"Hilfe, wir sind in unserem Haus gefangen"

Seit sechs Jahren spinnt der Lift in einer GWG-Wohnanlage in der Alpspitzstraße. Angeblich soll die Sonne daran schuld sein
von  Jasmin Menrad
Sind sauer (v. l.): Wolf Strebel, Adrian Salah, Danijela Terzic, Riemer Helmuth, Mitte unten: Gloria la Londe, Leon und Anastasja Terzic.
Sind sauer (v. l.): Wolf Strebel, Adrian Salah, Danijela Terzic, Riemer Helmuth, Mitte unten: Gloria la Londe, Leon und Anastasja Terzic. © Gregor Feindt

SENDLING Die Knie von Helmuth Riener (65) sind geschwollen, die Füße mit Verband umwickelt. Unzählige Male ist er operiert worden, hat rechts sein viertes künstliches Gelenk, einen versteiften Mittelfuß und kann sich nur mühsam mit seinem Rollator bewegen. Mittags geht Helmuth Riener bei der Caritas gegenüber essen. Wenn der Aufzug funktioniert – denn er wohnt im vierten Stock. „Ich bestelle und bezahle das Essen vorher, doch immer wieder komme ich nicht aus dem Haus“, sagt Riener. „Dann muss ich einen Taxler anrufen, der mir das Essen bringt. Das ist natürlich sehr teuer.“

Seit 2007, als das Haus saniert wurde, wohnt Helmuth Riener in dem barrierefreien Haus in der Alpspitzstraße. Und seitdem macht der Aufzug Probleme. Vor drei Jahren kam es deshalb zu einem tragischen Unglück: Helmuth Riener hatte einen Arzttermin, doch der Aufzug ging mal wieder nicht. Also versuchte er zu Fuß vom vierten Stock ins Erdgeschoss zu gehen und stürzte schwer. „Ich habe mich zurück in meine Wohnung geschleppt und Medikamente gegen die starken Schmerzen genommen“, sagt Riener. Doch der Medikamentencocktail ist zu viel für seinen kranken Körper, zwei Tage später findet ihn seine Schwester bewusstlos im Sessel, mehrere Tage liegt er im Krankenhaus.

Nicht nur Helmuth Riener leidet unter den ständigen Fahrstuhl-Ausfällen: Das Erdgeschoss ist nur über Treppen oder den Aufzug erreichbar. Hier lebt der 69-jährige Wolf-Rüdiger Strebel mit seiner Frau. Seit einem Motorradunfall sitzt der charmante Herr im Rollstuhl. „Meine Frau hat auch gesundheitliche Probleme. Wenn der Aufzug kaputt ist, müssen wir zu Hause bleiben“, sagt Strebel.

Neben ihm lebt in einer märchenhaft dekorierten Blumenwohnung Gloria Lalonde (55). Sie ist an Multiple Sklerose erkrankt. An guten Tagen ist sie mit dem Rollator unterwegs, an schlechten Tagen mit dem Rollstuhl. Hat der Aufzug auch einen schlechten Tag, kann sie die Wohnung nicht verlassen.

Der GWG ist das Problem bekannt. Der technische Geschäftsführer schreibt: „Der Aufzug hatte gleich nach dem Einbau mehrere Störungen, aber inzwischen sind die Ausfälle im normalen Rahmen. Dies ist für Sie allerdings nicht hilfreich, da immer noch lästige Störungen die Nutzung einschränken.“ Dann listet er die Ausfallzeiten auf, bietet jedoch keine Lösung an. Auch heuer stand der Aufzug schon mehrere Tage, im April über eine Woche. Immer wieder fällt er tage- oder stundenweise aus.

Die Sonne soll schuld sein. Im vierten Stock knallt sie an manchen Tagen auf die Aufzugstür und die Lichtschranke, dann kommt es vermehrt zu Ausfällen. Die Idee der GWG: Ein Sonnensegel. Doch seit sechs Jahren ist nichts passiert.

Das ärgert auch die, die noch fit sind. Adrian Salah aus dem vierten Stock schleppt für seine Mutter die Einkäufe und Getränkekisten. Danjela Terziz (39) erinnert sich nur ungern an die Zeit, als Leon (6) und Anastasja (9) noch klein waren: „Da habe ich die Kinder bis in den dritten Stock getragen, wenn mal wieder der Aufzug gesponnen hat.“

Als vor einigen Tagen eine Frau aus dem vierten Stock starb, streikte der Aufzug wieder. Der Notarzt musste die Treppe nehmen. „Hier leben ältere Menschen, Familie mit kleinen Kindern und Menschen mit Behinderung. Der Aufzug ist eine Zumutung“, so eine Hausbewohnerin.

Gegenüber der AZ erklärt die GWG: „Im Falle von längeren Stillstandszeiten bei Aufzugsanlagen bietet die GWG in allen ihren Wohnanlagen über die Hausverwaltung Hilfestellung für Menschen mit Gehbehinderung.“ Genau das aber hat die GWG den Menschen in den Alpspitzstraße noch nie angeboten. Obwohl sie seit sechs Jahren jede Woche mit der GWG telefonieren und schreiben.

 

 

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