht hatte.
Denkmalschutz möglich? bayerisches Landesamt für Denkmalpflege leitet Prüfung ein
Wie sich herausstellte, war gerade erst zum Jahresbeginn ein Antrag gestellt worden, das Haus durch einen Neubau mit 12 Wohnungen und Tiefgarage zu ersetzen. Doch - durch die AZ-Recherchen wurde das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege auf das Gebäude aufmerksam und leitete eine Prüfung auf möglichen Denkmalschutz ein.

Die Mieter indes wussten nichts von den Neubauplänen. Davon habe man aus der Zeitung erfahren, heißt es auf AZ-Nachfrage. Über den Verkauf des Hauses im Juli 2021 hingegen hatte man die Bewohner informiert. Der Vorbesitzer, eine Privatperson, hat damals an eine Projekt-GmbH mit Sitz in Grünwald und Oberhaching verkauft, die dann den Bauantrag für den Neubau stellte.
Stadt München verzichtet auf Vorkaufsrecht
Interessantes Detail: Beim Verkauf hätte die Stadt ein Vorkaufsrecht gehabt, denn das Haus liegt im Erhaltungssatzungsgebiet, das hier unbefristet erlassen wurde.
Weil das Anwesen aber weniger als vier Wohnungen umfasst und sich auf dem Grundstück weniger Wohnbaurechtsreserve als 600 Quadratmeter Geschossfläche, nämlich lediglich etwa 350 Quadratmeter Geschossfläche, befänden, "wurde von einer Ausübung des Vorkaufsrechts abgesehen", erklärt das Kommunalreferat auf AZ-Nachfrage.
Altes Wohnhaus in Milbertshofen hat eine interessante Geschichte
Dabei habe die Stadt nach den "Richtlinien für die Ausübung von Vorkaufsrechten" gehandelt, "wie sie der Stadtrat im April 2019 beschlossen hat, so das Referat.
Während man bei der Stadt also kein gesteigertes Interesse an dem Haus mit seinen nur wenigen Wohnungen hatte, kamen die Denkmalspezialisten zu einem ganz anderen Ergebnis. Sie entschieden nach eingehender Prüfung tatsächlich, das Anwesen Schleißheimer Straße 314 in die Denkmalliste aufzunehmen. In der Begründung dazu ist Spannendes zur Geschichte des Hauses zu erfahren.
Wie das Landesamt für Denkmalpflege auf Anfrage erläutert, ließ ein Milbertshofener Kaufmann das Wohnhaus mit Laden 1913 nach Entwurf von Otto Lohner erbauen. Der Laden im Erdgeschoss war einst eine Drogerie.
Das Gebäude ist ein zweigeschossiger Mansardsatteldachbau mit Erker im Obergeschoss und breiter Mittelgaube sowie begleitenden Gauben in der unteren Dachebene. Die Fassade zur Straße ist mit unterschiedlichen Putzebenen und Gesimsen gegliedert.
Vom Urzustand des Hauses ist viel erhalten
Was jeden Denkmalpfleger entzückt: Vom Urzustand des Hauses ist viel erhalten. "Im Vergleich zur Entwurfszeichnung", so erklärt Maximilian Bauer, Sprecher des Landesamts für Denkmalpflege, fehlen lediglich die Klappläden im Obergeschoss und nachträglich wurden die Fenster des Ladens getauscht."
Auch im Inneren sei das Haus mit der Raumeinteilung und zahlreichen Ausbauelementen aus der Bauzeit erhalten. "Erwähnenswert ist die hölzerne Treppe mit mehrfach beringten Stabbalustern", so Bauer. Auch die Haustür, der größte Teil der Fenster und die Innentüren stammten aus der Bauzeit.
Das Gebäude, so erklärt Bauer, sei im für die Zeit typischen Reformstil gestaltet, der parallel zum Jugendstil das Bauen in München in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg prägte, und habe als Bau dessen "künstlerische Bedeutung".
1913 war die Gegend um die "Äußere Schleißheimer Straße", wie sie damals hieß, nur wenig bebaut. Mit den seitlichen Brandwänden war das Haus trotzdem für eine Zeilenbebauung in der Straße vorgesehen, die aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeführt wurde.
Direkt gegenüber habe es 1913 bereits eine weitere Baugruppe gegeben, die aber leider nicht erhalten ist, so Bauer.
Das Haus darf nicht einfach abgerissen werden
Aber immerhin, sowohl in nördlicher als auch südlicher Richtung schräg gegenüber sind zwei weitere Baudenkmäler erhalten: ein Doppelmietshaus von etwa 1905 im Jugendstil mit Stuckdekor und einem Madonnenrelief an der Fassade. Und südlich: ein Neurenaissance-Mietshaus von 1899 mit zwei Erkern.
Dies spielt für den Denkmalstatus der Nummer 314 eine Rolle: Maximilian Bauer erklärt, "als Teil der vorstädtischen Entwicklung von Milbertshofen fällt dem Bau geschichtliche sowie städtebauliche Bedeutung im Zusammenhang mit den genannten nahe liegenden Baudenkmälern zu", so die Einschätzung.
Und was heißt dies alles nun für das eigentlich geplante Bauvorhaben? Ganz gestorben ist es nicht unbedingt, zumindest formal. Allerdings, einfach abreißen darf man das Haus jetzt nicht mehr. Anders als zuvor bräuchte es dafür nun eine explizite Genehmigung - und die kann freilich auch verweigert werden.
Bisher, so erklärt das Planungsreferat auf AZ-Anfrage, seien keine weiteren Anträge eingegangen.