Hier verkommt eine Idylle

Seit vier Jahren steht eine beliebte Ladenzeile leer – die Händler mussten wegen einer Renovierung ausziehen. Viele Sendlinger sind verärgert - über die Stadt.
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„Wir sind gegenüber“: Der Gemüsehändler musste umziehen, jetzt ist er pleite.
mak „Wir sind gegenüber“: Der Gemüsehändler musste umziehen, jetzt ist er pleite.

Seit vier Jahren steht eine beliebte Ladenzeile bei der Großmarkthalle leer – die Händler mussten wegen einer Renovierung ausziehen. Längst würden sie gerne zurückkehren, aber die Stadt lässt die Sache schleifen. Viele Sendlinger sind verärgert.

Sendling - Es ist eine Szenerie, wie es nur wenige gibt in München: Ein Platz, eine Ladenzeile, ein Restaurant und eine italienische Bar. Ein stimmungsvoller Ort, der seinen Reiz daraus bezieht, dass er ganz und gar unmünchnerisch wirkt. Eher erinnert das Sendlinger Areal gegenüber der Großmarkthalle an das lebendige multikulturelle Ambiente einer Mittelmeerstadt.

Dennoch sind Anwohner und Geschäftsleute verärgert. Denn ein Teil der ehemals florierenden Läden an der Thalkirchner Straße steht leer – und das schon seit vier Jahren.

„Wie schaut denn das aus?“, ereifert sich ein Stammgast beim „Bussone“, der italienischsten Bar nördlich des Brenners. Neben den beiden schön renovierten „Bussone“-Lokalen – außer der Bar gibt es noch eine Pizzeria – steht die halbe Ladenzeile in der ehemaligen Sortieranlage der Großmarkthalle leer.

Einst konnten Kunden hier die bunten Auslagen eines türkischen Gemüsehändlers und einer Metzgerei bestaunen. Gleich daneben eine der besten Fischhandlungen Münchens, „Bizim Balikci“, auf deutsch: „Unser Fischmarkt“. Für die Menschen im Viertel waren das beliebte Einkaufsmöglichkeiten.

Jetzt sind die Läden verwaist, die Schaufenster staubig, innen liegt Gerümpel. Den Fischhändler, immerhin, gibt es noch – er verkauft seine Ware in einem kleinen Container schräg gegenüber. Auch der Gemüseladen wurde ausquartiert, vor kurzem machte er Pleite.

Viele Sendlinger und andere Münchner fragen sich: Warum lässt die Stadt so ein Idyll verkommen?

„Es ging los mit dem kaputten Dach“, erklärt Boris Schwartz, Werkleiter der Markthallen München. Die Überdachung der alten Sortieranlage drohte „von heute auf morgen“ einzustürzen. Eine Sanierung wurde fällig, die Händler mussten raus.

Und dann? Warum sind sie nun, fast vier Jahre später, nicht längst wieder eingezogen? Die Sanierung zog sich hin – bis heute. Irgendwann entdeckten Fachleute des Kommunalreferats, dass auch die „Grundleitungen“ marode sind, die Rückkehr der Händler verzögerte sich weiter. Das sei alles „nicht optimal gelaufen“, räumt Boris Schwartz ein, es habe auch „Leerlauf“ gegeben.

Für die Händler zehrt das alles an der Substanz. „Ich weiß nicht, wie lange wir das in dem kleinen Container noch durchhalten“, sagt Birhan Babayigit, der Inhaber des Fischladens. Sein Kollege vom Gemüsestand hat bereits aufgegeben und musste Insolvenz anmelden.

Werkleiter Boris Schwartz ist nun allerdings optimistisch, dass die Läden „demnächst“ wieder genutzt werden können. „Der Fischhändler hat ein konkretes Mietangebot von uns, er wird bald wieder einziehen.“

Davon kann laut Ladenbesitzer Babayigit allerdings keine Rede sein. Seit Jahren streitet er mit den Markthallen-Verantwortlichen um einen Mietvertrag. „Die wollen, dass wir die Sanierung selbst machen. Das wäre ja okay, aber dafür wollen wir einen Zehnjahresvertrag.“ Die Stadt möchte aber nur für fünf Jahre vermieten.

Der Konflikt scheint festgefahren zu sein. „Vielleicht einigen wir uns ja noch“, sagt Babayigit. „Aber dieses Jahr wird es sicher nichts mehr.“

Beim Kommunalreferat denkt man derweil darüber nach, was mit dem ehemaligen Gemüseladen neben dem Fischhändler passieren soll. Möglicherweise wird dort ein „Schülerlabor“ eingerichtet, in dem Jugendliche alles über gesunde Ernährung und „umweltbewusste Lebensführung“ in einem „authentischen Umfeld“ lernen sollen. Die Idee ist von den Grünen, in Hamburg gibt es so etwas schon. Der Stadtrat muss aber noch zustimmen.

Bis es soweit ist, ärgern sich die morgendlichen Stammgäste in der „Pasticceria Bussone“ – Lastwagenfahrer, Rechtsanwälte, Journalisten, Handwerker – weiter über die unansehnliche Ladenzeile in ihrem Lieblingsrevier. Einer sagt: „Wenn ich meinen Betrieb so lahmarschig führen würde wie die Stadt, wäre ich längst pleite.“

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