"Hier ging ein Stück Charme verloren"

AZ-Leserin Gabriele Weinberger ist in Pasing aufgewachsen. Hier schreibt sie, wie sich ihre Heimat verändert hat - eine Beobachtung "mit sehr gemischten Gefühlen".
von  Gabriele Weinberger
Pasing verändert sich. AZ-Leserin Gabriele Weinberger beobachtet das "mit sehr gemischten Gefühlen".
Pasing verändert sich. AZ-Leserin Gabriele Weinberger beobachtet das "mit sehr gemischten Gefühlen". © Gabriele Weinberger

AZ-Leserin Gabriele Weinberger ist in Pasing aufgewachsen. Hier schreibt sie, wie sich ihre Heimat verändert hat - eine Beobachtung "mit sehr gemischten Gefühlen".

Pasing - Pasing begeht dieses Jahr seine 1250-Jahr-Feier. Ein denkwürdiges Jahr und Ereignis. Ich bin gebürtige Pasingerin, habe dort meine Kindheit und Jugendzeit erlebt - eine sehr schöne Zeit, an die ich gerne denke. Ich bin immer noch regelmäßig und gerne dort, beobachte jedoch die Veränderungen und Moderinisierungen dieses Stadtviertels mit sehr gemischten Gefühlen.

 In meinen Kinder- und Jugendtagen überwogen in Pasing die Grünflächen. Kleine Läden, geführt von freundlichen Menschen wie du und ich vermittelten einerseits etwas dörflich Gemütliches. Auf der anderen Seite fehlte ihm durch die belebten Straßen und die Einkaufsmeile der Bahnhofsstraße trotzdem nicht der Großstadtcharme.

In den letzten Wochen bin ich öfter an meinem alten Elternhaus, Bachbauernstr. 9, vorbeigekommen, welches in den letzten Wochen Stück für Stück abgerissen wurde. Erst fielen die ganzen Bäume der Säge zum Opfer, dann wurden die Fenster entfernt und dann das Haus Wand um Wand niedergerissen - bis nunmehr nur noch ein Bauloch übrig geblieben ist.

Gedanken daran wie es früher hier war, überkommen mich. Ich erinnere mich an die schönen Bäume und die Kletterrosen im Garten meines Elternhauses und an den großen Garten mit dem Kirschbaum neben der Scheune und dem Zwetschgenbaum.

Gegenüber war die Malerei Schießl, ein ebenfalls alter Bau mit großem Vorgarten, daneben ein Apartmenthaus. Neben meinem Elternhaus lag früher ein riesengroßer wilder Garten mit einem kleinen Hexenhäuschen, in dem die Schwestern Riedl lebten. Zwei liebenswerte alte Damen, die an der Stelle des heutigen Friseurladens (gegenüber vom derzeitigen Bauloch) früher einen Laden mit allerlei Hausrat hatten.

Ich muss schmunzeln – meine Mutter hatte mich als Kind am 1. April einmal dort hin geschickt mit der Bitte, ein Paket „Ibidumm“zu kaufen. Ich kann mich noch an den Lachanfall von Thea Riedl erinnern, als ich meinen Einkaufswunsch vortrug. Mit dem Ableben der beiden Schwestern, dem Verkauf des Grundstückes und dem Bau des noch heute stehenden Wohn- und Geschäftshauses in der Bachbauernstr. 5-7 ging das erste Stückchen einer charmanten Straße mitten in Pasings Herz verloren. Als dann kurze Zeit später auch der kultige Hexentanzplatz – einer der wenigen Kreisverkehre mit schöner grüner, mittiger Verkehrsinsel - einer Neugestaltung des Kreuzungsbereiches weichen musste, verblieben die Häuser an der Bachbauernstr. 9 und gegenüber die alte Malerei Schießl als nostalgische Relikte.

Nunmehr ist an Stelle der ehemaligen Malerei Schießl bereits ein modernes Wohnhaus gepfercht worden, an der Stelle des Hauses von Bachbauernstr. 9 erwarte ich eine ähnlich effiziente Ausnutzung von Baugrund für Wohn- und Geschäftsraum.

Obwohl mein Elternhaus nicht schön war und auch immer den Eindruck erweckte nur ein halbes Haus zu sein, denke ich mit Wehmut daran, welche Oase dieses alte Pasinger Eck an der Bachbauern- und Irmonherstraße früher war und frage mich, ob die neue Gestaltung diese zum Herz von Pasing gehörenden Wohnbereiches wieder einen vergleichbaren Charme erreichen wird?

An einem Abend vor dem Abriss des Gebäudes ging ich bewaffnet mit einer Schaufel in den Garten und grub ein Schneeglöckchen aus, um es in meinen jetzigen Garten zu pflanzen. Es wird mich immer an die schöne Zeit meiner Kindheit und Jugend in Pasing und in meinem Elternhaus erinnern. 

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