Giesinger Gschichten: Die bewegte Vergangenheit des Raintaler Hofs
Giesing - Anno dazumal wurde der Küchenofen noch mit Holz und Kohle beheizt: Die Gäste mochten Leberspätzlesuppe, Saures Lüngerl mit Knödel oder auch gebackenes Hirn. Ein Gast, der Jäger war, brachte aus dem Wald die Pilze mit, für köstliche "Rahmschwammerl".
Die Giesinger Wirtschaft "Raintaler Hof" war ab 1900 eine Institution in Giesing. Von Paulaner gibt es 2013 sogar eine festlich gestaltete Urkunde für "100 Jahre Bierbezug". Ab den 70er Jahren wechselten allerdings die Wirte in dem einst prächtigen Eckhaus. Bis heute wohnen die Hausbesitzer, die Tochter, Enkelin und der Urenkel der ehemaligen Wirtsfamilie, oben in dem Haus Ecke Perlacher Straße/Raintaler Straße.

80er Jahre: Nachfolger des Raintaler Hofs oft nicht erfolgreich
Nach dem Ende der Bayerischen Küchen- und Wirtshaustradition erwies sich in den 80er Jahren die Nachfolge nicht immer als glücklich, das Geschäft nicht immer als einträglich: Als "Blue Banana" war die Stube mit Spielautomaten vollgestellt. Aber auch als italienisches Restaurant "Sanmarco" kennen die Giesinger den Ort. Zuletzt war aus dem Gasthaus Reintal die gefragte Pizzeria "Corte del Angelo" geworden.

Margot Finster-Ibrahim bewundert ihre Großmutter Margarethe, die bis 1966 die Wirtin des Raintaler Hofs war: "Sie war so eine tüchtige Wirtin und tolle Köchin. Als Schülerin bin ich fast in der Küche der Wirtschaft aufgewachsen. Aber ich durfte nicht in den Gastraum", erinnert sie sich. Die 62-jährige Giesingerin hat eine Menge alter Fotos zusammengetragen vom Raintaler Hof: aus der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach einem Bombentreffer war das Gasthaus mit Ziegelresten niedriger und schlichter wieder aufgebaut worden.

Wirtstochter sucht Geschichten über Raintaler Hof
Die geborene Giesingerin ist dabei, die Geschichte ihres Wohnhauses aufzuschreiben. Und alte Giesinger Geschichten um das einstige Wirtshaus herum: "Früher war die Wirtschaft die Heimat der Leute. Die Nachbarin kam zum Ratschen. Der Gastraum war wie ein großes Wohnzimmer. Manche Gäste haben nur ein Glaserl Wasser getrunken oder einen Kaffee", erinnert sie sich. An ihrer Großmutter Margarethe hat sie immer geschätzt: "Sie war eine gute Geschäftsfrau, aber auch karitativ. Dem Pfarrer und den Klosterschwestern gegenüber hat sie Suppe rübergeschickt", weiß Margot Finster-Ibrahim.

Sie hat noch genau im Kopf, wie es war, als in den 60er Jahren jeder Stammgast einen eigenen Maßkrug hatte. Entweder mit seinem Namen oder einem Bild oben auf dem Deckel. Der 60er-Fan hatte ein 60er Krügerl. In den 70er Jahren wurde das Gasthaus Raintal aber zum Treff der Bayern-Fans. Beim Lokalderby ging es heiß her. Die Stube war oft überfüllt, so dass Bier aus dem Fenster auf die Straße gereicht wurde.

Legendär sind die lustigen Feste in der Wirtschaft: "Die Tische wurden weggeräumt. Wir haben alle getanzt wie eine große Familie. Manchmal ging es etwas deftig zu", erinnert sich die Giesingerin, die heute in der Mansarde des Hauses lebt, an ihre Kindheit.
An besonderen Tagen wurde das Bier damals in Humpen ausgeschenkt: in riesigen Porzellankrügen mit Zinndeckel. Am Stammtisch, beim Schafkopfspielen ging es oft zünftig zu: "Wenn die Männer ein bisserl über den Durst getrunken hatten, haben die in den Tisch reingehauen, das habe ich bis in die Wohnung hoch gehört."

Margot Finster-Ibrahim: Apfelschorle statt Bier
Interessant ist, die Frau, die aus einer traditionellen Wirtsfamilie stammt, trinkt lieber Apfelschorle als Bier und ernährt sich seit 15 Jahren vegetarisch: "Was ich als Enkelkind der Wirtsleute gesehen habe, war nicht immer so schön. Deswegen bin ich, was den Alkohol betrifft, sehr kritisch. Mein Großvater war Metzger, mein Vater war Metzger, die haben im Keller in der Waschküche ein Schwein zerlegt. Der Wurstkessel steht heute noch hier", erklärt Margot Finster-Ibrahim. Ihre Eltern betrieben in der Tegernseer Landstraße den Stehausschank Georg Finster für Bier, Wein und Likör. Als Ur-Giesingerin liebt Margot die perfekte Lage von Giesing. Auch den Geist des "Leben und Leben lassen" im Viertel.
Ihre Familiengeschichte und die Stadtviertelhistorie möchte sie teilen. Deswegen ihr Appell: "Wenn Giesinger sich noch an Dinge erinnern, die mit dem Raintal und Obergiesing zu tun haben, schickt mir gerne eine Nachricht per Mail."
Kontakt: privat@raintal.de, Website über die einstige Wirtschaft: www.raintal.de