"Immer ausverkauft": Der Bunte Würfel in München-Haidhausen

Eine neue Ausstellung im Haidhausen-Museum widmet sich der spannenden Geschichte des legendären Kabaretts "Der Bunte Würfel"
von  Myriam Siegert
Das Kabarett "Der Bunte Würfel" an der Ecke Preysingstraße-/Milchstraße 1946.
Das Kabarett "Der Bunte Würfel" an der Ecke Preysingstraße-/Milchstraße 1946. © Stadtarchiv München

Haidhausen - Solche Sachen machen immer großen Spaß", sagt Hermann Wilhelm, "weil das ja so interessante Leute sind, jede Menge außergewöhnliche Persönlichkeiten!" und die Begeisterung ist ihm anzuhören. Wilhelm, der 1977 das Haidhausen-Museum gründete und es seitdem auch leitet, hat gerade seine neueste Ausstellung fertiggestellt.

Wer heute im Penny-Supermarkt an der Preysingstraße einkauft, weiß vermutlich nicht unbedingt, dass hier einst große Namen auftraten - gesungen getanzt, gelacht wurde. Hier, mitten in Haidhausen, öffnete am 16. Januar 1946 nur acht Monate nach Kriegsende Der Bunte Würfel.

Das Programm und die Mitwirkenden waren von Anfang an hochkarätig

Das Lokal war, etwa neben der Schaubude für die Erich Kästner schrieb, eines der ersten dieser Art, nach dem Krieg in München. Die amerikanische Militärregierung hatte das Lokal in den ehemaligen Räumen eines Vorstadtkinos als Kleinkunstbühne zugelassen.  Schon zur Eröffnungspremiere ist ein hochkarätiges Ensemble beisammen, mit einem noch jungen und schmalen Gert Fröbe etwa, dem Musiker und Komponist Peter Igelhoff oder der Sängerin Claire Waldorff. Der Titel der ausverkauften Eröffnungsrevue: "München lernt wieder lachen". Und auch im Programm der ersten Monate sind namhafte Künstler dabei; Fred Rauch, später Hörfunkmoderator, Elfie Pertramer und - Karl Valentin und Liesl Karlstadt.

Werbung für die Münchner Kleinkunstbühnen.
Werbung für die Münchner Kleinkunstbühnen. © Stadtarchiv München

Gert Fröbe: "Unser Programm wurde zum Stadtgespräch"

Gert Fröbe beschreibt in seiner Biografie "Auf ein Neues, sagte er ..." , wie er enorm kurzfristig, nämlich erst am Morgen der Eröffnung, für den Bunten Würfel engagiert worden war, nachdem er den Leitern zuvor in deren Büro vorgespielt hatte. Sein Name musste noch eilig von Hand auf allen Plakaten nachträglich aufgestempelt werden.

Gert Fröbe, noch jung und schmal lebte damals in Haidhausen.
Gert Fröbe, noch jung und schmal lebte damals in Haidhausen. © Sammlung Hermann Wilhelm

Der Bunte Würfel, so erinnerte sich Fröbe, der damals in der Trogerstraße hinterm Klinikum rechts der Isar lebte, hatte sich sofort an die Spitze in der Stadt gesetzt. "Unser Programm wurde zum Stadtgespräch.  Einer sagte es dem anderen. Wir waren immer ausverkauft".

Die Gründer überlebten Dachau und Theresienstadt

Die Gründer der neuen Bühne sind zwei jüdische KZ-Überlebende: der aus Wien gebürtige Autor und Parodist Robert "Bobby" John und Dr. Viktor Hahn. Sie waren aus dem KZ Theresienstadt ins Außenlager Kaufering VI -Türkheim des KZ Dachau gekommen und so nach Kriegsende nach München.

