Hier ließ der Freistaat Bayern Jahre Leerstand zu: Was soll mit diesem Idyll in München passieren?

Der Ortsteil Hartmannshofen in München mit seinen kleinen Häuschen ist etwas Besonderes. Doch der Freistaat Bayern ließ hier jahrelangen Leerstand zu und verkaufte meistbietend. Ist das gestoppt?
von  Christina Hertel
Florian Binder aus dem Planungsreferat will das Grün in Hartmannshofen unbedingt erhalten.
Florian Binder aus dem Planungsreferat will das Grün in Hartmannshofen unbedingt erhalten. © Daniel von Loeper

Moosach/Untermenzing - Die Spitzengardinen hängen noch in den Fenstern. Aufgezogen hat sie seit Jahren bestimmt niemand mehr. Seit November 2020 steht das Haus mit dem spitzen Dach an der Waldhornstraße 40 leer. Der Putz bröckelt von der Fassade, eine Kette mit Vorhängeschloss verschließt das hölzerne Gartentürchen.

Die Spitzengardinen hängen noch in den Fenstern. Doch eigentlich steht das Haus schon seit Jahren leer.
Die Spitzengardinen hängen noch in den Fenstern. Doch eigentlich steht das Haus schon seit Jahren leer. © Daniel Loeper

In die AZ schafft es dieses Haus, weil es in Hartmannshofen steht. Das ist eine 92 Hektar große Siedlung im Münchner Nordwesten. Sie gehört zu einem großen Teil dem Freistaat. Und das Haus an der Waldhornstraße 40 ist nur eines von über 30, die er dort leerstehen lässt. Nicht nur der Leerstand regte viele Münchner auf. Auch, dass der Freistaat seinen Besitz dort nach und nach verkauft, ärgerte viele: Von den 570 Grundstücken, die ihm einst dort gehörten, sind nur noch 350 übrig. Die restlichen gingen an die, die bereit waren, das meiste dafür zu zahlen.

Für Lehrer und Polizisten will der Freistaat in Hartmannshofen Wohnungen bauen

Doch anscheinend denkt der Freistaat um: Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) haben sich darauf geeinigt, dass in Hartmannshofen günstiger Wohnraum entstehen soll. Einziehen sollen einmal Lehrer, Polizisten und andere staatliche Beamte. Die AZ hat sich von Florian Binder, einem Architekten aus dem Planungsreferat, durch die Siedlung führen und erklären lassen, was dort geplant ist.

Idyllischer Ortsteil von München: Einst war Hartmannshofen Jagdgebiet

Vorher aber ein kleiner Exkurs. Hartmannshofen grenzt an den Nymphenburger Schlosspark und war einst königliches Jagdgebiet. 1919 errichtete eine Gruppe Unteroffiziere, die nach dem  Ersten Weltkrieg heimgekehrt waren, in Erbpacht Einfamilienhäuser. In den Gärten pflanzten sie Obst und Gemüse zur Selbstversorgung. Bis heute wirken viele Grundstücke für Münchner Verhältnisse riesig. Sonst hat schließlich selbst am Stadtrand im Garten oft nicht mehr Platz als ein Grill und ein Gartentisch. In Hartmannshofen sind die Grundstücke zwischen 800 und über 3000 Quadratmeter groß. "Auf vielen Grundstücken stehen mehr als 50 bis 60 Bäume", sagt Florian Binder.

Seine Behörde will das Gartenstadt-Idyll erhalten. Der Freistaat wollte hingegen bis vor gar nicht allzu langer Zeit im großen Stil bauen. Einst waren um die 1200 Wohnungen angedacht. Das ist vom Tisch. Auf 14 Grundstücken ist nun geplant, dass Modulbauten aus Holz entstehen. Im Erdgeschoss, im ersten Stockwerk und im Dachgeschoss soll jeweils eine Wohnung Platz haben. Je nach dem, wie groß das Grundstück ist, können an dieses Gebäude noch einmal weitere herangebaut werden. Insgesamt soll Platz für 70 Wohnungen sein.

