Johanneskolleg: Bewohner kämpfen für den Erhalt
Schwabing - Unverschnörkelte Buchstaben sind an der Eingangswand angeschlagen, „Johanneskolleg“ ist dort zu lesen. Das „O“ haben die Studenten durch ein buntes Bild von einem Osterei ersetzt. Ein Farbtupfer an dem in die Jahre gekommenen Haus. Doch es hängt schief an der Wand – so schief wie der Haussegen im internationalen Studentenwohnheim, seit bekannt wurde, dass sein neuer Eigentümer das „Joko“ abreißen will.
Für 3,4 Millionen Euro hat die Erzdiözese München-Freising das Wohnheim im Frühjahr vom Hilfswerk Missio übernommen. Künftig sollen auf dem Gelände an der Hiltenspergerstraße Wohnungen, unter anderem für kirchliche Mitarbeiter entstehen. Das Wohnheim muss dafür abgerissen werden. Zum 1. Oktober müssen alle ausziehen.
„Wir haben gleich gesagt: Das kann nicht sein. Für viele ist das ,Joko’ wie eine zweite Familie“, sagt Samuel Held (22), einer der Bewohner.
112 Menschen aus 43 Nationen wohnen hier
112 junge Menschen aus 43 Nationen wohnen hier, die meisten kommen aus Asien. Betreut werden sie von zwei Schwestern. Das internationale Flair des Hauses spürt man sofort, wenn man durch die Stockwerke geht. An den Wänden hängen internationale Fahnen, darunter stehen die Namen der Bewohner, die von dort kommen. In der Luft hängt der Duft von exotischen Gewürzen. Hier wird oft gemeinsam gekocht – und gebetet. Die selbst organisierten Gottesdienste in der hauseigenen Kapelle seien immer voll, erzählen die Bewohner. Orthodoxe, Katholiken und Moslems beten gemeinsam. „Dieses Interreligiöse ist etwas Einzigartiges“, sagt Held.
7300 Unterschriften haben die Bewohner inzwischen gesammelt, um den Abriss zu verhindern. Sie würden sie Kardinal Reinhard Marx gerne persönlich übergeben, aber sie bekommen keinen Termin. Ohnehin würden sie schlecht informiert. Weder Missio, die das Wohnheim noch betreibt, noch die Diözese fühlten sich zuständig, klagen sie.
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Die Diözese weist das zurück. Seit dem Frühjahr habe man fünf Informationsabende organisiert. Es gebe zudem einen Ansprechpartner für die „Joko“-Bewohner. Das Gebäude aus den 60er Jahren sei wirtschaftlich nicht sanierbar, sagt ein Sprecher. In einem Gutachten werden die Kosten für eine Generalsanierung auf zwischen sieben und acht Millionen Euro geschätzt.
Weil sie das nicht glauben wollten, hat man im „Joko“ eineigenes Gutachten von einem Architekturbüro anfertigen lassen. Das Papier, das der AZ vorliegt, schätzt die Kosten einer Generalsanierung auf die Hälfte. Um nur den aktuellen Betrieb sicherstellen zu können, würden 500 000 Euro benötigt.
„Das Gutachten liegt uns vor“, heißt es von der Diözese. Allerdings habe der Architekt eingeräumt, keine eigenen Untersuchungen durchgeführt zu haben – solche seien für eine Entscheidung aber notwendig. Und: „Wir garantieren, dass jeder einen Platz in einem anderen Wohnheim bekommt.“
Neue Wohnheimsplätze? Klappt nur bedingt
Nur so richtig klappt das noch nicht, erzählt man im Johanneskolleg. Mehr als zehn hätten noch keine neue Bleibe. Vor allem für die ausländischen Mitbewohner sei es schwer, etwas Neues zu finden. Viele sind verunsichert, wie es im Herbst weitergehen soll.
Vasil Argirov hat zwar eine mündliche Zusage eines anderen Wohnheims. Sicher ist sich der Theologiestudent dessen aber nicht. Und überhaupt: Er will nicht weg aus dem Johanneskolleg, das für ihn „ein großes Stück Heimat“ ist. Der Ort, an dem er sich willkommen gefühlt hat, als er 2006 aus Bulgarien nach München gekommen ist. „Hier spürt man eine Offenheit“, sagt der 30-Jährige. Jeder setze sich für den Anderen ein. Durch die Ereignisse der letzten Monate habe sich der Zusammenhalt noch einmal verstärkt, erzählt Argirov: „Wenn es zu Ende geht, werden alle weinen.“
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