In diesem Abriss-Haus wohnt noch wer!

In Bogenhausen wird dieses Mehrfamilienhaus platt gemacht, dabei sind noch nicht alle ausgezogen. Die AZ hat den letzten Mieter besucht – und erklärt, was dahinter steckt
von  Thomas Gautier
Rechts schon Ruine, links noch bewohnt: Diese Häuserzeile in Bogenhausen wird abgerissen. Ein Mieter will seine Wohnung (ganz hinten im obersten Stock) nicht verlassen.
Rechts schon Ruine, links noch bewohnt: Diese Häuserzeile in Bogenhausen wird abgerissen. Ein Mieter will seine Wohnung (ganz hinten im obersten Stock) nicht verlassen. © tg

Bogenhausen - Wolfgang W. hat über dreißig Jahre hier gewohnt, da wird er doch jetzt nicht ausziehen. Sollens’ doch das Haus abreißen. Er bleibt.

Eine Hälfte des Mehrfamilienhauses in der Merzstraße wird derweil wirklich abgerissen: Die rechte Seite ist nur noch halb vorhanden, ein Bagger knabbert mit einer riesigen Beißzange an den Mauerresten. Am Boden latscht ein Bauarbeiter in neongelber Jacke durch Schutt, Holz und Styroporbrocken. Abriss im Nobel-Viertel – dabei wohnt da noch wer!

Wie kann das sein? Die Lösung: Die Häuserzeile Merzstraße 1 bis 5 stammt aus den 50ern. Vor kurzem wurde sie aufgeteilt. Die Häuser 3a und 5 weichen laut Planungsreferat einem Wohnhaus samt Tiefgarage. Die Häuser 1 und 3 bleiben, sagt Planungsreferatssprecherin Karla Schilde der AZ. „Ein Abriss war da nie geplant“ – stattdessen sollen die Wohnungen saniert werden.

Seit 32 Jahren lebt Wolfgang W. mit seiner Frau Barbara in der obersten Wohnung des Hauses Nummer 1. Auf 160 Quadratmetern, zu denen auch die Wohnung unterm Dach gehört.
Wolfgang W. war mal Vorstands-Chef der Versicherung „Münchner Verein“. Der gehörte das Haus lange Zeit, und Wolfgang W. hatte hier seine Dienstwohnung. Nach der Pensionierung zogen er und seine Frau einfach hier ein – und blieben.

Alteingesessene Mieter, ein sanierungswilliger Eigentümer – das endet in München allzu oft mit Entmietung und Gerichtsprozessen. Hier nicht: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir nicht weg wollen“, sagt Wolfgang W. „Dann war Ruhe.“ Man habe ihm zu Beginn Geld geboten, aber es wurde nie verhandelt. Der Vermieter „nimmt Rücksicht“. Ausziehen? „Das lohnt sich für uns doch gar nicht mehr“, so Wolfgang W.

Andere Mieter nahmen das Angebot an – nach AZ-Informationen - bekam ein Mieter mehrere zehntausend Euro. Dazu schweigt Josef S. Er wohnt im Erdgeschoss, zieht Ende März aber aus – genau wie eine Frau, die im Haus Nummer 3 lebt. Ab April sind Wolfgang W. und seine Frau also allein im Abriss-Haus.

Der Eigentümer bestätigt der AZ: Das Haus bleibt. „Die Wohnungen werden saniert“, sagt eine Sprecherin. Vielleicht stocke man das Haus um eine Etage auf.
Angst vor Lärm hat Wolfgang W. nicht: „Es rummst ein bisschen, sonst ist alles ok.“ Ein ganz entspannter Abriss – so geht’s also auch.

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