Bobby John und Komponist Fred Sporer als "Herr Fröhlich und Herr Schön".
Bobby John und Komponist Fred Sporer als "Herr Fröhlich und Herr Schön". © Sammlung H. Wilhelm

John war schon in Theresienstadt als Vortragskünstler bei Häftlingsveranstaltungen aufgetreten. Er hatte Parodien und Impro-Theater-Stücke gezeigt und Zwei-Personen-Sketche gezeigt, die später im Fernsehen unter dem Titel "Auf Wiedersehen Herr Fröhlich, auf Wiedersehen Herr Schön" deutschlandweit bekannt und noch in den 60er und 70er Jahren in Unterhaltungsshows aufgeführt wurden.

Musste Karl Valentin einst in der ungeheizten Garderobe übernachten?

Karl Valentin und Liesl Karlstadt treten im Winter 1947/48 im Bunten Würfel auf. Zum ersten Mal überhaupt nach dem Krieg. Valentin, ist gesundheitlich angeschlagen, abgemagert und wird von Erkältungsschüben geplagt. Seine Auftritte absolviert er trotzdem. Ein schwerer Rückfall der nicht auskurierten Erkältung zwingt ihn Anfang Februar ins Bett und am 9. Februar 1948, Rosenmontag, stirbt Karl Valentin in seinem Haus in Planegg. An Bronchitis und Lungenentzündung, wie die Ärzte danach diagnostizieren.

Kongeniales Duo: Karl Valentin und Liesl Karlstadt.
Kongeniales Duo: Karl Valentin und Liesl Karlstadt. © Sammlung Willy Pragher

Dazu geht die Anekdote, eine unfreiwillige Übernachtung in der ungeheizten Garderobe des Bunten Würfels hätte Valentins Zustand zusätzlich verschlechtert. Ob es die aber wirklich gegeben hat, ist nicht zweifelsfrei zu klären, erzählt Hermann Wilhelm. "Das wird überall kolportiert und wird wohl so gewesen sein. Ganz sicher weiß man es aber nicht."

Ebenfalls nicht genau festzustellen ist, wann der Bunte Würfel seine Türen geschlossen hat. "Ich habe es versucht zu recherchieren, in den Archiven aber nicht finden können", sagt Wilhelm. Vermutlich war es aber 1948 oder 49. Auch warum das Kabarett schloss ist nicht ganz klar. Die mitwirkenden Künstler arbeiteten später zu großen Teilen beim Bayerischen Rundfunk. In den Räumen des Kabarettlokals zieht, wie vorher, wieder ein Kino ein, zunächst - etwa drei Jahre lang - nur für amerikanische Soldaten.

Der Kino-Schriftzug ist noch zu sehen, doch die Räume hat bereist ein Supermarkt übernommen.
Der Kino-Schriftzug ist noch zu sehen, doch die Räume hat bereist ein Supermarkt übernommen. © Samlung Hermann Wilhelm

Nach dem Kabarett folgt wieder ein Kino - eines von vielen damals im Viertel

Danach wird daraus der "Preysing Filmpalast" - eines von vielen Kinos damals in Haidhausen. "Das war ein tolles Kino mit 400 Sitzplätzen und Logen und allem", erinnert sich Hermann Wilhelm, der als Jugendlicher selbst ein eifriger Kinogänger war. 1961 schloss das Kino. Ein Supermarkt mit dem Werbeslogan "Keine Feier ohne Meyer" übernahm die Räume. Auch daran erinnert sich Hermann Wilhelm gut, denn dort hat er dann als Schüler gejobbt.


Am Sonntag, 7. Juli, wird die Ausstellung "Der Bunte Würfel. Ein Münchner Kabarett nach dem Krieg" um 14 Uhr im Haidhausen-Museum eröffnet. Interessierte sind herzlich eingeladen. Hermann Wilhelm gibt eine Kurzeinführung. Die Ausstellung läuft bis 31. Juli, sowie von 15. September bis 3. November 2024. Mo, Di, Mi, 17-19 Uhr, So 14-17 Uhr. Kirchenstr. 24.

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