Herrchenlose Zamperl suchen Gassigeher

Auch Hunde ohne Herrchen brauchen Bewegung. Münchner übernehmen ehrenamtlich das Gassigehen im Tierheim – und profitieren davon ebenso wie die Vierbeiner.
Stephanie Korbely |
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Pause auf dem Spielplatz: Christian Riegler mit Tochter Jana und Pinscher-Mix Lenny.
Stephanie Korbely 3 Pause auf dem Spielplatz: Christian Riegler mit Tochter Jana und Pinscher-Mix Lenny.
Tierheimleiterin Sandra Giltner freut sich über die ehrenamtliche Unterstützung.
Stephanie Korbely 3 Tierheimleiterin Sandra Giltner freut sich über die ehrenamtliche Unterstützung.
Border Collie Schäferhündin Lisa ist bei jedem Wetter für einen Spaziergang zu haben.
Stephanie Korbely 3 Border Collie Schäferhündin Lisa ist bei jedem Wetter für einen Spaziergang zu haben.

Riem - Hundesprache, Lektion 1 : „Schau Jana, Lenny rollt sich auf den Rücken und will gestreichelt werden, das ist ein echter Vertrauensbeweis!“ Die fünfjährige Jana strahlt, als sie Pinscher-Mix Lenny den wolligen Bauch krault. Vater Christian Riegler (36) freut sich: Er konnte seiner Tochter neues Hunde-Vokabular beibringen. Ihm ist wichtig, dass Jana von klein auf Kontakt zu Tieren hat. Anfangs noch ein wenig schüchtern, fasst Lenny nun bereits Vertrauen zu seinen Gassigehern. Die kennt er erst seit wenigen Minuten, denn Lenny wartet im Tierheim auf ein neues Zuhause. Umso mehr freut er sich, dass heute jemand mit ihm spazieren geht.

So wie Christian und Jana Riegler führen etwa 40 Ehrenamtliche regelmäßig Tierheimhunde Gassi. Für das Tierheim München-Riem und seine Bewohner ginge es ohne die zusätzliche Hilfe nicht, betont Tierheimleiterin Sandra Giltner: „Wir nehmen jedes Jahr rund 1400 Hunde auf – die müssen täglich raus. Ohne die ehrenamtlichen Gassigeher würden wir das bei unseren knappen Ressourcen nicht schaffen.“

"Drei Hunde bei jedem Wetter"

Den typischen Gassigeher gibt es dabei nicht: Jeder tierliebe Münchner kann zu den Gassigehzeiten ins Tierheim kommen und bekommt nach einmaliger Registrierung einen passenden Hund zugeteilt. Viele der Gassigeher sind aber Studenten und ältere Menschen, die etwas Zeit mitbringen. So wie die Rentnerin Emilie Großglettner, die praktisch zum Inventar des Tierheims gehört: „Seit ich 1997 in Rente gegangen bin, führe ich jeden Tag mindestens drei Tierheimhunde Gassi, bei jedem Wetter.“ Dies nimmt man Emilie Großglettner zweifellos ab, wenn man ihr im strömenden Regen mit Regencape und Gummistiefeln perfekt ausgerüstet vor dem Hundehaus begegnet – mit einem Strahlen im Gesicht.

„Ich hatte immer einen sitzenden Beruf und habe mir geschworen, dass ich mich ab der Rente mehr bewege, mehr an die frische Luft gehe. Und es ist einfach schön, mit Tieren in der Natur unterwegs zu sein “, sagt sie. Alle Gassigeher eint der Spaß am Spazierengehen mit den Vierbeinern. Sie sind tierlieb, können aus verschiedenen Gründen aber keinen eigenen Hund halten. Meist sind es finanzielle oder zeitliche Gründe. So kommen gerade am Wochenende viele berufstätige junge Leute und Familien wie die Rieglers ins Tierheim, um sich für ein paar Stunden einen tierischen Begleiter zu holen.

Ein Tier auf Zeit, das man nach dem Spaziergang wieder abgibt – ist das nicht ethisch bedenklich? Tierheimleiterin Sandra Giltner sagt: „Ich bin froh, wenn Leute, die keinen eigenen Hund halten können, trotzdem eine Chance haben, ihre Tierliebe auszuleben – das Tier hat ja einen direkten Vorteil davon. Schwierig wird es nur dann, wenn ein Gassigeher denkt, dass er bestimmen darf, wer den Hund bekommt. Wir hören uns gerne Meinungen an, aber das Interesse der Tiere steht immer an erster Stelle. Und damit das Ziel, sie in ein gutes Zuhause zu vermitteln."

Vermieter müssen vermittelte Hunde genehmigen

Bevor ein Hund vermittelt werden kann, ist stets eine schriftliche Einverständniserklärung des Vermieters nötig. Aufgrund der Wohnungsnot bekommt man diese in der Landeshauptstadt weniger leicht als in anderen Städten. Ebenso ist es für Mieter mit Hund schwieriger, eine Bleibe zu finden, wie Anja Franz vom Mieterverein München bestätigt: „In den Augen eines Vermieters ist ein Hund, überspitzt gesagt, eine potentielle Störquelle – er könnte das Parkett zerkratzen, zu laut bellen, die Mitbewohner verärgern. In München können sich die Vermieter ihre Mieter aussuchen, sodass Hundehalter leider oft den Kürzeren ziehen.“ Viele Münchner Hunde liebhaber bleiben daher unfreiwillig ohne Tier.

Ehrenamtliches Gassigehen ist eine gute Alternative, um den Wunsch nach einem Hund zumindest zeitweise auszuleben. Natürlich lässt sich dabei nicht vermeiden, dass man sein Herz an einen Vierbeiner verliert. Sandra Giltner: „Je länger ein Hund im Tierheim ist und je regelmäßiger ein Gassigeher mit ihm spazieren geht, desto eher wird eine echte Freundschaft aufgebaut. Der Hund verbindet schließlich etwas Positives mit dem Menschen. Es kommt dann durchaus vor, dass Gassigeher Patenschaften für Hunde übernehmen. Oder sie nach Möglichkeit ganz zu sich nehmen, manchmal sogar noch nach Jahren.“

Gassigehen kann eine Vorbereitung auf einen eigenen Hund sein. So wie möglicherweise bei der fünfjährigen Jana, die von Vierbeiner Lenny gerade einen feuchten Schmatzer verpasst bekommen hat . „Das war dann wohl eine Liebeserklärung“, übersetzt Vater Christian lachend die Hundesprache.

So werden Sie Gassigeher

Das Tierheim München-Riem sucht insbesondere wochentags noch verlässliche Gassigeher. Die Gassigehzeiten sind Montag bis Sonntag von 9 bis 11.45 Uhr sowie Montag und Dienstag von 13 bis 15.45 Uhr. Zur ersten Registrierung bitte Personalausweis mitbringen. Wer noch nicht volljährig ist, benötigt eine schriftliche Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten. In unregelmäßigen Abständen werden Gassigehkurse mit einem Hundetrainer angeboten. Weitere Infos unter Tel. 089 - 921 000 88 sowie unter www.tierschutzverein-muenchen.de

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