Im Merkelland
Auf dem Foto, das in der ganzen Stadt plakatiert ist, wirkt sie – dank digitaler Bildbearbeitung – so glattgebügelt und faltenlos wie eine 35-jährige Jungpolitikerin. Dass es sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel um eine Frau Ende 50 handelt, deren politische Verantwortung und langjährige Erfahrung in ihrem Gesicht Spuren hinterlassen haben, ist ihren Wahlkampfmanagern offenbar peinlich.
Im Gegensatz zu den Münchnern, die ihre Kanzlerin einmal unverfälscht bei einem Bierzeltauftritt erleben wollten. Eine leibhaftige Regierungschefin bei der „Truderinger Festwoche“ - das hat es bisher noch nicht gegeben.
Dabei ist Bundeskanzlerin Angela Merkel alles andere als eine charismatische Figur, ihre Auftritte wirken eher farblos. Keine bewundernswerte Rhetorik wie bei Obama, kein charmanter Witz wie bei Sarkozy, keine Verbrüderung mit dem Publikum wie bei Schröder.
Was also treibt die Menschen zu einem Auftritt dieser kühlen Verwalterin der Macht? Vielleicht ist es genau das. In einer Zeit, in der die Menschen zugeballert werden mit Unterhaltung und Pseudo-Folklore, in einer Welt des schrankenlosen Internet-Wahnsinns, schätzt man das Zurückhaltende, Unglamouröse.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat keine fünf Ehemänner und keine Affären. Sie hat ihre Doktorarbeit selbst geschrieben und stellt keine Verwandten als Mitarbeiter an. Kühne Visionen hat sie auch keine. Die Deutschen mögen das. Dieses Land wird immer merkeliger, nicht nur im Truderinger Bierzelt.
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