Hier verschwindet ein Stück altes Schwabing

Schwabing - "Das ist schon eine Riesenenttäuschung", sagt Birgit Sasowski. Stundenlang hat die Schwabingerin mit ihrer Bürgerinitiative Pro Schwabing an einem Antrag und dringendem Schreiben an die Stadt gesessen. An den OB, die Stadtbaurätin, die Lokalbaukommission. Jetzt war wohl endgültig alles umsonst.
Der Bagger, der seit einigen Tagen bedrohlich hinter dem kleinen Häusl in der Siegesstraße 17 stand, hat begonnen, daran zu nagen. Am Freitagvormittag sind große Teile des Dachstuhls auf der Rückseite bereits beschädigt.
Birgit Sasowski hatte mit ihrer Bürgerinitiative Pro-Schwabing in den letzten Tagen und Wochen zusammen mit dem Bezirksausschuss intensiv um die Rettung des kleinen Häusls gekämpft. Seit längerem hatte sie sich um das Häuschen gesorgt, das immer heruntergekommener aussah.
Von der Musikkneipe "Tomate" bis zur Bar "Kiste"
Vor zwei oder drei Jahren sei der letzte Mieter ausgezogen, sagt Sasowski. Davor wurde es im Erdgeschoss jahrzehntelang gastronomisch genutzt. Die Musikkneipe "Tomate" war hier in den 70ern, "Manila", der Kult-Wirt der "Schwabinger 7" betrieb hier ab 2012 das "S17", ab 2015 eröffnete die Bar "Kiste". Alles auch ein Stück Schwabinger Geschichte.

Die des Häusls reicht jedoch um einiges weiter zurück. Die Siegessstraße war einst die Dorfstraße, das Häusl ein Nebengebäude des früheren Trummerbauernhofes. Ein letztes Zeugnis des dörflichen Schwabings und seines bäuerlichen, kleingewerblichen Charakters, noch vor dem Einsetzen der Mietsbebauung.
Und dennoch: Im Sommer hatte der Eigentümer den Abriss des Häusls beantragt. Im Juli prüfte das Landesamt für Denkmalpflege seine Denkmalwürdigkeit. Das Ergebnis war negativ. Die Lokalbaukommission musste den Abriss genehmigen, so das Planungsreferat.
Die Bürgerinitiative erwirkte eine zweite, genauere Untersuchung. Die stellte fest, das Haus stammt von 1840 und ist älter als bisher bekannt. Die Kriterien zum Einzeldenkmal erfülle es trotzdem nicht, so das Landesamt.
Letzte Hoffnung: Ensembleschutz
Die BI und auch der BA wollten sich damit nicht zufriedengeben. Dachstuhl, Treppe und Türen seien noch original, sagt Sasowski. "Es ist uns unbegreiflich, dass dieses einmalige Zeitzeugnis aus dem Ortsbild verschwinden soll." Die letzte Hoffnung, der Ensembleschutz, der Gebäude in ihrer äußeren Erscheinung schützt.
Das vorhandene Ensemble Altschwabing solle auf die Nummer 17, und die neueren Häuser 19 und 21 ausgeweitet werden. "Es stellt die Abfolge der Epochen dar", erklärt Birgit Sasowski. Claudia Mann (CSU), im BA Beauftragte für Denkmalschutz, bekräftigt gegenüber der AZ, das Häusl sei wichtig für die Sichtbeziehungen auch aus der Wagner- und Werneckstraße. Auch der BA hatte sich noch am Donnerstag in einem eiligen Antrag an die Stadtbaurätin und das Landesamt gewandt.

All dies wurde offenbar nicht mehr gehört - oder der Bagger kam dem zuvor. Birgit Sasowski hatte auf einen Aufschub gehofft bis der Ensembleschutz geprüft worden wäre.
Am Freitagnachmittag mehren sich die empörten Rückmeldungen der engagierten Schwabinger vor allem in Richtung Lokalbaukommission. Die betonte daraufhin erneut, es gebe aufgrund der Einschätzung des Denkmalamts keine rechtlichen Möglichkeiten den genehmigten Abbruch zu stoppen. Auf die Variante des Ensembleschutzes geht sie aber nicht ein.
Bleibt vom Häusl nur eine Brache?
Bleibt dort, wo das Häusl steht, nun eine jahrelange Brache? Birgit Sasowski fragt sich außerdem, warum der Abbruch so eilte. Das Planungsreferat bestätigte auf AZ-Anfrage, ein Bauantrag oder ähnliches liege nicht vor.
Der Besitzer, so heißt es in der Nachbarschaft, stamme selbst aus dem Viertel. Der zum Haus gehörige Grund erstrecke sich bis zur Knollerstraße. Im Hinterhaus befindet sich eine Werkstatt und Wohnungen, hier würden schon lange nur noch Zeitmietverträge vergeben, heißt es.
Birgit Sasowski fürchtet, dass nach dem Abriss des Vorderhauses nun erst einmal eine Brache bleibt. Dabei hätte das eigentlich stattliche Häusl durchaus eine Zukunftsperspektive gehabt, findet sie. Mit einem Speicher-Ausbau und zusammen mit dem großen Hinterhaus hätte man beträchtlichen Wohnraum schaffen können, der mit einem Neubau durchaus mithalten könne, sagt sie.