So könnten die neuen Holzhäuser aussehen. Wenn genug Platz ist, sollen mehrere aneinander gebaut werden.
So könnten die neuen Holzhäuser aussehen. Wenn genug Platz ist, sollen mehrere aneinander gebaut werden. © Lauber Zottmann Blank Architekten

Wie die Gebäudeteile zusammengesetzt werden, kann zwar variieren. Grundsätzlich entstehen aber nicht lauter individuelle Häuser. "Die Teile werden vorgefertigt", sagt Florian Binder. Das sei wirtschaftlicher. Die Kosten des Projekts stehen allerdings noch nicht fest, meint er.

Die Stadt, sagt Binder, ist mit dieser Lösung zufrieden. Denn hätte das Rathaus den ursprünglichen Plänen für Geschosswohnungsbau zugestimmt, wäre nicht nur in den Gärten viel Grün verloren gegangen. Die Straßen in der Siedlung sind schmal, viele haben keine Geh- oder Radwege. Würden große Mehrfamilienhäuser gebaut, müsste man die Straßen verbreitern, sagt Binder.

Aus kleinen Häuschen in Hartmannshofen sind Villen geworden 

Wer durch die Siedlung spaziert, erkennt schnell, welche die Grundstücke sind, die der Freistaat bereits verkauft hat. Statt bescheidenen Häuschen mit Spitzdach und Fensterläden stehen hier oft Villen. Manche sehen aus wie aus einem Architektur-Magazin.

Man erkennt schnell, welche Grundstücke der Freistaat verkauft hat. Die neuen Eigentümer verwirklichen dort ihre Architekturträume.
Man erkennt schnell, welche Grundstücke der Freistaat verkauft hat. Die neuen Eigentümer verwirklichen dort ihre Architekturträume. © Daniel Loeper

Ein Haus ist ganz schwarz, ein anderes mit Holz-Lamellen verkleidet, das nächste hat ein Fenster, das über zwei Stockwerke reicht. Auf der Fensterbank stehen bauchige Vasen. Bei einem steht der Tesla in der Einfahrt, beim anderen parkt der Jaguar vor dem Gartenzaun.

Und man erkennt auch schnell, welche Häuser gerade leer stehen. Bei den meisten ist die Gartentüre mit einer Eisenkette verschlossen. Bei einem quillen die Zeitungen aus dem Briefkasten. Bei einem anderen – an der Waldhornstraße 3 – sind die Balken zerbrochen, die eigentlich verhindern sollen, das Schnee vom Dach hinunter rutscht. Seit April 2013 steht das Haus leer, das Grundstück ist rund 3300 Quadratmeter groß.

Dieses Haus in Hartmannshofen könnte sich für eine Bebauung eignen. Der Freistaat würde es dann abreißen und ein neues Haus errichten.
Dieses Haus in Hartmannshofen könnte sich für eine Bebauung eignen. Der Freistaat würde es dann abreißen und ein neues Haus errichten. © Daniel Loeper

Florian Binder meint, das könnte eines der Häuser sein, die der Freistaat bald abbricht und dann an diese Stelle zwei Holzmodulbauten errichtet.

Der Freistaat Bayern will auch weiterhin Grundstücke in Hartmannshofen verkaufen

Der Verkauf von Hartmannshofen ist aber noch nicht gestoppt: Der Freistaat wird weiterhin Grundstücke auf dem freien Markt anbieten. Bis vor Kurzem konnte man ein Angebot für ein rund 1700 Quadratmeter großes Grundstück mit der Adresse Im Eichgehölz 9 beim Freistaat abgeben. Von vorne sieht das Haus mit seinen hellen Fensterläden und dem spitzen Dach recht bescheiden aus.

Für dieses Häuschen konnte man bis vor Kurzem ein Angebot beim Freistaat abgeben.
Für dieses Häuschen konnte man bis vor Kurzem ein Angebot beim Freistaat abgeben. © Daniel Loeper

Tatsächlich gab es im Erdgeschoss einmal einen Pool in einem kleinen Nebenhaus. Seit 2017 steht das Haus leer. Im Wohnzimmer ist das Parkett herausgebrochen, die Türen in den Schlafzimmern sind aus den Angeln gehoben und die roten Fliesen in der Küche versprühen den Charme der 50er Jahre. Anschauen kann man sich das noch immer bei einem virtuellen Rundgang im Internet.Kaufangebote nahm der Freistaat in einem verschlossenen Umschlag bis Ende Februar an. Mehr als die eigene Adresse und einen Preis, den man zu zahlen bereit war, wollte er nicht wissen.

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